Formel 1-Prozess gegen Ex-BayernLB-Vorstand:Eine ganz andere Geschichte

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Eine Briefkastenfirma, von der Formel-1-Boss Bernie Ecclestone angeblich nichts wusste. Und eine Erpressung, die vielleicht gar keine ist: Im Prozess gegen Ex-BayernLB-Manager Gerhard Gribkowsky kommen zahlreiche Ungereimtheiten ans Licht. Selbst Insider staunen.

Klaus Ott und Nicolas Richter

Anfang des Jahres war die Rechtsanwältin Sacha Jane Woodward Hill gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt in ihr Büro im Londoner Hauptquartier der Formel 1. Sie telefonierte mit ihrem Chef Bernie Ecclestone, der im selben Haus an seinem Schreibtisch die Post öffnete, sie konnte den Brieföffner hören. "Du glaubst nicht, was ich da habe", sagte Ecclestone, "einen Brief von Görhard." Gemeint war Gerhard Gribkowsky, der soeben in Schwierigkeiten geraten war wegen der Millionen, die Ecclestone ihm heimlich gezahlt hatte.

Der frühere BayernLB-Vorstand Gerhard Gribkowsky Anfgang November bei einem Gerichtstermin in München. (Foto: dpa)

"Das kann nicht sein, Görhard sitzt doch im Gefängnis", sagte Woodward Hill. "Doch, doch", beharrte Ecclestone. Seine Anwältin eilte zu ihm und ließ sich den Brief zeigen, in dem Gribkowsky verlangte, Ecclestone möge ihre gemeinsamen Geschäfte als sauber darstellen. "Was glaubst Du", soll Ecclestone gefragt haben, "was hat das zu bedeuten?"

Woodward Hill hat die Anekdote in dieser Woche dem Landgericht München geschildert, wo Gribkowsky unter anderem wegen Bestechlichkeit angeklagt ist. Die aus Australien stammende Juristin arbeitet seit 15 Jahren in der Formel 1 und müsste alle Tricks des Gewerbes kennen; sie ist mit 42 Jahren nur gut halb so alt wie ihr Chef Ecclestone, aber als Chefjuristin der Rennserie eine seiner engsten Vertrauten.

Was die Anwältin aber in diesem Jahr über bestimmte Geschäfte im Rennzirkus erfuhr, verblüffte selbst sie. Irgendwann riet sie ihrem Chef sogar, sich einen Anwalt zu nehmen. Ecclestone verpflichtete dann den Düsseldorfer Juristen Sven Thomas. Immerhin ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn, den Briten, wegen mutmaßlicher Bestechung des Ex-BayernLB-Vorstands Gribkowsky. Der steht seit einem Monat vor Gericht.

Gribkowsky hat vor Jahren von Ecclestone und der Stiftung Bambino, die der damaligen Frau und den Töchtern des Briten gehört, heimlich 44 Millionen Dollar erhalten - Schmiergeld, so sieht es die Staatsanwaltschaft. Denn zuvor hatte die BayernLB ihre Anteile an der Formel 1 verkauft; zum eigenen Vorteil, aber auch im Sinne Ecclestones. Der mochte keine Banken als Miteigentümer und festigte mit dem neuen Inhaber, dem Investor CVC, seine Stellung als Direktor des Renngeschäfts.

Der Formel-1-Chef gerät immer mehr in Bedrängnis

In dieser Woche haben Woodward und zwei weitere Zeugen aus dem Umfeld Ecclestones und seiner Familie beim Landgericht in München ausgesagt, und was dabei zur Sprache kam, bringt den Formel-1-Chef mehr und mehr in Bedrängnis. Seine Version, bei den dubiosen Zahlungen an Gribkowsky sei er nicht der Bestecher, sondern ein Erpressungsopfer gewesen, wirkt zunehmend fragwürdig.

Auch das Gericht scheint Zweifel zu haben. Ecclestone behauptet, er sei von Gribkowsky subtil unter Druck gesetzt worden, der Deutsche habe angedeutet, es gebe fragwürdige Verbindungen zwischen Ecclestone und der Familienstiftung Bambino, was angeblich Steuernachforderungen in Milliardenhöhe hätte auslösen können. Mit dem Verkauf der Formel-1-Anteile der BayernLB aber habe das überhaupt nichts zu tun gehabt, beteuerte Ecclestone vor Gericht.

Dieser Verkauf und die Anbahnung von Gribkowskys Millionengeschäften aber standen in einem engen zeitlichen Zusammenhang, wie vor Gericht deutlich wurde. Das ist nicht die einzige Ungereimtheit: Ein Teil der Zahlungen an Gribkowsky ist über die Briefkastenfirma Lewington Invest abgewickelt worden, von der Ecclestone - so behauptete er unlängst vor Gericht - "noch nie gehört" habe. Nun erzählte seine Vertraute Woodward Hill den Richtern eine ganz andere Geschichte.

Demnach soll Ecclestone damals einem Mittelsmann einen Zettel gegeben haben, auf dem handschriftlich der Name Lewington Invest und die geplanten Zahlungen an Gribkowsky notiert gewesen seien. Das habe sie, Woodward Hill, bei eigenen Recherchen ermittelt. Auch habe Gribkowsky damals einem weiteren Mittelsmann Ecclestones die Botschaft zukommen lassen, es dürfe nicht erkennbar sein, dass das Geld für ihn vom Formel-1-Chef aus England komme. Man solle das über eine Steueroase abwickeln.

Woodward Hill hat in diesem Jahr mit ihrem Chef, mit seinen Vertrauten und mit Vertretern Bambinos gesprochen, um die damaligen Ereignisse nachzuvollziehen. Dabei hatte sie nach eigenen Angaben mehrmals das Gefühl, die Antworten erklärten "nicht die ganze Geschichte".

Woodward Hill sagte vor Gericht noch mehr aus, was nicht ganz zu den Unschuldsbeteuerungen ihres Chefs passt. Anfang 2005 hatten die Banken als Miteigner der Formel 1 mit Ecclestone um die Kontrolle gestritten und Munition gegen den Briten gesucht. "Die Banken sahen das Konstrukt Bambino als mögliches Mittel, Druck auf Ecclestone auszuüben", sagte Woodward Hill als Zeugin. Sie habe dies schon im Februar 2005 registriert und Ecclestone gewarnt.

Den aber beeindruckte das offenbar nicht. Der Brite arrangierte sich mit den Banken und blieb Chef der Formel 1. Warum hätte sich Ecclestone ein ganzes Jahr später von Gribkowsky mit dieser Drohung einschüchtern lassen sollen, wenn es zuvor doch offenbar nicht mal drei Großbanken geschafft hatten?

Auffällig war in dieser Prozesswoche auch, was eine Bambino-Vertreterin auf die Frage antwortete, ob man jemals versucht habe herauszufinden, ob Gribkowsky seine Drohungen untermauern konnte: "Nicht wirklich." Ob Gribkowsky damals tatsächlich etwas in der Hand gehabt habe, "wussten wir nie". Trotzdem bekam er viel Geld.

Am Ende ihrer Aussage verwies die Juristin Woodward Hill auf einen weiteren komischen Umstand. Die BayernLB hatte beim Verkauf ihrer Formel-1-Anteile an CVC auf Betreiben von Gribkowsky 41 Millionen Dollar an Ecclestone bezahlt. Die Staatsanwaltschaft will nachweisen, dass der Brite keinen Anspruch auf dieses Geld gehabt habe und das Vermögen später an Gribkowsky geflossen sei.

Ecclestone sagte dazu als Zeuge, die Provision habe er sich verdient, weil es den Formel-1-Verkauf ohne ihn nicht gegeben hätte. Die Provision habe fünf Prozent des Verkaufspreises betragen. Als Woodward Hill die Unterlagen von damals überprüfte, fiel ihr sofort eines auf: Bei dem Abkommen zwischen der BayernLB und Ecclestone handelte es sich gar nicht um einen Provisions-, sondern um einen Beratervertrag. "Ich war überrascht", sagte die Justiziarin.

"Wir haben unsere inneren Augenbrauen hochgezogen"

Offenbar ist sie damit nicht allein. Der Vorsitzende Richter im Strafprozess, Peter Noll, hat bereits mehrmals seine Verwunderung über bestimmte Vorgänge kundgetan. Als in dieser Woche eine Vertreterin Bambinos nicht genau erklären konnte, wie sich Bambino und Ecclestone die Zahlungen an Gribkowsky aufgeteilt hatten, merkte Noll an: "Wir haben unsere inneren Augenbrauen hochgezogen bei dieser Antwort."

Sollte Ecclestones Version, er sei ein Erpressungsopfer Gribkowskys gewesen und habe deswegen Schweigegeld gezahlt, das Gericht am Ende nicht überzeugen, könnte dem Briten selbst eine Anklage wegen Bestechung drohen.

Am Freitag muss Noll jedenfalls das Gefühl gehabt haben, ein Zeuge wolle nicht so ganz mit der Wahrheit herausrücken. Es ging gerade um einen Brief, den die von Bambino benutzte Briefkastenfirma First Bridge an Gribkowsky geschickt hatte, damit der den Behörden sein plötzliches Vermögen erklären konnte. In dem Brief stand, die First Bridge verwalte sehr viel Geld und benötige die Kompetenz von Gribkowskys Beraterfirma G.G. Consulting. Vor Gericht saß nun ein Zeuge, der Bambino vertritt, und wich den Fragen der Staatsanwaltschaft aus.

Da ließ Richter Noll kurz so etwas wie einen Zornesausbruch spüren: "Sie wollen uns doch nicht erzählen", sagte er über den Brief der First Bridge, "dass daran ein einziges Wort wahr ist."

© SZ vom 26.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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