Prozess gegen Ex-IKB-Chef:Vom Chefsessel auf die Anklagebank

Mit Stefan Ortseifen beginnt in Deutschland die juristische Aufarbeitung der Finanzkrise. Doch der Fall IKB taugt nicht für eine Abrechnung mit der Branche.

Klaus Ott

Stefan Ortseifen hat seinen Job verloren, er soll Tantiemen in Höhe von 805.000 Euro an seinen ehemaligen Arbeitgeber zurückzahlen, und von nächster Woche an steht er auch noch viele Tage vor Gericht. Das ist alles nicht schön für den früheren Vorstandsvorsitzenden der in Düsseldorf ansässigen Mittelstandsbank IKB.

Es hätte für den 59-Jährigen aber auch weit schlimmer kommen können. Als die Staatsanwaltschaft gegen den gelernten Kaufmann zu ermitteln begann, ging es um Milliardenschäden der IKB bei jenen Ramschanleihen aus den USA, die beinahe die Weltwirtschaft in den Abgrund gerissen hätten. Als die Strafverfolger Anklage erhoben, waren 120.000 Euro übrig geblieben, die Ortseifen bei der Bank veruntreut haben soll.

Ihm wird vorgeworfen, er habe zu billig in einer Dienstvilla eines Arbeitgebers gewohnt, und er habe sich auf Kosten der IKB "hochwertige Lautsprecherboxen" angeschafft. Außerdem soll er Mitte 2007, als die Mittelstandsbank kurz vor der Pleite stand, die Aktionäre und die Börse mit einer beschönigenden und somit "irreführenden" Mitteilung getäuscht haben.

Das sind keine Delikte, wofür jemand ins Gefängnis gesteckt wird. Ortseifen kann nach Einschätzung in Justizkreisen damit rechnen, den Verhandlungssaal im Düsseldorfer Landgericht am Ende des bis zum 26. Mai angesetzten Verfahrens als freier Mann zu verlassen. Vielleicht bekommt er eine Geldstrafe und vielleicht auch noch Gefängnis auf Bewährung, aber hinter Gitter muss er bestimmt nicht.

Anschließend wäre dann noch zu klären, ob die IKB ihm zu Recht fristlos gekündigt hat und ob er der Bank Tantiemen zurückerstatten und Miete nachzahlen muss. Oder ob das Kreditinstitut dem Ex-Chef aus dessen Vertrag noch mehrere Millionen Euro schuldet. Im Vergleich zu den zehn Milliarden Euro, mit denen andere Banken und vor allem der Staat die IKB gerettet hatten, sind das keine großen Beträge, um die noch gestritten wird.

Der falsche Mann für eine Abrechnung

"Jetzt wird abgerechnet", hatte eine Wirtschaftszeitung über Deutschlands Finanzbranche geschrieben, als im Fall IKB erstmals nach Beginn der Bankenkrise Anklage gegen einen ehemaligen Vorstandschef eines großen Kreditinstituts erhoben wurde. Doch für eine Abrechnung mit den Banken ist der 1950 in Garmisch-Partenkirchen geborene Ortseifen der falsche Mann.

Und das nicht nur, weil er so gar nicht dem Bild eines abgebrühten Zockers und Spekulanten entspricht, der mal eben Milliarden riskiert. Er wirkt eher bieder. Nach der Schule hatte Ortseifen eine kaufmännische Lehre abgeschlossen und dann bei Daimler das Rechnungswesen gelernt.

Bei Krupp in Essen war er für Auslandsfinanzierung zuständig, bis er 1984 als Bereichsleiter bei der IKB begann. Zehn Jahre später wechselte er in den Vorstand, weitere zehn Jahre später wurde er Sprecher des Vorstands. Ein Schritt nach dem anderen, so wie es sein soll. Ganz ordentlich eben.

Ärger mit verbrieften Darlehen

Früher hat die IKB vor allem Industriekredite vergeben, die kein großes Risiko darstellten, andererseits aber auch wenig Gewinn abwarfen. Unter Ortseifen und dessen Vorstandskollegen investierte die Mittelstandsbank dann immer mehr Geld in Finanzpakete, die vor allem Darlehen aus dem US-Hypothekenmarkt enthielten. Als dieser zusammenbrach, fehlten plötzlich Milliarden.

Womöglich waren die Düsseldorfer Bankvorstände naiv, als sie sich von solchen schwer einschätzbaren Anlagen das große Geschäft versprachen. Womöglich haben sie interne Warnungen vor Mängeln, Risiken und einem "sich abkühlenden US-Häusermarkt" nicht genug beachtet.

Bewusst Schäden in Kauf genommen haben Ortseifen und dessen Vorstandskollegen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf aber nicht. Eine Straftat setzt jedoch einen Vorsatz voraus, und der ist nach Ansicht der Ermittler nicht nachweisbar.

Richterin fiel mit Freisprüchen auf

Die IKB war die erste größere Bank in Deutschland, die im weltweiten Hin- und Hergeschiebe von schwer durchschaubaren Finanzanlagen fast pleiteging und die erste, die mit Milliarden gerettet werden musste, um Kettenreaktionen zu verhindern. Und Ortseifen steht als erster Ex-Bankchef vor Gericht.

Bis Mitte 2007, als die IKB in Nöte geriet, war hierzulande ja immer alles gut gegangen. Bei anderen Bankchefs, die länger im Amt waren und weiter zockten, sieht das anders aus. Sie waren durch den Fall IKB gewarnt, sie hätten reagieren können oder gar müssen. Mit mancher Anklage wegen Veruntreuung von Bankvermögen ist dort zu rechnen, im Gegensatz zu Ex-IKB-Chef Ortseifen.

Der hat es beim Landgericht mit Brigitte Koppenhöfer zu tun, der Vorsitzenden der 14. Großen Strafkammer. Koppenhöfer ist durch Freisprüche bei Bankvorständen aufgefallen. Erst bei Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann im Untreueverfahren Mannesmann, dann beim früheren WestLB-Chef Jürgen Sengera, der wegen leichtfertiger Kreditvergabe in Milliardenhöhe angeklagt war. Beide Freisprüche hob der Bundesgerichtshof auf.

Wiedersehen mit alten Bekannten

Bei Ackermann wurde ein weiteres Verfahren gegen Zahlung von 3,2 Millionen Euro eingestellt, gegen Sengera wird neu verhandelt. Bei Ortseifen hatte Richterin Koppenhöfer Zweifel, ob sie die Anklage zulassen solle. Zum Vorwurf der Börsenmanipulation ließ die Richterin erst ein Gutachten anfertigen, ehe sie den Prozess ansetzte.Vor Gericht wird der gescheiterte Bankchef viele alte Bekannte wiedersehen.

22 Zeugen sind geladen, darunter die ehemaligen IKB-Aufsichtsräte Ulrich Hartmann, früher Chef des Energiekonzerns Eon, und Hans-Olaf Henkel, ehemals Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Sie sollen über Ortseifen aussagen, damit sich die Strafkammer ein Bild von dem früheren IKB-Chef machen kann.

Der betrachtet sich als unschuldig, er weist alle Vorwürfe zurück und hofft auf einen Freispruch. Ortseifen wolle sich vor Gericht umfassend äußern, heißt es in Düsseldorf. Er wird wohl das wiederholen, was er schon bei anderen Verfahren vorgetragen hat, als er und die IKB von Aktionären auf Schadenersatz verklagt wurden.

IKB hofft auf Freispruch

Dass die Krise plötzlich gekommen sei. Und dass dann andere Finanzinstitute, vor allem die Deutsche Bank, überraschend ihre Kreditlinien für die IKB gestrichen hätten. Und dass wenige Tage nach der Mitteilung an die Börse, man habe die Lage im Griff, alles anders gewesen sei.

Landgericht und Oberlandesgericht in Düsseldorf sind dieser Argumentation bislang gefolgt und haben mehr als 100 Schadenersatzklagen abgewiesen, manchmal allerdings mit wenig schmeichelhaften Begründungen für den alten IKB-Vorstand. Von Wirtschaftsprüfern ermittelte Mängel in der Bank belegten "lediglich ein Missmanagement", weil "Risiken nicht ausreichend analysiert und gesteuert" worden seien. Eine Täuschung der Aktionäre lasse sich daraus nicht ableiten.

Die IKB ist da ganz auf Ortseifens Seite und hofft, dass ihr Ex-Chef nicht wegen Börsenmanipulation verurteilt wird. Sonst könnte doch Schadenersatz an die Anleger fällig sein; Klagen in Milliardenhöhe liegen noch vor. Die Bank unterstellt der Staatsanwaltschaft, sie gehe mit "falschen Prämissen" gegen Ortseifen vor, es sei ein "Missverständnis" und eine "Fehlinterpretation". Die IKB und ihr einstiger Chef bilden in diesem Punkt eine Art Notgemeinschaft. Letzten Endes geht es um das große Geld. Nicht bei Ortseifen, aber für die Bank.

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