Provokante These des Goldman-Chefs:Teufels Beitrag

Verrichten Banken Gottes Werk? Kaum. Vielmehr sollten sie von übergroßen Risiken abgehalten werden und ihre Rettung möglichst selbst bezahlen.

Alexander Hagelüken

Lloyd Blankfein steht der US-Großbank Goldman Sachs vor. Seine Bank verdient wieder sehr viel Geld und bezahlt ihren Bankern dieses Jahr 20 Milliarden Dollar Boni, während der Rest der Menschheit unter der Krise ächzt, die Goldman&Co. auslösten.

Frankfurt, Reuters

Nach Schätzung der EU-Kommission kostet die Rettung maroder Geldhäuser allein in Europa bis zu 1,8 Billionen Euro.

(Foto: Foto: Reuters)

Wahrscheinlich ist es kein Wunder, dass Lloyd Blankfein die Welt von oben betrachtet und nichts dabei findet, sein Gewerbe in den Himmel zu heben. Die Geldhäuser verrichten "Gottes Werk", glaubt Blankfein. Einer der Romane von John Irving heißt auf Deutsch "Gottes Werk und Teufels Beitrag". Wahrscheinlich hält ein guter Teil der Menschen, die anders als Herr Blankfein unter der Krise ächzen, das Wirken der Banken derzeit eher für Teufels Beitrag.

Nach Schätzung der EU-Kommission kostet die Rettung maroder Geldhäuser allein in Europa bis zu 1,8 Billionen Euro. Das wären 3500 Euro für jeden einzelnen Europäer, Säuglinge und Greise eingerechnet. Angesichts solcher Dimensionen erstaunt es, wie wenig die Branche an den Kosten ihres Handelns beteiligt wird. Schon die Gehaltsgrenze für Vorstände geretteter Institute findet manche Finanzgröße abstoßend.

Dabei besteht kein Zweifel, dass Banken gegenüber anderen Wirtschaftszweigen bevorzugt werden. Weil der Kollaps wichtiger Finanzkonzerne den Geldkreislauf und damit die Wirtschaft lahmlegen würde, können sich die Akteure auf ihre Rettung durch den Steuerzahler verlassen. Eine Einladung, übergroße Risiken einzugehen und dem Rest der Menschheit weitere Billionenschäden aufzubürden.

Um diesen Teufelsbeitrag zu verhindern, sollten die Banken von übergroßen Risiken abgehalten werden und ihre Rettung möglichst selbst bezahlen. Dies etwa durch eine Spekulations- oder andere Art von Strafsteuer zu leisten, galt bis vor kurzem als Idee linker Spinner.

Im September reihten sich unter die Spinner die zentralen Politiker Deutschlands und Frankreichs, die Konservativen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy. Nun steht womöglich die entscheidende Wende bevor. Mit Gordon Brown kommt erstmals Unterstützung vom Regierungschef eines großen Landes, in dem die Finanzbranche entscheidend ist. Jetzt sind von den mächtigsten Wirtschaftsnationen nur noch die USA dagegen - ein hohes Hindernis, aber kein unüberwindbares.

Gegen besondere Abgaben für Banken und Spekulanten werden viele Argumente vorgebracht, von denen keines wirklich sticht. Die Geldhäuser verdienen über lange Sicht genug, um sie für Finanzkrisen selbst zahlen zu lassen.

Wenn sich die wichtigsten Industrienationen auf ein solches Modell einigen, können sich die Banken kaum durch Umzug entziehen. Fehl geht auch das Argument, die großen Geldhäuser würden ihre Geschäfte dann eben über Karibikinseln laufen lassen. Das würde keine Bank wagen, die die Ächtung durch die westlichen Industrienationen fürchten muss, in denen sie weiter mit hunderten Millionen Kunden Geschäfte machen will.

Kapital lässt sich einfangen, das zeigt die Schlacht gegen Steueroasen. Wie eine Spekulationssteuer vor wenigen Monaten als spinnerte Idee galt, galt auch der Kampf gegen Steuerhinterziehung bis vor kurzem als weitgehend aussichtslos.

Das hat sich geändert. Seit die USA, Deutschland und andere Nationen gemeinsam gegen die Bankgeheimnisse der Schweiz oder Liechtensteins vorgehen, veröden die Oasen. Eine solche Strategie ist wiederholbar, um die Banken an den Kosten der Krise - und künftiger Rettungen - zu beteiligen.

Welches Modell das beste ist, sollten die Fachleute in den nächsten Monaten austüfteln. Womöglich wäre es einfacher, die Banken und andere Finanzakteure durch eine Art Pflichtversicherung zur Kasse zu bitten, als sich auf die Jagd nach jedem einzelnen Spekulationsgeschäft zu begeben.

Doch diese Frage ist nicht entscheidend dafür, ob überhaupt etwas geschehen muss. Die Banken müssen zahlen, um ihren Dienst an der Gesellschaft zu leisten, vom Werk Gottes sollte vielleicht nicht gleich die Rede sein. Und US-Präsident Barack Obama sollte erkennen, wie peinlich es ist, der letzte Bremser zu sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: