Projekt "Stuttgart 21":Irritation aus Paris

Stuttgart soll seinen Hauptbahnhof für die Welterbeliste vorschlagen. Doch die Stadt hat anderes vor.

Gottfried Knapp

Dass Städte und Regionen in Deutschland wild darauf erpicht sind, in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen zu werden, ist allgemein bekannt. Und auch, dass einige der Ortschaften, die in den feinen Kulturclub aufgenommen worden sind, hinterher heftige Schwierigkeiten mit den internationalen Denkmalschutz-Gremien bekommen haben, ist der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben.

Projekt "Stuttgart 21": Nur die Fassaden des Hauptbahnhofs blieben übrig, wenn das Projekt "Stuttgart 21" verwirklicht würde.

Nur die Fassaden des Hauptbahnhofs blieben übrig, wenn das Projekt "Stuttgart 21" verwirklicht würde.

(Foto: Foto: ddp)

Doch dass eine Stadt, die seit vielen Jahren ein großräumiges Stadtbau- und Verkehrsprojekt durchsetzen will, von der Unesco dazu aufgefordert wird, das prominente Gebäude, das diesen ehrgeizigen Planungen im Weg steht, bei der Unesco für die Welterbeliste anzumelden und so die eigenen baufertigen Planungen auszuhebeln, das hat es weltweit noch nie gegeben - und rückt das stolze Großprojekt "Stuttgart 21" wieder einmal in jene Zonen des Zweifels, aus denen es sich öfters schon herausmanövriert hat.

Wenn es nach dem Willen der Stuttgarter Stadt- und Landesregierung gehen würde, könnten die Bautrupps schon in diesem Winter anrücken, um den Stuttgarter Hauptbahnhof radikal umzubauen und auf einen kommerziell genutzten Gebäuderest zu reduzieren. Laut den gültigen Plänen soll der gesamte Schienenverkehr in den Untergrund verlegt und der derzeitige Kopfbahnhof in einen unterirdischen Durchfahrbahnhof umgewandelt werden.

Dessen wenige Gleise sollen im rechten Winkel zu den bisherigen Bahnsteigen den Talkessel unterqueren und anschließend im Tunnel hinauf zum Flughafen und zum Messegelände kurven, von wo sie - weiterhin unterirdisch - ins Neckartal hinüberschwenken sollen.

Schutz vor den Umplanungen

Bei Wendlingen könnte dann jene Schnellbahntrasse erreicht werden, die irgendwann unter der Schwäbischen Alb hindurch nach Ulm geführt werden soll. Finanzieren will man das Großprojekt zum Teil mit den Gewinnen, die man sich von der Bebauung des derzeitigen Bahnhofsgeländes erhofft.

Vom Stuttgarter Bahnhofsgebäude, diesem kubisch eindrucksvollen Monument der frühen Moderne - Paul Bonatz hat es zwischen 1914 und 1927 errichtet -, würden beim Umbau nur der Turm, die Fassade zur Stadt und die dann ganz sinnlos in der Höhe schwebende zentrale Halle übrigbleiben. Der haushoch-mächtige Sockel des alten Gleisbetts mit den monumentalen Stützmauern zum Schlossgarten hin würde restlos beseitigt werden. Dagegen haben engagierte Bürger und Denkmalschützer immer schon protestiert.

Nun hat der Internationale Rat für Denkmalpflege, der die Unesco berät und im Fall Dresden/Waldschlösschenbrücke rigoros die Aberkennung des Welterbetitels gefordert hat, den Stuttgarter Bahnhof für die Welterbeliste vorgeschlagen, um das Bauwerk, das im entsprechenden Empfehlungsschreiben zu den vier wichtigsten Bahnhofsgebäuden Europas gezählt wird, vor den Umplanungen zu schützen. Dass ausgerechnet die bauhungrigen Stuttgarter Politiker sich plötzlich auf die Seite ihres Bahnhofs schlagen, ist aber äußerst unwahrscheinlich.

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