Süddeutsche Zeitung

Altersvorsorge:Wann sich Riester lohnt

Das Riester-Modell sollte vor allem Geringverdiener vor Armut im Alter zu schützen. Damit das funktioniert, müssen Sparer einiges beachten.

Von Janis Beenen

Die Riester-Rente ist ein ständiges Streitthema. Vor Kurzem sind die Diskussionen erneut entbrannt. Bernd Raffelhüschen, Finanzwissenschaftler an der Universität Freiburg und führender Rentenexperte, gab den Millionen Geringverdienern in Deutschland einen Tipp: Viele Angebote zur Riester-Rente seien besser als ihr Ruf. Privates Sparen könne sich mit dem richtigen Produkt gerade für weniger vermögende Familien lohnen. Die Kritik folgte prompt: Viele können sich kaum vorstellen, dass sich Menschen mit einem monatlichen Einkommen von weniger als knapp 1100 Euro noch Geld fürs Alter zur Seite legen können. Sie gelten als armutsbedroht. Müssen die Geringverdiener einfach vernünftig privat vorsorgen, damit sie im Alter Armut entgehen und nicht auf Leistungen des Staates angewiesen sind?

Derzeit betrifft das gut 500 000 Rentner. Sie haben pro Monat durchschnittlich weniger als den Richtwert von 823 Euro zur Verfügung. Tendenziell wächst diese Gruppe. Niels Nauhauser ist Altersvorsorgeexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und gilt als Gegner der Riester-Rente. Mark Ortmann ist Chef des Instituts für Transparenz, das sich mit Produkten von Banken und Versicherungen auseinandersetzt. Er hat den Ruf eines Befürworters. Sie diskutieren Raffelhüschens These. Ihre Ansichten sind die Bestandsaufnahme eines komplizierten Systems. Eines Systems, das die Bundesregierung aus SPD und Grünen 2002 insbesondere für Menschen mit wenig Geld einführte. Mit privater Vorsorge sollten die Bürger ein sinkendes Niveau der gesetzlichen Rente auffangen.

Das Alter

Besonders für junge Menschen kann sich die Riester-Rente lohnen. "Ein 20-Jähriger weiß nicht, wie viel er in 45 Jahren aus der gesetzlichen Rentenversicherung bekommt", sagt Nauhauser. Reformen seien nicht abzusehen: "Da es derzeit politisch gewollt ist, privat vorzusorgen, führt an zusätzlicher Vorsorge kein Weg vorbei, um den Lebensstandard zu sichern." Ältere Arbeitnehmer können eher kalkulieren, wie viel Geld ihnen die gesetzliche Rente bringen wird. Sie wissen, ob Riester noch einen entscheidenden Zugewinn bringen kann.

Das Durchhaltevermögen

Insbesondere Geringverdiener sollten ausdauernde Sparer sein. Nach Möglichkeit zahlen sie den gesamten Eigenbeitrag für die volle staatliche Zulage ein. "Eine bessere Rendite gibt es nicht. Menschen mit 450-Euro-Jobs können mit einem jährlichen Beitrag von 60 Euro eine Förderung von 154 Euro erhalten", sagt Ortmann. Auch mit etwas besseren Einkommen seien die staatlichen Zulagen prozentual hoch. Wer nicht genug einzahlen kann, um die volle Zulage zu bekommen, kann dennoch von der Förderung profitieren, erklärt Nauhauser: "Die staatlichen Zulagen werden dann für das betreffende Kalenderjahr nur anteilig bezahlt." Bisherige Einzahlungen und künftige Förderung blieben davon selbstverständlich unberührt.

Die Kinder

Für Eltern mit vielen Kindern ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich Riester lohnt. Je Kind unter 18 Jahren fördert der Staat Riester-Sparer mit bis zu 300 Euro pro Jahr, zusätzlich zur Grundzulage. Bei Studium oder Ausbildung können die Zahlungen bis zum 25. Lebensjahr laufen. "Gerade bei Geringverdienern mit vielen Kindern kann ein Riester-Vertrag aufgrund der Zulagen die beste private Vorsorge sein", sagt Nauhauser.

Das Risiko

"Ob sich Riester lohnt, hängt auch von der Risikobereitschaft des Sparers ab", sagt Ortmann. Wer in risikoarme Riester-Produkte wie Banksparpläne oder Versicherungen investiere, könne nicht mit hoher Rendite rechnen. Nauhauser stimmt zu: "Mit Fondssparplänen besteht die Chance auf eine höhere Rendite." Die am Aktienmarkt langfristig erzielbaren Erträge verhindere bei Fonds allerdings die gesetzliche Kapitalgarantie. Sie sieht vor, dass Sparer nicht weniger als ihre eingezahlten Beiträge zurückbekommen. "Wegen der Garantie kann es passieren, dass der Anbieter ausgerechnet zu Niedrigstkursen aus dem Aktienmarkt aussteigt, um die Einzahlungen in sicherere Anlagen umzuschichten", sagt Nauhauser. So könne zwar die Kapitalgarantie eingehalten werden, allerdings blieben dann auch die Renditeaussichten auf der Strecke.

Die Kündigung

Wer seinen Riester-Vertrag vorzeitig kündigt, verliert oft eine Menge Geld. Einige Produkte sehen besonders hohe Gebühren in den ersten Jahren vor, die sogenannten Abschlusskosten. Mittlerweile seien diese sogar nach oben begrenzt, sodass es keine Auswüchse wie früher gebe, berichtet Ortmann. Probleme verursachen sie dennoch. "Bei den teuren Riester-Fondspolicen stellen wir in unseren Beratungen häufig fest, dass selbst nach der guten Börsenphase der vergangenen zehn Jahre ein Drittel des eingezahlten Geldes weg ist", berichtet Nauhauser. Denn die Kapitalgarantie des Staates gilt nur, wenn Sparer den Vertrag erfüllen. Menschen, die finanzielle Engpässe erwarten, sollten Riester-Verträge also genau prüfen. "Dabei hilft das Produktinformationsblatt, auf dem alle relevanten Informationen zu finden sind", sagt Ortmann. Diese Sammlung relevanter Punkte müssen die Anbieter von Riester-Verträgen seit Anfang des Jahres verpflichtend anbieten. Zudem rät Ortmann: "Sparer sollten Anbieter konkret nach provisionsfreien Angeboten mit geringen oder sogar ohne Abschlusskosten fragen." Die beworbenen Verträge seien oft mit überdurchschnittlichen Kosten verbunden.

Richtig „riestern“

Mehr als 16 Millionen Riester-Verträge gibt es derzeit. Grundsätzlich kann die Riester-Rente auf drei Arten genutzt werden: mit Versicherungen, einem Banksparplan oder einem Fonds. Wer mit Riester vorsorgen möchte, sollte vier Prozent seines monatlichen Bruttoeinkommens einzahlen. Der Staat übernimmt pro Jahr bis zu 154 Euro, von 2018 an 175 Euro. Zusätzlich gibt es die Kinderzulage in Höhe von 300 Euro. Für Kinder, die vor dem Jahr 2008 geboren sind, zahlt der Staat 185 Euro. Bei Eintritt in die Rente sind verschiedene Modelle der Auszahlung möglich. Janis Beenen

Die Gebühren

"Die beste Rendite hilft nicht, wenn der Anbieter sie auffrisst", sagt Ortmann. Die Häufung solcher Fälle ist ein Grund für den schlechten Ruf von Riester. Um Enttäuschungen zu vermeiden, ist Eigeninitiative gefragt. Sparern bleibt nichts anderes übrig, als Verträge genau zu lesen und zu vergleichen. "Entscheidend sind die Effektivkosten", sagt Ortmann: "Sie sind ein Anhaltspunkt für den Renditeverlust durch Gebühren."

Das Fazit

Formal betrachtet hat Raffelhüschen recht. Fast jeder kann von der Riester-Rente profitieren, Geringverdiener im besonderen Maße. Ein anteilig kleiner eigener Beitrag kann schon zur vollen staatlichen Förderung führen. Reichtümer sind natürlich nicht zu erwarten. Dazu sind die Sparmöglichkeiten von Geringverdienern zu begrenzt. Ein Betrag von mehr als 10 000 Euro ist bis zum Eintritt in die Rente dennoch gut zu erreichen. Das ist zumindest ein Schritt weg von der Grundsicherung, in Richtung des durchschnittlichen Niveaus der gesetzlichen Rente von etwas über 1000 Euro. Wie sehr sich Riester lohnt, hängt allerdings stark von persönlichen Lebensumständen ab. In der Praxis scheitert das Konzept an einem altbekannten Problem: Für viele Menschen sind Riester-Angebote und Verträge schlicht zu kompliziert gestaltet, um sie zu verstehen.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2017/hgn/edi
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