Private Krankenversicherungen:Raus aus der Teuerungsfalle

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Im Alter steigen die Tarife der privaten Krankenversicherung drastisch an. Ein Anbieterwechsel ist schwierig bis unmöglich. Doch es gibt einen Weg, den Beitrag zu drücken.

Alina Fichter

Als Klaus Winkler "71" las, schüttelte er ungläubig den Kopf und dachte: Da muss ein Missverständnis vorliegen. Jemand muss sich verschrieben haben. Er legte den Brief beiseite und rief die private Krankenversicherung an, bei der er seit 35 Jahren Kunde ist. Nein, kein Irrtum, hieß es dort. Um 71 Prozent würden seine Beiträge steigen.

Wer für den medizinischen Ernsfall mit einer privaten Krankenversicherung vorsorgt, wird im Alter oft mit schmerzhaften Beitragssteigerungen konfrontiert. (Foto: dpa)

"Ich war fassungslos", sagt Winkler. 246,86 Euro zahlt er jetzt jeden Monat - statt 145,21 Euro im vergangenen Jahr. Und das, obwohl er den größtmöglichem Selbstbehalt gewählt hat, das sind noch einmal knapp 3000 Euro im Jahr. Nicht einfach zu stemmen, das viele Geld, für ihn als Rentner. Woher sollen die zusätzlichen Euro plötzlich herkommen?

Wie Winkler geht es vielen der knapp neun Millionen privat Krankenversicherten. Vor allem bei älteren Menschen steigen die Beiträge oft stark an, jedes Jahr wieder kommen bittere Briefe. Als Grund für die Beitragssteigerungen nennen die Versicherer vor allem die steigenden Gesundheitskosten und die zunehmende Lebenserwartung der Kunden.

Nur: Diese Argumente kennt man doch auch von der gesetzlichen Krankenversicherung. Trotzdem steigen die Prämien dort deutlich weniger stark an. Während Kunden dort einen festgelegten Prozentsatz ihres Einkommens an die Kasse zahlen (seit diesem Jahr sind es 15,5 Prozent), hängen die Prämien bei privaten Policen vor allem von Eintrittsalter, Umfang des Versicherungsschutzes und Gesundheitszustand des Verbrauchers ab. "Eine Obergrenze für Beitragserhöhungen gibt es daher nicht", sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten (BdV).

Für Winkler ist es wenig tröstlich, dass die Beiträge in diesem Jahr um durchschnittlich sieben Prozent stiegen - traf es ihn doch deutlich schlimmer. Wie kann es zu 70-,80-, manchmal 100-prozentigen Prämiensteigerungen kommen?

Der Grund dafür ist, dass private Unternehmen regelmäßig ganze Tarife für Neukunden schließen. Die Beiträge der Altmitglieder, zu denen Winkler gehört, klettern dann unaufhörlich in die Höhe. Es ist nämlich so: Die Gesellschaften möchten vor allem junge, gesunde Kunden an sich binden; an ihnen verdienen die Gesellschaften am meisten, sie müssen seltener zum Arzt oder ins Krankenhaus. Deshalb werden sie mit günstigen Angeboten gelockt.

Ohne junge Beitragszahler wird der Tarif teurer

So war es auch bei Klaus Winkler, damals, vor 35 Jahren. Als der Diplomkaufmann seinen ersten Job bei einer Bank antrat, stand er wie alle Gutverdiener vor der Wahl: privat oder gesetzlich? Privat, entschied er, ist doch klar. Nur 36 Mark zahlte er dafür monatlich, Einbettzimmer inklusive. "Ich dachte damals, ich bin doch nicht blöd, für einen Vertrag bei der gesetzlichen viel mehr auszugeben - für schlechtere Leistungen", sagt Winkler heute und schüttelt den Kopf.

Am Geschäftsmodell der Privaten hat sich seitdem nichts geändert. "Junge Menschen bekommen sehr günstig eine private Krankenversicherung", sagt Versicherungsberater Georg Pitzl, sich gesetzlich zu versichern ist für viele von ihnen viel teurer.

Schwierig werde es für sie erst später. Dann nämlich, wenn die Mitglieder eines bestimmten Tarifs älter und kränker würden - und damit für die Versicherungen teurer, sagt der Experte: "Die Unternehmen nehmen keine Neukunden mehr in diese Tarife auf. Sie vergreisen regelrecht, die Preise steigen."

Das Problem dabei ist: Menschen wie Winkler stecken fest. "Für ältere privat Versicherte mit Vorerkrankungen ist es kaum möglich, eine Alternative zu finden", sagt Verbraucherschützer Rudnik.

Beim Wechsel zu einem anderen privaten Anbieter wird erneut eine Gesundheitsprüfung fällig, Risikozuschläge drohen. Altersrückstellungen können gar nicht oder nur teilweise mitgenommen werden. Ein Wechsel zurück in die gesetzliche Krankenversicherung ist oft schwierig - und ab 55 Jahren überhaupt nicht mehr möglich.

Was bleibt Menschen wie Winkler also übrig? Einen Weg gibt es aus der Teuerungsfalle. Kaum einer kennt ihn, nur wenige nutzen ihn: Privat Versicherte haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, in einen günstigeren Tarif ihrer Gesellschaft zu wechseln, wann immer sie möchten. Ohne Gesundheitsprüfung und ohne dabei die Altersrückstellungen zu verlieren.

Mit dem Wechsel können sich Verbraucher aus einem vergreisenden Tarif, in dem die Beiträge explodieren, in einen preiswerten retten. Und müssen sich nicht jedes Jahr vor dem Brief ängstigen, in dem steht, wie hoch die Zuschläge diesmal sind. Mehrere Hundert Euro Beitrag sparen Privatpatienten bei einem Wechsel im besten Fall jeden Monat.

Aber wieso tut es fast niemand? Ganz einfach: "Die Versicherer verschweigen ihren Kunden diese Rechte. Die haben kein Interesse daran, geringere Beiträge einzunehmen" sagt Pitzl. Um einen Tarifwechsel zu verhindern, informierten Unternehmen die Kunden entweder gar nicht oder sogar falsch, so der Experte.

"Ich wurde völlig unzureichend informiert"

Das bekam auch Winkler zu spüren: Niemand habe ihn je auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht, sagt der Rentner. Als er zufällig selbst darauf gestoßen sei und sich bei seiner Gesellschaft nach einem günstigeren Tarif erkundigt habe, sei man ihm ausgewichen: "Ich wurde völlig unzureichend informiert", sagt der 70-Jährige.

Ganz alleine ist es als Verbraucher daher kaum möglich, sich im Tarifdschungel zurechtzufinden. Winkler nahm sich also einen Honorarberater, bezahlte ihm ein paar Hundert Euro - und wechselte mit seiner Hilfe in einen Tarif, dessen Existenz seine Gesellschaft ihm vorenthalten hatte, wie der Rentner sagt.

Günstigere Tarife genau prüfen

Es gibt auch günstigere Beratungsmöglichkeiten für Wechselwillige: Bei Verbraucherzentralen und der Stiftung Warentest kosten die Tipps zwischen 15 und 40 Euro. Sie können helfen, ein paar Hundert Euro monatlich zu sparen.

"Verbraucher sollten sich aber nicht nur die Beitragshöhe, sondern auch die Leistungen der günstigeren Tarife sehr genau ansehen", warnt Rudnik vom BdV. Andernfalls blieben sie womöglich beim nächsten Krankenhausaufenthalt ungewollt auf Kosten sitzen, weil der Selbstbehalt zu hoch angesetzt war.

Vor einer Gefahr können aber auch Verbraucherschützer die wechselnden privat Versicherten nicht bewahren: Davor, dass der Tarif erneut geschlossen wird - und die Prämien wieder steigen. So erging es auch Winkler. Zwar hatte er ein paar Jahre lang seine Ruhe. Dann bekam er wieder Briefe mit Zahlen zugesandt, bei denen ihm der Atem stockte.

© SZ vom 22.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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