Private Krankenversicherer: Beiträge:Massagen, die Stress machen

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Privat versicherte Patienten genießen viele Vorzüge. Doch die Wochen vor Weihnachten sind bitter: In dieser Zeit steigen die Beiträge. Verbraucher sollten aber nicht überstürzt wechseln

Alina Fichter

Wenn ihn Rückenschmerzen plagen, genügt ein Anruf: Sofort bekommt der privat Krankenversicherte einen Termin bei seinem Orthopäden. Der Arzt nimmt sich Zeit für die Untersuchung, röntgt vorsichtshalber und verschreibt gleich ein Dutzend Massagen. Kassenpatienten können von solchen paradiesischen Zuständen nur träumen - während sie in vollen Wartezimmern sitzen und die Zeit totschlagen.

Privatversicherte bekommen schneller Massagen verschrieben - müssen dafür aber jährlich mehr zahlen. (Foto: ddp)

Allerdings sind die Wochen vor Weihnachten auch für viele der knapp neun Millionen Privatversicherten bitter. Einige finden in dieser Zeit einen Bescheid ihrer Kasse im Briefkasten: Die monatlichen Beiträge steigen - mal wieder. Besonders schlimm trifft es dieses Jahr die Kunden der Debeka, mit gut zwei Millionen Mitgliedern der größte deutsche Privatversicherer. Angestellte und Selbständige zahlen ab Januar 2011 mindestens fünf Prozent mehr, Frauen müssen sogar bis zu zehn Prozent drauflegen.

Auch für die 900.000 Mitglieder der DKV sieht es nicht viel besser aus. Die Prämien steigen um durchschnittlich sechs Prozent, dabei hatte die Gesellschaft sie bereits 2010 um acht Prozent angehoben. Die Axa fordert künftig 4,6 Prozent mehr, die Continental 2,6 Prozent. Unter den großen zehn Versicherern fallen die Prämienerhöhungen nur bei der Allianz recht gering aus: Dort steigen die Prämien um maximal 0,5 Prozent.

Guido Leber, Krankenversicherungsexperte der Ratingagentur Assekurata, hat mit diesen Zahlen gerechnet: "Die Privatversicherer heben ihre Beiträge um 3,5 bis 7,5 Prozent an", sagt er. Das sei eine moderate Steigerung. "Im vergangenen Jahr waren es durchschnittlich acht Prozent." Kann der privat Krankenversicherte also aufatmen und sich bei seinen Massagen entspannen? Nicht ganz, die Beiträge mögen zwar moderat steigen - sie tun es dafür kontinuierlich. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Das Hauptproblem der Krankenversicherungen: Die Gesundheitskosten schießen seit Jahren in die Höhe. So gaben die privaten Gesellschaften im vergangenen Jahr 4,6 Prozent mehr für ihre Mitglieder aus als noch 2008, insgesamt waren es gut 20 Milliarden Euro. In diesem Jahr sind die Kosten auf beinahe 23 Milliarden Euro angestiegen. Dass Menschen immer länger leben, ist ein Grund dafür. Vor 150 Jahren wurde ein Mann im Durchschnitt gerade mal 35 Jahre alt, heute lebt er laut Statistischem Bundesamt 77 Jahre.

Was für die Menschen angenehm ist, kommt die Assekuranzen teuer. Die Kosten steigen darüber hinaus für die privaten Krankenversicherungen, weil ihre Mitglieder für die gleichen Leistungen deutlich mehr zahlen als gesetzlich Versicherte. Auf diese Weise soll eine gute Behandlung sicher gestellt werden. Viele Ärzte rechnen allerdings deutlich mehr ab als nötig. Deshalb sprechen Branchenexperten häufig von Privatpatienten als der "Melkkuh des Gesundheitssystems".

Was ist die Alternative?

Die Gesellschaften möchten nicht auf den steigenden Gesundheitskosten sitzen bleiben. "Die Firmen legen sie daher direkt auf ihre Kunden um", erklärt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Seit einiger Zeit erhöhen sich die Beiträge für private Krankenversicherungen um durchschnittlich fünf Prozent pro Jahr. Die Prämien ziehen stärker an als bei gesetzlichen Kassen.

Wer in den kommenden Tagen den Bescheid in seinem Briefkasten findet, dass er künftig eine höhere Prämie zahlen muss, darf seine Versicherung kündigen. Verbraucherschützer Rudnik rät davon ab, überstürzt zu handeln: "Besonders für Ältere und für Menschen mit Vorerkrankungen ist es schwierig, eine Alternative zu finden", sagt er. Die Beiträge bei einem Wechsel seien häufig nahezu unbezahlbar. Zudem könnten die Altersrückstellungen nur in den seltensten Fällen mitgenommen werden.

Auch in die gesetzliche Kasse zurückzukehren, ist nicht ohne weiteres möglich. Ein Arbeitnehmer müsste ein Jahr lang weniger verdienen, als die Versicherungspflichtgrenze vorsieht, also weniger als 49.950 Euro, sonst nimmt ihn die gesetzliche Kasse nicht auf. Selbständige müssen beim Wechsel einen festen Job vorweisen. Den meisten privat Versicherten bleibt daher nur eines, wenn ihr Beitrag steigt: nach einem günstigeren Tarif bei der eigenen Versicherung zu fragen - der möglicherweise keine Massagen mehr enthält.

© SZ vom 06.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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