Private Altersvorsorge:Riestern funktioniert oft nicht

  • Die Riester-Rente kann - anders als erhofft - das sinkende Rentenniveau nicht ausgleichen. Das geht aus dem neuen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung hervor.
  • Die Arbeitnehmer in der Union fordern nun von der Bundesregierung, die "Zukunftsfestigkeit des deutschen Rentensystems" wissenschaftlich zu überprüfen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Jeder Rentenexperte weiß: Vorherzusagen, wie stark die Altersbezüge künftig zulegen, wäre Kaffeesatz-Leserei. Die Bundesregierung versucht es trotzdem jedes Jahr in ihrem Rentenversicherungsbericht. So steht auch im Report für 2014 eine schöne Zahl: "Nach den Modellrechnungen", heißt es dort, "steigen die Renten bis zum Jahr 2028 um insgesamt rund 39 Prozent. Dies entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von gut zwei Prozent pro Jahr."

Klasse, mag sich da mancher Bürger denken, so viel hätte man gar nicht erwartet. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit: Gleichzeitig sinkt das Rentenniveau immer tiefer, der Abstand zwischen Arbeits- und Renteneinkommen wird größer.

Und die Riester-Rente kann - anders als von den Reformern 2001 erhofft - das sinkende Rentenniveau nicht ausgleichen. Auch das geht aus dem neuen Rentenversicherungsbericht hervor, der am Mittwoch im Kabinett beraten wird und der Süddeutschen Zeitung bereits vorliegt.

Rentenniveau sinkt bis 2020 auf 47 Prozent

Beim Rentenniveau wird stets mit einem Durchschnittsverdiener in der gesetzlichen Rentenversicherung gerechnet, der 45 Jahre aus dem jeweiligen Durchschnittsverdienst (2014 etwa 2900 Euro im Monat) Beiträge in die Rentenkasse zahlt. Für diesen fiktiven Eckrentner beläuft sich das Rentenniveau auf derzeit 48 Prozent seines Arbeitnehmergehalts nach Abzug von Sozialabgaben, aber vor Abzug von Steuern. Das entspricht einer Bruttostandardrente von derzeit 1287 Euro.

Das Rentenniveau sinkt bis 2020 aber auf 47 Prozent und dann deutlich weiter bis auf 44,4 Prozent im Jahr 2028. In dem Regierungsbericht heißt es deshalb: "Der Rückgang des Sicherungsniveaus vor Steuern macht deutlich, dass die gesetzliche Rente zukünftig alleine nicht ausreichen wird, um den Lebensstandard des Erwerbslebens zu halten". Dies könne nur gelingen, wenn eine zusätzliche Vorsorge aufgebaut werde. Doch funktioniert das überhaupt?

Als SPD und Grüne beschlossen, das Rentenniveau langfristig zu senken und im Gegenzug die private Altersvorsorge staatlich zu fördern, hoffte die damalige Regierung auf eine Art Nullsummenspiel: Was den Rentnern weggenommen wird, um die Lasten zwischen Jung und Alt gerechter zu verteilen und den Anstieg der Beiträge für die Rentenversicherung zu begrenzen, sollte die Riester-Rente ersetzen.

Geringverdiener riestern seltener

Das klappt aber nicht, wie der neue amtliche Bericht zeigt: 1998 lag das Rentenniveau noch bei 53,6 Prozent, 2001 also ein Jahr vor Einführung der Riester-Rente, bei 52,6 Prozent. Zählt man zusammen, was gesetzliche und Riester-Rente gemeinsam abwerfen, kommt die Regierung für 2014 nur noch auf ein Versorgungsniveau von 50,3 Prozent, 50,8 Prozent im Jahr 2020 und 50,6 Prozent 2028. Alle Werte liegen also unter dem Rentenniveau vor dem Startschuss für die geförderte Vorsorge.

Außerdem wird in dieser Rechnung unterstellt, dass sich die Riester-Rente mit vier Prozent verzinst, die Verwaltungskosten zehn Prozent betragen und die Arbeitnehmer die staatlichen Zulagen voll ausschöpfen. Der Sozialbeirat der Bundesregierung stellte allerdings schon 2012 fest: "Dies sind Annahmen, die in einer Reihe von Fällen in der Realität nicht so verwirklicht werden können, weil entweder die Kosten höher liegen oder die Verzinsung von vier Prozent unterschritten wird."

Knapp 30 Prozent der Beschäftigten sorgen nicht zusätzlich vor

Tatsächlich liegen die Kosten häufig zwischen 12 und 15 Prozent. Die vier Prozent Verzinsung sind, je länger die Niedrigzinsphase andauert, immer schwieriger zu erreichen. Der Garantiezins auf neue Lebensversicherungen sinkt 2015 auf 1,25 Prozent. Zudem schöpfen die meisten Arbeitnehmer die Förderung nicht aus. Und etwa ein Fünftel der Riester-Verträge wird nicht mehr bespart und bleibt damit ohne staatliche Zulagen.

Hinzu kommt: Knapp 30 Prozent der Beschäftigten sorgen überhaupt nicht zusätzlich vor. Das von der Bundesregierung angeführte Versorgungsniveau inklusive Riester-Rente dürfte also häufig weit unter den angegebenen Werten liegen.

Die Arbeitnehmer in der Union fordern nun von der Bundesregierung, die "Zukunftsfestigkeit des deutschen Rentensystems" wissenschaftlich zu überprüfen. Im Vordergrund solle dabei "das Gesamtniveau der Alterssicherung" liegen. Schon angesichts der Entwicklung auf den Kapitalmärkten müsse "die private und kapitalgedeckte Altersvorsorge in Hinsicht auf ihre Verbreitung und finanzielle Leistungsfähigkeit überprüft werden", heißt es in dem Beschluss, den der Bundesvorstand am Samstag auf den Weg bringen will.

Karl-Josef Laumann, Bundesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), sagt: "Die Riester-Beteiligungsquote ist bei Geringverdienern unterdurchschnittlich. Das heißt doch: Ausgerechnet diejenigen, die zusätzliche Vorsorge am dringendsten brauchen, riestern oft nicht." Deshalb sei jetzt zu klären, was zu tun ist und ob die Riester-Rente wirklich das halte, "was man sich 2001 davon versprochen hat".

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