Privat-Insolvenz:Schulden ohne Ende

Kann der Mieter nicht mehr zahlen, droht die Wohnungs-Kündigung. Und dann beginnen oft erst die Probleme - auch für den Vermieter.

Andrea Nasemann

Barbara W. teilte sich eine hübsche Zwei-Zimmer-Wohnung mit ihrem Freund. Als sie schwanger wurde, verließ er sie. Dem Baby sollte es trotzdem an nichts fehlen: Auf Ratenkredit bestellte die junge Frau alles, was sie für wichtig hielt. Folge: ein restlos überzogenes Girokonto. Schließlich weigerte sich die Bank, weiter Auszahlungen und Überweisungen vorzunehmen. Erst flatterte ein Mahnbescheid ins Haus, dann die Kündigungsdrohung wegen Mietrückstands. Barbara W. lief Gefahr, über kurz oder lang auf der Straße zu stehen.

So wie Barbara W. geht es in Deutschland vielen Menschen. Das Amtsgericht München kann mit alarmierenden Zahlen aufwarten: Im Zeitraum Januar bis August 2006 stieg die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren von 802 auf 1051 - gegenüber dem Vorjahr ein Zuwachs von gut 30 Prozent. In München seien mit 55.000 Haushalten sieben Prozent überschuldet, sagt Klaus Hofmeister, Leiter der städtischen Schuldnerberatung.

In vielen Fällen gebe es auch Mietrückstände. "Die meisten Mieter kommen erst dann zu uns, wenn der Karren schon tief im Sand steckt", sagt Hofmeister. Häufig versuche der Schuldner, die dringendsten Löcher zu stopfen, oft auf Kosten weiterer Gläubiger. Irgendwann breche der Verschiebebahnhof aber zusammen.

"Wer seine laufenden Unterhaltskosten nicht mehr bezahlen kann, sollte rechtzeitig eine Beratungsstelle aufsuchen", rät Hofmeister. Die Fachstelle zur Behebung und Vermeidung von Obdachlosigkeit beim Wohnungsamt München prüft dann, ob die Miete übernommen werden kann. Die Katastrophe eines Wohnungsverlustes sollte auch nach Auffassung von Sibylle Färber, Geschäftführerin des Münchener Mietervereins, unbedingt vermieden werden: "Wir empfehlen, die Verpflichtung zur Mietzahlung sehr ernst zu nehmen und ihr immer und zuallererst nachzukommen."

Schulden ohne Ende

Nicht nur für Mieter ist es misslich, wenn sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können: Auch viele Vermieter sind auf die regelmäßige Mietzahlung angewiesen. Da mancher seine Wohnung auf Kredit finanziert hat, kann sich der Mietausfall existenzbedrohend auswirken. "Für viele Vermieter sind trotz aller Bemühungen die Mietschulden häufig nicht mehr realisierbar", berichtet Manfred Nikui, Chefjustitiar bei Haus und Grund München.

Ein Grund für diese Situation sieht Nikui auch in der chronisch überlasteten Justiz: "In München kann es bis zu eineinhalb Jahren dauern, bis ein zahlungsunfähiger Mieter die Wohnung räumen muss". Bis dahin können sich Mietrückstände und Verfahrenskosten bis zu einem fünfstelligen Betrag summieren.

Wie kann man sich als Vermieter vor Ausfällen schützen? Schon bei Vertragsschluss lassen sich Risiken minimieren. So muss ein Wohnungsbewerber zwar nicht ungefragt den Vermieter über Einkommensverhältnisse und Vermögenslage aufklären. Auf Nachfrage des Vermieters muss er aber wahrheitsgemäß antworten, andernfalls kann der Vermieter den Vertrag später anfechten. Zulässig ist auch eine Selbstauskunft, worin der Mieter seine persönlichen und finanziellen Verhältnisse offen legen muss. Vermieter können auch bei Auskunfteien, zum Beispiel bei der Schufa oder Creditreform nachfragen. "Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte Kontakt zum derzeitigen Vermieter aufnehmen", empfiehlt Nikui.

Mit diesen Vorsorgemaßnahmen lässt sich das Risiko einer Insolvenz des Mieters allenfalls eingrenzen. Kommt es zum Mietrückstand, sollte der Vermieter schnell reagieren. "Spätestens nach einer Woche sollte man den Mieter kontaktieren und die Gründe für den Zahlungsverzug ermitteln", rät Nikui. Handelt es sich zum Beispiel nur um einen vorübergehenden Engpass, kann man mit dem Mieter Stundung oder Ratenzahlung vereinbaren. Kommt es allerdings nicht zu einer schnellen Lösung, sollte der Vermieter wegen Zahlungsverzugs kündigen. Voraussetzung dafür ist, dass der Mieter an zwei aufeinander folgenden Monaten mit mehr als einer Monatsmiete in Verzug ist.

Fristlos kündigen kann der Vermieter auch dann, wenn der Mieter über einen längeren Zeitraum als zwei Monate mit einem Betrag in Höhe von mindestens zwei Monatsmieten in Verzug geraten ist. Zahlt der Mieter allerdings innerhalb von zwei Monaten, nachdem der Vermieter gegen ihn auf Räumung geklagt hatte, die rückständige Miete, oder wird sie vom Sozialamt übernommen, ist die Kündigung hinfällig. Dies darf nur ein Mal innerhalb von zwei Jahren passieren. Hat der Vermieter dagegen ordentlich, also mit Kündigungsfrist, gekündigt, bleibt die Kündigung trotz Begleichung der Mietrückstände wirksam (Bundesgerichtshof, Urteil vom 16. Februar 2005, VIII ZR 6/04).

Doch was tun, wenn der Mieter über alle Berge ist? Dann habe der Vermieter schlechte Karten, meint Nikui. Nicht nur, dass die Miete nicht bezahlt wird. Es kann dann auch fraglich sein, wann der Vermieter die Wohnung weitervermieten kann. Dies geht erst dann, wenn die Wohnung geräumt und die Schlüssel abgegeben sind. Was aber, wenn der Mieter die Wohnung noch nicht oder nur teilweise geräumt hat? "Der Vermieter befindet sich auf einem schmalen Grat. Die richtige Vorgehensweise richtet sich dann immer nach dem Einzelfall", lautet die Auskunft des Experten.

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