Preisabsturz bei Rohstoffen:Die Angst im Genick

Der Ölpreis fällt auf einen Schlag um rund zehn Prozent, Silber verliert binnen weniger Tage fast ein Drittel seines Wertes. Was ist los am Rohstoffmarkt? Die Experten üben sich in Erklärungen - und sind doch erstaunlich ratlos.

Es kracht an den Rohstoffmärkten - und zwar gewaltig. Seit Tagen brechen die Preise ein. Die Aufregung ist groß, zumal viele Banken in diesem Bereich angesichts der boomenden Weltwirtschaft ein so großes "Aufwärtspotential" sahen, wie es im Fachjargon heißt. Und jetzt?

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Bei den Rohstoffen sind die Preise in den letzten Tagen massiv abgestürzt.

(Foto: dapd)

Das Wall Street Journal zitiert einen Experten, der von einer "Massenliquidierung" bei den Preisen spricht, weil Rohwaren durch die Bank eingebrochen sind: Der Preis für Silber hat binnen einer Woche rund ein Drittel seines Wertes verloren, der Ölpreis stürzte ab wie seit Jahren nicht mehr, Kupfer, Nickel, Zink, Kakao - alles fällt. Selbst Gold gibt nach. Und noch ist dieser Trend nicht gestoppt, auch an diesem Freitag verliert der Ölpreis deutlich.

Doch was sind die Gründe für den Absturz? Die Experten retten sich mit den üblichen Argumenten auf die sichere Seite. Die sind ja wohl nie ganz verkehrt: Die Sorge wachse, dass sich die Weltwirtschaft abkühle - weil die Zinsen stiegen und die in der Wirtschaftskrise initiierten Stützungsaktionen nach und nach zurückgefahren würden, heißt es dann etwa.

Kursverfall beim Euro

Konkret wird dann beispielsweise auf die ungünstigen Signale am US-Arbeitsmarkt verwiesen und die enttäuschenden Wachstumszahlen in der weltgrößten Volkswirtschaft. Aber auch die wachsende Inflation im rohstoffhungrigen China spielt eine Rolle. Wenn China als Reaktion auf die hohe Teuerungsrate im Land die Zinsen anzieht, um das Wirtschaftswachstum zu dämpfen, wird die Nachfrage nach Rohstoffen zurückgehen. Ähnlich stellt sich die Situation in Indien, Brasilien und Russland. In Indien etwa wurden gerade erst die Zinsen überraschend deutlich angehoben, und in Brasilien kühlt die Konjunktur gerade rasch ab.

Hinzu kommen die Folgen des Reaktorunglücks in Japan, die der nationalen Industrie in einer der weltgrößten Volkswirtschaften enorm zusetzen. Falls dann auch noch die Vereinigten Staaten in der nächsten Zeit ihre Bestnote bei der Kreditwürdigkeit verlieren würden, dürfte sich die Lage in der Weltwirtschaft noch weiter eintrüben. Die USA finanzieren ihren Haushalt zu weiten Teilen auf Pump. Wenn Kredite teurer werden, wird das Land zwangsläufig einen strafferen Sparkurs einleiten müssen.

Schließlich fehlt auch der Hinweis auf den Kursverfall beim Euro bei den Experten nicht. Die Marktauguren hatten damit gerechnet, dass die Europäische Zentralbank bei der Sitzung am vergangenen Donnerstag die Zinsen weiter anheben würde. Doch das geschah nicht, daher rutschte der Kurs des Euro binnen Stunden gleich um knapp vier Cent ab. Spiegelbildlich stieg der Dollar. Da Rohstoffe in Dollar bezahlt werden müssen, verteuert ein steigender Kurs der US-Währung die Produktion in Unternehmen. Auch das schwächt die Wirtschaft.

Die Argumente decken also das gesamte übliche Erkärungsinstrumentarium der Analystengemeinde ab. Allein, schlüssig erklären können sie vor allem das Ausmaß des Absturzes noch nicht - zumal grundsätzlich die Ökonomen davon ausgehen, dass die große Nachfrage nach Rohstoffen dank des vergleichsweise kräftigen Wachstums in vielen Regionen noch auf längere Sicht erhalten bleibt.

Darum muss in der aktuellen Situation auch noch der Spekulant herhalten. Hedgefonds beispielsweise würden nach dem steilen Aufschwung, den die Rohstoffpreise in den vergangenen Monaten gemacht haben, sicherheitshalber offene Positionen schließen und Gewinne mitnehmen, heißt es - ein solches Verhalten wirkt wie eine Kettenreaktion und kann schnell zu starken Kursschwankungen führen.

Deutlich wird also: Die Nervosität an den Märkten ist groß und es gibt viele Erklärungen, aber derzeit noch keine schlüssige Begründung, warum es zum Minicrash bei den Rohstoffpreisen kam.

Die Experten wissen es eben auch selbst nicht immer so genau, wie sich die Räder der Ökonomie drehen. Wie hatte es doch ein Analyst der Großbank UBS in diesen Tagen in einer Mail geschrieben, die er versehentlich an sämtliche Kontakte in seinem Adressbuch verschickte: In seiner Abteilung würden "bedeutungslose Informationen" darüber verfasst, was Währungen antreibt. Das gilt wohl auch für die Rohstoffe.

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