Postbank:Es war einmal das Postsparbuch

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Von der braven Behörde zum aggressiven Geschäft: Die Geschichte der Postbank zeigt, wie eine Institution das Vertrauen ihrer Kunden zerstört.

Caspar Dohmen

"Unbeschwert in die Ferne mit einem Postsparbuch" - so warb die Post in den fünfziger Jahren auf einem Plakat, zu sehen war ein junger Wanderer vor einem Bergpanorama. Es war jene Zeit, als die ersten Bundesbürger Ferien im Ausland machten. Viele hatten das Postsparbuch dabei, weil sie damit günstig Geld abheben konnten.

Seit 1995 hat die Postbank die Vollbanklizenz. Sie hatte den Anspruch, der Discounter unter den Banken zu sein - einfach und billig. Dann kam die Zeit der Sternchen-Produkte - und das Image bröckelte. (Foto: Foto: dpa)

Als später junge Deutsche mit einem Interrailticket der Bahn durch Europa reisten, hatten sie ebenfalls das Postsparbuch im Rucksack. Damals war der Service der Behörde teils besser als bei den privaten Banken. Am Postschalter konnte man auch samstags Geld abheben - das war wichtig, Geldautomaten gab es ja noch nicht.

Das Image bröckelt

Irgendwann verwandelte sich die Postbehörde in drei Unternehmen: die Telekom, die Post und die Postbank; ein richtiges Geldhaus wurde diese 1995, da erhielt sie die Vollbanklizenz. Seitdem darf sie Kredit- und Bausparverträge abschließen, Fonds verkaufen oder Wertpapiergeschäfte tätigen.

Bis heute hat die Postbank bei vielen Verbrauchern ein solides Image. Doch dieses bröckelt. Verbraucherschützer haben die Bank immer wieder kritisiert. "Sie hat sich von der braven Postbank zur aggressiven Privatkundenbank entwickelt", sagt Holger Handstein, Finanzexperte bei der Verbraucherberatung Nordrhein-Westfalen.

Wiederholt hat die Postbank schlechte Urteile bekommen. Erst kürzlich stufte die Stiftung Warentest deren Angebot unter 21 getesteten Banken auf dem drittletzten Platz ein, gerade noch mit "ausreichend". Laut diesem Test schnitt das Institut sogar am schlechtesten in der Rubrik "Anlageprobleme von Kunden" ab.

Vor allem Beamte

Der Trumpf bei ihrem Start als Aktiengesellschaft war für die Postbank ihre flächendeckende Präsenz; bis heute ist sie besser vertreten als etwa die Deutsche Bank oder die Commerzbank. Ein großes Manko war stets die Qualifikation der Mitarbeiter. Kein Wunder, schließlich agierten bei der Postbank vor allem Beamte, die gelernt hatten, Überweisungen abzuwickeln. Wie eine Altersvorsorgeberatung aussieht, mussten viele Mitarbeiter erst mit der Zeit lernen.

Nach der Privatisierung setzte die Post zunächst weiter auf wenige und einfache Produkte, beispielsweise das kostenlose Girokonto oder das Dax-Sparbuch (damit hatte der Kunde eine Basisverzinsung garantiert und konnte an der Wertentwicklung des deutschen Aktienindex teilhaben). Der damalige Postbank-Chef Wulf von Schimmelmann sprach davon, man wolle der Aldi unter den Banken sein, "einfach und billig".

Zeit der Sternchen

Mit der Übernahme der BHW-Gruppe änderte sich die Vertriebskultur. Es kamen mehr als 4000 neue Kollegen an Bord, teilweise arbeiteten sie auf Provisionsbasis und hatten damit ein Interesse, viel mehr zu verkaufen. Auch der Vorstand setzte auf eine andere Produktpolitik. Die Postbank-Chefetage wollte mehr verkaufen als nur Sparbücher.

Nun waren kompliziertere Produkte mit höheren Renditen angesagt: Aus der überschaubaren Welt von Postsparbuch und kostenlosem Girokonto wurde ein großes Angebot, teilweise gab es acht verschiedene Sparbuchvarianten. "Es war die Zeit der Produkte mit den Sternchen", wie man intern bis heute lakonisch bei der Postbank spottet. Jedes Sternchen steht für eine einschränkende Bedingung bei dem Produkt und ist damit auch ein Indiz für wenig Transparenz.

Auf der nächsten Seite: Viel Geld für Werbung und klangvolle Namen für intransparente Produkte - Verbraucherschützer sehen bis heute keine Lernkurve.

Viel Geld investierten die Postbanker in ihre Werbung. Sie sponserten nicht nur die Fußballnationalmannschaft, sie erfanden auch klangvolle Namen für ihre Produkte, die sie intensiv bewarben. "Postbank Altersvorsorgekonto" nannte die Bank eine Sparform, bei der Festgeld sukzessive in riskantere Zertifikate umgeschichtet wurde. "Damit rechnet doch niemand, wenn er Altersvorsorgekonto liest", kritisiert Verbraucherschützer Handstein.

Einem Rentnerehepaar verkaufte die Postbank riskante Schiffsfonds, dabei hatte es eine sichere Anlage verlangt, schon wegen der Krankheit des Mannes müsse man schnell Geld mobilisieren können, erzählten sie. Die Fonds seien sicher, versprach der Postbank-Berater und ergänzte, er habe auch investiert. Dieser Kniff dürfte im kleinen Einmaleins vieler Drücker aus Finanzvertrieben stehen. Man habe die Kunden ausreichend über die Risiken aufgeklärt, lässt sich die Bank zitieren und versprach den Fall zu prüfen. Bis heute muss das Ehepaar mit hohen Verlusten fertig werden.

Anlehnung an Bar-Methoden

Beim Verkauf von Finanzprodukten hielt sich die Postbank zuletzt nicht einmal an den Datenschutz: 4000 freie Vermittler hatten mit wenigen Handgriffen Zutritt zu 14 Millionen Postbank-Kunden in der Datenbank. Laut Stiftung Warentest hatten die Kunden aber nicht die notwendige Einwilligung gewährt. Trotzdem griffen freie Vermittler zu.

Für wenig seriös halten Verbraucherschützer auch die Idee einer Happy Hour bei der Postbank. In Anlehnung an preisgünstige Drinks in Bars zu bestimmten Uhrzeiten, erhielten Kunden der Bank eine Prämie beim Kauf von Finanzprodukten, wenn sie diese in einem bestimmten Zeitkorridor bei der Postbank orderten. Dies seien "fragwürdige Methoden, weil die Kunden unnötig unter Zeitdruck gesetzt würden", sagt Handstein.

Hauptaktionär eilt zur Hilfe

Auch das Verhalten der Postbank-Manager hat wohl nichts mehr mit der alten Behördenkultur zu tun. Wolfgang Klein und andere Kollegen kassierten im Jahr 2009 einen Sonderbonus als Halteprämie - dabei hatten die Vorstände in der Finanzkrise mehrere hundert Millionen Euro versenkt, unter anderem weil sie Lehman-Zertifikate gekauft hatten. Der Hauptaktionär Post musste zur Hilfe eilen und eine Kapitalspritze von einer Milliarde Euro bewilligen.

Postbank-Chef Stefan Jütte ficht dies wenig an. Man habe 4000 Leute im mobilen Vertrieb, die im Jahr zwei Millionen Beratungen durchführten. Dass dabei auch etwas schiefgehe, sei bedauerlich, lasse sich aber nicht vollständig vermeiden, sagt er. Allerdings spricht Jütte davon, wieder mehr einfachere Produkte anzubieten.

Verbraucherschützer Handstein kann noch keine "Lernkurve" bei der Postbank erkennen, hin zu einfacheren Produkten. Allerdings macht er deutlich, die Postbank sei kein Einzelfall mit ihren Verkaufspraktiken, viele Banken handelten genauso.

© SZ vom 11.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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