Portugiesische Großbank Espírito Santo:Unheilige Familienbande

Espírito Santo Portugal-Krise

Die Nationalbank will kein Mitglied des Clans mehr an der Spitze sehen. Zu groß ist die Furcht, dass Misswirtschaft das Land zurück in die Krise reißt.

(Foto: Patricia de melo Moreira/AFP)

Verblendung, Gier und Niedergang: Der Clan hinter der portugiesischen Großbank Espírito Santo hat das Geldhaus an den Rand des Ruins geführt. Jetzt wollen die Aufsichtsbehörden in dem Firmengeflecht endlich aufräumen.

Von Thomas Urban, Madrid

Der Name klingt nach Erleuchtung, Weisheit, Erlösung - doch was die Banco Espírito Santo, zu Deutsch: Heilig-Geist-Bank, derzeit bietet, ist ein Bild von Verblendung, Gier und Niedergang. Ohnehin hat der klangvolle Name des portugiesischen Kreditinstituts nichts mit Dreifaltigkeit und Katholizismus zu tun. Die Banco Espírito Santo (BES) trägt den Namen ihrer Gründerfamilie. Und die beherrscht bis heute die Geschicke der mit einer Bilanzsumme von 80 Milliarden Euro zweitgrößten Bank Portugals.

Die Verwicklungen um den Clan hatten am Donnerstag für ein Börsen-Beben gesorgt, das in ganz Europa zu spüren war und damit Ängste vor einem erneuten Aufflammen der Banken- und Staatsschuldenkrise geweckt hatte. Die Rede ist von Bilanztricks und Zahlungsschwierigkeiten bei der gleichnamigen in Luxemburg registrierten Holding, in deren Sog das fast 150 Jahre alte Familienimperium untergehen könnte - und dabei die Finanzen des ganzen Landes mitzureißen droht, fürchten Investoren.

Heiliger Name - weltliche Geschäfte

Im Jahr 1869 erhielt José María do Espírito Santo Silva trotz seines heiligen Namens die Lizenz für recht weltliche Geschäfte: die Veranstaltung von Lotterien und die Gründung einer Sparkasse in Lissabon. Daraus wuchs im Lauf der Zeit ein Unternehmensgeflecht, das nicht nur im Geldgeschäft, sondern auch in der Versicherungs- und Touristikbranche aktiv ist. Die Konzernmutter Espírito Santo International (ESI) bündelt den Familienbesitz, ihr Flaggschiff ist die BES. Der Clan arrangierte sich dabei mit fast jeder Regierung, auch der von 1933 bis 1970 währenden Diktatur des António de Oliveira Salazar. Dem aus streng katholischem Hause stammenden Despoten gefiel, so wurde gespottet, der klingende Name.

Einzig nach der Nelkenrevolution von 1974 verlor der Espírito-Santo-Clan zeitweise die Kontrolle. Die Bank wurde von den sozialistischen Reformern in der jungen Demokratie verstaatlicht und führende Familienmitglieder verließen das Land - allerdings nicht für lange. Schon nach anderthalb Jahrzehnten wurden sie im Rahmen eines großen Privatisierungsprogramms wieder voll in ihre alten Rechte eingesetzt.

Der Konzern wuchs weiter und gründete Filialen und Tochterfirmen, vor allem in Brasilien und Spanien sowie dem erdölreichen, ebenfalls portugiesischsprachigen Angola. Heute betreibt Espírito Santo unter anderem auch Privatkliniken und ist in Portugal fast allgegenwärtig. Für die BES wirbt sogar Fußball-Idol Cristiano Ronaldo mit seinem Gesicht.

Buchführungstricks führen zu Turbulenzen

Die Bank schien zunächst sogar weitgehend unbeschadet durch die große Finanzkrise gekommen zu sein, die Portugal vor drei Jahren an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hatte. Allerdings berichtete das Wall Street Journal bereits im vergangenen Dezember, dass die Muttergesellschaft ESI ihre Bilanzen gesäubert habe, indem sie Schulden und offenbar faule Kredite von insgesamt sechs Milliarden Euro an Tochterfirmen übertrug. Dieser Buchführungstrick erhöhte nach Ansicht des Blattes die Risiken für die Investoren aber deutlich. Im Mai erschien dann ein Bericht, wonach ESI in Turbulenzen geraten sei und die Buchprüfung "große Unregelmäßigkeiten" aufweise.

Hinzu kommt ein zum Teil offen ausgetragener Machtkampf innerhalb der inzwischen in fünf Zweige zerfallenen Sippe. Sie hält noch immer ein Viertel der Anteile an der Dachgesellschaft ESI. Dort startete der Chef eines der Espírito-Santo-Häuser, José Maria Ricciardi, im vergangenen Herbst einen Angriff auf den seit mehr als zwei Jahrzehnten amtierenden Konzernchef Ricardo Salgado, einen Vetter. Ricciardi ließ durchstechen, dass drei der fünf Familienvertreter für die Ablösung Salgados seien - und sich selbst als künftigen starken Mann im Konzern feiern.

Doch der als schweigsam bekannte Salgado konterte geschickt. Der mitteilungsfreudige Ricciardo musste erfahren, dass sein Vetter auf einmal vier der fünf Familien hinter sich geschart hatte. Kleinlaut erklärte er daraufhin, man habe Frieden geschlossen. Salgado ließ nur in wenigen Worten mitteilen, dass es nie einen Streit gegeben habe, vielmehr zögen alle Familienzweige an einem Strang.

Doch das reicht offenbar nicht mehr. Zuletzt musste Salgado bekannt geben, dass er doch in Kürze als Vorstandschef der BES abtreten wird, seinen Posten im ESI-Aufsichtsrat hatte er bereits im Mai geräumt. Das bedeutet aber keinen Sieg für seinen Widersacher Ricciardi. Dieser teilte viel mehr überraschend mit, er habe seine BES-Anteile verkauft und werde bei ESI ebenfalls ausscheiden.

Zudem wurde in Lissabon bekannt gegeben, dass der neue Mann von außen kommen wird - auf Druck der portugiesischen Nationalbank als Aufsichtsbehörde. Chef-Notenbanker Carlos Costa sagte dazu in seltener Freimütigkeit: "Wir wollen hier keinen Salgado und keinen Ricciardi sehen." Über die neuen Chefs soll bis Ende des Monats entschieden werden. Die Familie gibt sich indes trotzig: "Ich habe schon acht Präsidenten der Nationalbank kommen und gehen sehen. Ich werde auch den neunten überleben", sagte Salgado.

Aufräumen im Innenleben des Espírito-Santo-Clans

Doch dieses Mal könnte er sich geirrt haben. Denn die Aufseher wollen offenbar endlich aufräumen im Innenleben des Espírito-Santo-Clans und damit in der BES. Sie bemängeln vor allem die mangelnde Transparenz bei den Besitzverhältnissen und den Kontrollorganen innerhalb des Firmengeflechts. So war es üblich, dass Familienmitglieder beispielsweise zugleich Aufsichtsratsvorsitzende in Firmen waren, deren Töchter sie als Vorstandsvorsitzende leiteten. Salgado selbst war etwa gleichzeitig Chef der BES und Mitglied im ESI-Aufsichtsrat, sah darin aber keinen Interessenkonflikt. Hinzu kam, dass sich Vettern und Cousinen gegenseitig offenbar nur lax kontrollierten - sofern sie nicht gerade damit beschäftigt waren, Koalitionen gegeneinander zu schmieden. Dabei herrschte nach Meinung der Finanzpresse aber stets Einmütigkeit beim Verschleiern der Bilanzen, etwa indem Schuldtitel zwischen Portugal, Brasilien, Angola, Luxemburg, den Cayman-Inseln und anderen Finanzplätzen verschoben wurden.

Schon vor dem Eingriff der Nationalbank hatten deshalb schlechte Nachrichten das Image des Konzerns - einmal eine sichere Bastion in der iberischen Finanzwelt - kräftig angekratzt. Es gab Strafen wegen der Begünstigung von Geldwäsche und der Fehlberatung von Kleinanlegern. Zudem wurden Warnungen vor dem drohenden Kollaps des Wirtschaftssystems infolge der enormen Verschuldung öffentlicher und privater Haushalte ignoriert.

Skepsis von Anlegern und Wirtschaftspresse

Entsprechend wenig erstaunt waren Beobachter über die Einmischung der Nationalbank. Zudem wird offenbar seit längerem hinter den Kulissen beraten, wie die konservative Regierung verhindern kann, dass die Probleme das bisher erfolgreiche Sanierungs- und Stabilisierungsprogramm des Staates gefährden. So erklärte Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, Holding und Bank seien "zwei ganz verschiedene Dinge". Die Einlagen der BES seien sicher, dafür garantiere die Regierung. Aber nicht für das Clan-Vermögen, so der unausgesprochene Unterton. Die Anleger sehen das skeptisch, genauso wie die Wirtschaftspresse. Denn ESI hält über eine Tochterfirma 49 Prozent an der Espírito Santo Financial Group (ESFG), die wiederum 27 Prozent der BES-Anteile besitzt. Und so brachen alle Firmen aus der Gruppe mit dem heiligen Namen am Donnerstag ein, nachdem die Nachricht die Runde gemacht hatte, dass eine ESI-Tochter kurzfristige Verbindlichkeiten nicht ganz abgelöst habe. Bereits zuvor hatten Gerüchte über milliardenschwere Fehlspekulationen in Angola für Unruhe gesorgt. So rutschten ESI-Anteile um ein Fünftel ab, ESFG um fast 40 Prozent - bis die Börse in Lissabon die Aktien und Anleihen der Gruppe aus dem Handel nahm. Salgado wollte zu den Gerüchten nichts sagen.

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