Politiker greifen Banken an:Berlin droht mit einem Kreditzwang

Zorn auf die Banken wächst: Sowohl Bundespräsident Köhler als auch Finanzminister Steinbrück drängen die Banken zu offensiverer Kreditvergabe.

Martin Hesse

Die Bundesregierung wirft den Banken vor, sie verschärften mit knausriger Kreditvergabe die Wirtschaftskrise. Mehrere Minister drohten den Finanzinstituten Zwangsmaßnahmen an, sollten sie nicht großzügiger Geld ausleihen. Bankenvertreter wehren sich gegen den Vorwurf. Das Kreditvolumen wachse noch immer.

Steinbrück, dpa

Peer Steinbrück: "Die Banken stecken das Geld derzeit viel lieber in den Handel mit Devisen, Rentenpapieren und Aktien, statt es als Kredite weiterzugeben"

(Foto: Foto: dpa)

Politiker halten den Banken vor allem vor, sie erhielten günstig Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB), gäben es aber nicht oder zu teuer an Firmen und Verbraucher weiter. "Die Banken stecken das Geld derzeit viel lieber in den Handel mit Devisen, Rentenpapieren und Aktien, statt es als Kredite weiterzugeben", sagte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) der Bild am Sonntag. Auch Bundespräsident Horst Köhler schaltete sich ein: "Ich bitte die Banken, sich zu prüfen, ob sie nicht etwas entschlossener sein können, beim wirtschaftlichen Aufschwung zu helfen", sagte er.

Gerd Billen, Chef der Verbraucherzentralen, forderte, die Bundesregierung müsse Druck machen. "Wenn sich herausstellt, dass diese Forderung an den Banken abprallt, müssen sie dazu gezwungen werden, die Zinssenkungen an die Kunden weiterzureichen." Offenbar denkt die Regierung über Zwangsmaßnahmen nach. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte, die Regierung suche Ansätze, Banken zur Erfüllung ihres Kreditauftrages zu verpflichten.

Bundesbank steht parat

Steinbrück ergänzte: "Wenn es im zweiten Halbjahr zu einer echten Kreditklemme kommen sollte, wird sich die Bundesregierung mit der Bundesbank zusammensetzen müssen." Über Zwangskredite wolle er aber nicht spekulieren. In der Praxis könnten Bund und Länder über die Förderbank KfW oder über regionale Förderinstitute sowie die Landesbanken verstärkt direkt Firmenkredite vergeben. Förderbanken leiten Darlehen normalerweise über Geschäftsbanken in die Wirtschaft, diese übernehmen einen Teil des Risikos. An diesem Hebel könnte die Politik ansetzen. Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte zudem angedeutet, auch die Notenbank könnte direkt Kredite an Firmen ausreichen. Die US-Notenbank Fed tut dies bereits.

Die EZB hatte den Leitzins in mehreren Schritten bis auf das Rekordtief von 1,0 Prozent gesenkt. Vor zehn Tagen hatte sie außerdem 442 Milliarden Euro für ein Jahr zum Zins von einem Prozent an 1100 Banken verteilt. Bankenvertreter argumentieren jedoch, dieses Geld diene dazu, sicherzustellen, dass Kreditinstitute liquide blieben. "Langfristige Firmenkredite können damit nicht refinanziert werden", sagte der Sprecher einer Bank.

Der Chef der Hypo-Vereinsbank, Theodor Weimer, sagte dagegen vor wenigen Tagen beim Expertenforum Mittelstand der SZ, sein Haus habe aus dem Angebot der EZB 1,5 Milliarden Euro in Anspruch genommen. "Das werden wir den Kunden auch zur Verfügung stellen." Banken wehren sich gegen den Vorwurf, sie schränkten die Kreditvergabe ein.

Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte, das Institut stelle derzeit ungenutzte Kreditlinien für den Mittelstand über elf Milliarden Euro. Der Präsident des Sparkassenverbandes, Heinrich Haasis, sagte der SZ: "Die Sparkassen stemmen sich mit aller Kraft gegen eine Kreditklemme. Sie haben bis jetzt 2009 rund sieben Prozent mehr Kredite als 2008 vergeben."

Noch immer sind die Signale, ob es eine Kreditklemme gibt, gemischt. Die Bundesbank hatte in ihrem jüngsten Monatsbericht erklärt, dass sich zwar die Kreditkonditionen "zuletzt in der Breite verschärft haben". Sie glaubt aber nicht, dass es zu einer allgemeinen Kreditklemme kommt. In einer neuen Umfrage des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie gaben jedoch 57 Prozent von 1600 befragten Mitgliedern an, sie spürten derzeit eine Kreditklemme.

Zu einer besseren Kreditversorgung soll auch das Bad-Bank-Gesetz beitragen, das der Bundestag am Freitag verabschiedet hat. Es sieht Auffanginstitute vor, in die Banken faule Wertpapiere auslagern können. So soll Kapital für neue Kredite frei werden. Laut Grünen-Fraktionschef Gerhard Schick ist aber deutlich, "dass es weitere Maßnahmen zur Bankenrettung geben muss, weil das Bad-Bank-Gesetz nicht so funktionieren wird wie von der Bundesregierung erhofft".

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