Pleite und Auflösung von Firmen:Betriebsrente ade

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Die Betriebsrente ist nicht so sicher, wie viele Arbeitnehmer denken. (Foto: dpa)

Eine betriebliche Altersvorsorge ist eine sichere Sache, denken viele Arbeitnehmer - während die Betriebe schon einkalkulieren, das Geld nur 80 Prozent der früheren Beschäftigten auszuzahlen. Was bei Pleite und Auflösung der Firmen passiert und wann Beitragszahler schnell handeln müssen.

Von Thomas Öchsner

Der Fernsehtechniker hatte schnell Karriere gemacht: Mitte 40 lenkte Hans Müller (Name von der Redaktion geändert) als Geschäftsführer eine Unterhaltungselektronik-Kette mit 50 Filialen - und war seinem Arbeitgeber viel Geld wert. Als er 1988 nach 17 Jahren das Unternehmen verließ, hatte es sich verpflichtet, eine Betriebsrente von umgerechnet 900 Euro an ihn zu zahlen. Eine sichere Sache, dachte Müller damals, schließlich war diese Versorgungszusage "unverfallbar". Heute, 25 Jahre später, weiß er: Ein Recht auf eine Betriebsrente zu haben, bedeutet noch lange nicht, sie auch zu bekommen.

Was dem 66-Jährigen passiert ist, kann andere Arbeitnehmer auch treffen, wenn sie ihren früheren Arbeitgeber aus den Augen verlieren: Das Unternehmen, das Müller angestellt hatte, wurde verkauft und umbenannt, bis es schließlich aus dem Handelsregister gelöscht wurde. Ein alltäglicher Vorgang im Wirtschaftsleben: 2012 zählte das Statistische Bundesamt gut 300.000 solcher Liquidationen.

Wäre die Firma pleitegegangen, hätte Müller seine 900 Euro sicher: Bei Insolvenzen steht der Pensionssicherungsverein für solche Betriebsrenten gerade. Bei Auflösung einer GmbH muss aber ein sogenannter Liquidator im elektronischen Bundesanzeiger, dem Zentralorgan für Bekanntmachungen, über deren geplantes Ende informieren. Jeder Gläubiger, also auch ein potenzieller Betriebsrentner, soll dann seine Ansprüche anmelden, bis das Amtsgericht das Unternehmen für erloschen erklärt. Zugleich hat der Liquidator die Pflicht, nach Durchsicht der Personalpapiere Ansprüche von Betriebsrentnern zu befriedigen. Soweit die Theorie.

Zu spät reagiert

Die Praxis sehe jedoch oft anders aus, sagt Ulrich Birk, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Bamberg. "Welcher normale Mensch liest schon den elektronischen Bundesanzeiger und meldet seine Forderungen an", fragt sich der Jurist. Bei Müller kam beides zusammen: Er reagierte zu spät, und der Liquidator und letzte Geschäftsführer der Firma hatte es - wie einige andere schwarze Schafe in der Branche - wohl von Anfang an auf die Pensionszusagen abgesehen.

Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, kennt das Problem. Er sagt: "Wer seine Betriebsrente im Alter geltend machen will, hat eine Holschuld." Ein früherer Arbeitgeber könne ja gar nicht wissen, wann der Ex-Angestellte die Betriebsrente beziehen wolle. Arbeitnehmer mit solchen Anwartschaften seien deshalb gut beraten, "die Entwicklung ihres alten Arbeitgebers zu verfolgen und Namenswechsel oder Umzüge diesem besser mitzuteilen." Dass dies viele nicht schaffen, wird laut Birk einkalkuliert: "Die Unternehmen gehen davon aus, dass nur 80 Prozent der früheren Arbeitnehmer später vorstellig werden."

Müllers letzte Chance: Er könne beim Gericht eine Nachtragsliquidation beantragen und so die erloschene GmbH zu neuem Leben erwecken, sagt der Professor. Kommt dabei heraus, dass die Firma zahlungsunfähig ist, springe die Pensionssicherung ein, und Müller bekäme seine 900 Euro. Birk fordert daher neue gesetzliche Regeln: "Es ist nicht hinnehmbar, dass Arbeitnehmer Geld, Zeit und Nerven investieren müssen, um an ihre Betriebsrente zu kommen."

© SZ vom 19.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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