Platzmangel:Verhau im Treppenhaus

Kinderwagen in Münchner Wohnhaus, 2018

Für Kinderwagen gilt: Wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt und Wege nicht blockiert werden, dürfen sie im Flur abgestellt werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wird die Wohnung zu eng, werden viele Mieter kreativ. Sie breiten ihre Sachen vor der Tür aus, in Kellern und Höfen. Das kann sogar mit einer Kündigung enden.

Von Berrit Gräber

Die stark gestiegenen Mieten in deutschen Städten haben viele Folgen. Eine davon: In vielen Wohnungen wird es ziemlich eng. Umziehen ist für viele keine Alternative, denn neue, große Wohnungen sind oft zu teuer. Leben in der Stadt erfordert aktives Platzmanagement. Manchmal bedeutet das: Die eigenen Sachen einfach ins Treppenhaus oder den Keller stellen. Dann kann es allerdings Ärger mit Nachbarn oder dem Vermieter geben.

Manche Bewohner bauen einen Schuhschrank im Treppenhaus auf, errichten Sammelstellen für Plastikflaschen und Kartons, stellen Regale mit Blumentöpfen vor die Tür oder lagern ihre Taucherflossen und anderen Krimskrams - Hauptsache, in der Wohnung ist wieder etwas mehr Platz. Der 35-jährige Markus Peters (Name geändert) aus Seligenstadt in Hessen verlagerte gar sein komplettes Fitnessstudio in den Waschkeller des Achtparteienhauses: Rudergerät, Laufband plus Hantelbank. Damit schaffte der junge Vater über Nacht Platz für ein Kinderzimmer.

Doch das Ausbreiten im Haus hat seine Grenzen. Grundsätzlich gilt: Wer eine Wohnung mietet, darf darin weitgehend unterbringen, was er will. Das gilt auch für ein mitgemietetes Kellerabteil. "Alles, was ich aber eigenmächtig rausstelle, also zum Beispiel ins Treppenhaus, in den Waschkeller, Innenhof oder Trockenraum, ist erst mal unzulässig", berichtet Julia Wagner, Rechtsexpertin der Eigentümergemeinschaft Haus & Grund in Berlin. Gemeinschaftsflächen in einem Wohnhaus sind schließlich für alle da. Daraus lässt sich nicht der Anspruch ableiten, einen Teil davon stillschweigend für den persönlichen Gebrauch zu besetzen.

Ein Fitnessraum im Waschkeller? Das war den Nachbarn dann doch zu viel

Beim "Verschönern" des Treppenhauses mit Blumenkübeln, Bildern, Madonnen-Figuren und allem, was nicht mehr ins eigene Wohnzimmer passt, gibt es Grenzen. Ein einzelner Mieter oder Eigentümer hat kein Recht, Flur, Keller oder Treppenhaus der Wohnanlage nach seinem Geschmack zu gestalten - oder gar dauerhaft Einrichtungsgegenstände, Pflanzen, Kräuter-Hochbeete und Möbel vor seine Wohnungstür zu platzieren. "Grundsätzlich gibt der Vermieter vor, ob und inwieweit Mieter Gemeinschaftsräume nutzen können", betont Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbundes in Berlin.

In Wohnanlagen mit Eigentümern (WEG) bestimmt die Gemeinschaft, was in Treppenhaus, Flur und Keller zulässig ist. Verbote und Zugeständnisse sind normalerweise bereits klar in der Hausordnung oder Gemeinschaftsordnung geregelt, zumal Gemeinschaftsflächen in der Regel zweckgebunden sind. Vermieter und WEG müssen dafür sorgen, dass die Nutzer der Gemeinschaftsflächen keinen Gefahren ausgesetzt sind. Und selbst dem nettesten Nachbarn kann es zu viel werden, wenn er Tag für Tag einen Hindernisparcours durch Blumentöpfe, Schränke, Regale, Fahrräder, Postsendungen und Schuhfelder absolvieren muss. Nicht zuletzt aus Brandschutz- und Sicherheitsgründen müssen die Flucht- und Rettungswege frei bleiben. Wer also zum Beispiel vorhat, seine leeren Plastikflaschen künftig vor der Wohnungstür zu sammeln, weil in der Küche kein Platz mehr ist, wird kaum das offizielle Okay dafür kriegen. "Ein Vermieter wird sich eine Einzelzustimmung gut überlegen, zumal sie zum Dammbruch für alle im Haus werden kann", gibt Expertin Wagner zu bedenken.

Wenig ratsam ist, eigenmächtig Tatsachen zu schaffen und darauf zu setzen, dass der Vermieter die Aktion schon nicht merkt. Gründlich daneben ging das zumindest im Fall der Familie Peters aus Seligenstadt. Er habe das Recht, Gemeinschaftsflächen zu nutzen, argumentierte der Mieter. Doch die Mitbewohner sahen das anders. Die einen hatten Angst, über die Hanteln zu stürzen, andere sorgten sich um die Sicherheit ihrer Kinder. Und keiner fand es akzeptabel, den Fitnessfan beim Wäscheaufhängen schwitzen zu sehen. Das Ende der Geschichte: Nach viel Streit mit der Vermieterin suchte sich die Familie schließlich eine größere Wohnung.

Fußmatten sind erlaubt. Und Schuhe dürfen darauf auch abgestellt werden

Ein ähnlicher Fall landete vor Kurzem in Köln sogar vor Gericht - und endete mit der Kündigung des Mietverhältnisses. Die Mieterin war davon ausgegangen, dass es zulässig ist, sich im Treppenhaus breit zu machen. Sie hatte dort über Jahre hinweg vielerlei Zeug abgestellt, 5-Liter-Glasgefäße, Kartons und einiges mehr. Die mehrfache Aufforderung ihrer Vermieterin, die Sachen wegzuräumen, hatte sie ignoriert. Das Landgericht Köln gab der Vermieterin Recht (Az. 10 S 99/16). Die Mieterin habe mit ihrem Verhalten den Hausfrieden gestört und ihre vertraglichen Pflichten verletzt, so das Urteil. Der Hausflur sei nicht Gegenstand des Mietvertrags. Das Treppenhaus sei ein Fluchtweg im Brandfall, sodass der Vermieter verhindern müsse, dass dort Dinge abgestellt werden. Aber auch das hat ein Gericht in Köln entschieden: Duldet der Vermieter über viele Jahre eine unerlaubte Nutzung, indem er zum Beispiel vom Mieter im Treppenhaus aufgestellte Möbel nicht beanstandet, gilt diese Nutzung als genehmigt, befand das Amtsgericht Köln (Az. 222 C 426/00).

Auch die unvermeidliche Fußmatte vor der Wohnungstür im Flur zum Beispiel ist sehr wohl erlaubt - und wurde bereits mehrmals von Gerichten abgesegnet. Bewohner dürfen auch ihre Schuhe darauf abstellen, ob das den Nachbarn im Haus passt oder nicht. Selbst ein kleines Schuhregal mit einer Tiefe von 30 Zentimetern neben der Tür kann erlaubt sein - solange es niemanden beim Vorbeigehen behindert und der Fluchtweg nicht versperrt wird (Amtsgericht Herne, Az. 20 C 67/13). Mieter dürfen sich auch zum Beispiel Oster- und Adventskränze an die Tür hängen sowie ganzjährige Deko-Schilder mit "Herzlich Willkommen" drauf, wie das Landgericht Hamburg entschied (Az. 333 S 11/15).

Besondere Regeln gelten für das Abstellen von Rollatoren und Rollstühlen im Hausflur. Sie dürfen in der Regel dort bleiben. Mitbewohner und Vermieter müssen es dulden, dass Gehhilfen im Hausflur abgestellt werden, wenn kein anderer Abstellort zumutbar ist. Allerdings muss genug Platz vorhanden sein, so das Landgericht Hannover (Az. 20 S 39/05). Eine ähnliche Rechtsprechung gilt für das Abstellen von Kinderwagen. Ein "Parkverbot" ist nur bei einem extrem ungünstigen Zuschnitt des Flurs möglich oder wenn der Mieter den Kinderwagen problemlos mit in die Wohnung nehmen könnte respektive ein Fahrstuhl im Haus ist. Für Fahrräder gelten diese Sonderregelungen nicht. Nach Angaben des Mieterbunds ist es in der Regel verboten, ein Rad im Hausflur oder Kellereingang zu parken. Es sollte stattdessen in den Fahrradkeller, in den eigenen Keller oder in der Wohnung abgestellt werden. Sind andere Optionen nicht zumutbar, sollten Räder auch im Hof des Hauses geparkt werden können. "Hier sind Einzelfallentscheidungen notwendig", betont Wagner.

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