Pharmaindustrie:Einfach mal melken

Lesezeit: 2 min

Wenn bei den gesetzlichen Krankenkassen die Arzneimittelpreise gedrückt werden, melkt die Pharmaindustrie die privaten Versicherer. Doch das soll sich nun ändern.

Guido Bohsem

In der schwarz-gelben Koalition wird erwogen, noch schärfer gegen die Preispolitik der Pharmaindustrie vorzugehen. Der Arzneimittel-Experte der Unionsfraktion, Michael Hennrich (CDU), sprach sich am Montag dafür aus, auch die privaten Krankenversicherer (PKV) in den Genuss der Einsparungen kommen zu lassen.

Sollte sich die Bundesregierung mit ihren Kostensenkungsplänen durchsetzen, dürfte ein Aufschrei durch die Pharmaindustrie gehen. (Foto: Foto: ddp)

"Es war schon immer ein Ärgernis, dass Kosteneinsparungen primär für die gesetzliche Krankenversicherung vereinbart werden und nicht für die private Konkurrenz", sagte der CDU-Politiker. Dabei seien die Ausgaben der PKV für Medikamente in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die der gesetzlichen Krankenversicherung.

Das Arzneimittel-Sparpaket für die GKV werde diesen Trend noch verschärfen, sagte Hennrich. "Es droht eine Ausweichreaktion."

Die Pharmaindustrie werde versuchen, ihre Einbußen durch Preissteigerungen bei der PKV wieder auszugleichen. Das Gesundheitsministerium kündigte an, die Preisentwicklung zu beobachten. "Wir behalten das im Auge", sagte eine Sprecherin.

Sollte die Koalition sich tatsächlich zu einem solchen Schritt entschließen, dürfte es einen Aufschrei der Pharmaindustrie geben. Denn die Private Krankenversicherung war für die Unternehmen bislang immer eine sichere Einnahmequelle, weil Privatpatienten zum Beispiel wesentlich häufiger Originalpräparate verschrieben bekommen als "Generika", identische Nachahmerprodukte. Zudem erhalten sie deutlich öfter sogenannte innovative Medikamente, also Neuentwicklungen, deren zusätzlicher Nutzen allerdings häufig umstritten ist.

Hohe Kostendynamik

Knapp neun Millionen Menschen sind in Deutschland privat versichert, knapp die Hälfte davon Beamte und deren Angehörige. Viele von ihnen sind in den vergangenen Jahren mit einem zum Teil deutlichen Anstieg ihrer Prämien konfrontiert worden.

Dies lag vor allem an höheren Kosten, auch bei Medikamenten. PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach sagte: "Die Ausgaben für Arznei- und Verbandmittel sind in der GKV von 1997 bis 2007 um 68 Prozent gestiegen, in der PKV um 85 Prozent."

Alleine von 2007 auf 2008 habe der Anstieg bei 8,56 Prozent gelegen. "Wir fürchten, dass sich die Kostendynamik in der PKV künftig noch verschärfen wird, falls die Politik nicht auch die private Krankenversicherung einbezieht und sie somit in die Rolle des Zahlmeisters zwingt." Zunächst gehe es um einen Preisstopp und Arzneimittel-Rabatte. Längerfristig seien größere Verhandlungsspielräume notwendig.

Unterstützung erhielt die PKV vom Bundesvorsitzenden des Beamtenbundes, Peter Heesen. "Grundsätzlich sind alle Bestrebungen der privaten Krankenversicherer, die Kosten für ihre Versicherten zu senken, begrüßenswert", sagte er.

Allerdings hindere niemand die PKV daran, auch jetzt schon mit den Arzneimittelherstellern über Preisnachlässe zu verhandeln. "Sollte sich herausstellen, dass auf diesem Weg nichts zu erreichen ist, kann man immer noch nach dem Gesetzgeber rufen", sagte Heesen.

© SZ vom 27.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: