Pflegeversicherung:Schwarz-gelbe Kehrtwende

Ein zentrales Reformvorhaben kommt zu den Akten: Die Koalition will bei der Pflege nun doch keine verpflichtende Zusatzversicherung einführen.

Guido Bohsem

Das schwarz-gelbe Regierungsbündnis steht vor einer grundsätzlichen Neuausrichtung seiner Pflegepolitik. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung haben die zuständigen Fachpolitiker ein zentrales Reformvorhaben des Koalitionsvertrages ad acta gelegt. Eine verpflichtende private Zusatzversicherung wird es demnach nicht geben. An dem Aufbau einer Finanzreserve der Pflegeversicherung halten die Experten aber weiterhin fest. Die Verantwortlichen in CDU und FDP haben vereinbart, den Positionswechsel erst nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg Ende März auch offiziell einzuläuten. Anderen Äußerungen und Berichten soll bis dahin widersprochen werden.

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Kehrtwende bei der Pflegeversicherung: Eine verpflichtende private Zusatzversicherung wird es nicht geben.

(Foto: dapd)

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat die Reform der Pflegeversicherung zum zentralen Vorhaben für das laufende Jahr erklärt. Die Koalition will beides, den Leistungskatalog der Pflegeversicherung verändern und gleichzeitig die Finanzierung sichern. So sollen die Art und Weise, wie gepflegt wird, nach anderen Kriterien bezahlt werden. Erwogen wird auch, eine bessere Versorgung für die zunehmende Zahl der dementen Patienten anzubieten. Die private Zusatzversicherung sollte nach ursprünglichen Plänen dazu dienen, diese Leistungen zu finanzieren und einen Kapitalstock aufzubauen. Dieses Finanzpolster soll dann die Beiträge auch dann stabil halten, wenn es durch die alternde Gesellschaft deutlich mehr Pflegefälle gibt als derzeit.

Die CSU hatte sich bereits frühzeitig gegen eine private Zusatzversicherung ausgesprochen. So rief die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer schon mehrfach dazu auf, das im Koalitionsvertrag verankerte Vorhaben fallen zu lassen. Dem hat sich am Freitag auch der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Johannes Singhammer (CSU), angeschlossen. Singhammer sagte der Berliner Zeitung, Ziel sei zwar weiterhin, angesichts der alternden Gesellschaft eine Kapitalreserve in der Pflege aufzubauen. Er machte zugleich aber deutlich, dass es nicht mehr um eine individuelle Vorsorge gehe, sondern um den Aufbau einer durch alle Versicherten gemeinsam gefüllten Reserve. Die Rücklage müsse so gestaltet werden, dass sie ein "kollektives Eintreten vieler beim Bedarfsfall des Einzelnen" gewährleiste. Das werde von allen Koalitionspartnern so gesehen, fügte er hinzu.

In Kreisen der Koalition hieß es, Singhammers Aussagen seien inhaltlich zwar richtig. Im Augenblick und vor den anstehenden Landtagswahlen sei aber nicht der richtige Zeitpunkt, um eine solche Debatte zu eröffnen. "Das ist ein Alleingang von Singhammer zur Unzeit." An anderer Stelle hieß es, auch der aus Baden-Württemberg stammende Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) habe äußerst verärgert auf die Aussagen seines Stellvertreters reagiert.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn (CDU), bemühte sich, die Diskussion einzudämmen. Zunächst müsse über die inhaltlichen Reformen der Pflegeversicherung gesprochen werden. "Erst wenn wir den Finanzbedarf kennen, können wir fundiert über die Ausgestaltung der Kapitaldeckung reden", sagte er. Es sei sinnvoll, sich auch an diese Reihenfolge zu halten.

Die Finanzen klären

Auch das Bundesgesundheitsministerium verwies auf den geplanten Ablauf der Gespräche. Es habe zur Frage der Finanzierung "noch keine politischen Beratungen gegeben", sagte ein Sprecher Röslers. Zunächst werde gemeinsam mit Experten und Betroffenen über Verbesserungen in der Pflege diskutiert. Erst auf dieser Grundlage könnten die finanziellen Aspekte erörtert werden.

Der DGB erklärte, es sei zu begrüßen, wenn die Koalition die Pläne tatsächlich begraben würde. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) sprach von einem positiven Signal.

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