Süddeutsche Zeitung

Pflegeimmobilien:Residenzen mit Rendite

Die Nachfrage nach Pflegeheimen steigt, das Angebot aber nicht. Das liegt auch an der Reglementierung in Deutschland, sagen Investoren.

Von Lars Klaaßen

In seinem Lied "Haus am See" besingt Peter Fox, wie er sich sein Leben im Alter vorstellt, mit vielen Kindern und Enkeln um ihn herum: "Wenn ich so daran denke, kann ich's eigentlich kaum erwarten." Das Haus am See hat auf der Wunschliste angehender Senioren mittlerweile Konkurrenz bekommen. Sie wollen nicht in die Natur, sondern lieber in einer Stadt leben. "Immer mehr Menschen über 70 sind noch fit und aktiv, wollen etwas erleben", sagt Felix von Braun. "Sie wissen kurze Wege in der Stadt zu schätzen, wo das Angebot vielfältig ist - und zugleich Grünanlagen nicht weit sind."

Der Vorstandsvorsitzende der DPF hat auf die steigende Nachfrage reagiert. Das Unternehmen investiert unter anderem in Immobilien der ambulanten und stationären Pflege. So betreibt die Aktiengesellschaft unter der Marke "Tertianum" drei Premium Residenzen mitten in Berlin, München und Konstanz. In Berlin etwa liegen die Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen rund um ein glasüberdachtes Atrium. Restaurant und Bar befinden sich im Haus, jeden Tag stehen drei Menüs mit je drei Gängen zur Auswahl. Hinzu kommen unter anderem ein Clubbereich mit Bibliothek sowie ein Fitnessraum samt Schwimmbecken. In den barrierefreien Wohnungen steht je nach Bedarf ambulante Pflege zur Verfügung. Auch eine Pflegestation gibt es. Wer hier einziehen will, sollte sich rechtzeitig anmelden. "Insbesondere bei konkreten Wünschen kann die Wartezeit mehrere Jahre betragen", sagt Braun.

Selbst im Luxussegment, wo solvente Kunden eine ordentliche Rendite garantieren, ist die Nachfrage größer als das Angebot. Das verdeutlicht, wie dynamisch sich der Markt für Pflegeimmobilien in Deutschland entwickelt. Treibende Kraft ist die demografische Entwicklung. "Seit Ende 1999 ist die Zahl der Pflegebedürftigen um 30 Prozent auf zuletzt 2,63 Millionen Personen gestiegen", sagt Jan Linsin. Der Senior Director des Immobiliendienstleisters CBRE prognostiziert: "Bis zum Jahr 2030 werden eine Million weitere Personen hinzukommen, trotz und wegen des technisch-medizinischen Fortschritts."

CBRE hat Anfang dieses Jahres seinen Pflegeimmobilienreport veröffentlicht. Der kommt zu dem Ergebnis, dass der deutsche Markt weltweit im Fokus steht. Um die Ausgaben der Pflegekassen zu reduzieren, versucht der Gesetzgeber mit dem Primat "ambulant vor stationär" die Pflege zu Hause durch Familienangehörige oder Pflegedienste zu stärken. "Dabei werden aber die gesamten gesellschaftlichen Kosten familiärer Pflege unterschätzt, vor allem dann, wenn pflegende Familienangehörige selbst psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt sind oder es in Folge der schwierigen Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu Einkommenseinbußen kommt", sagt Linsin. "Die Lösung könnte in ausreichenden und den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen angemessenen Angeboten der professionellen Pflege bestehen", erklärt der Immobilienexperte. Dazu braucht es allerdings gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte sowie attraktive Wohn- und Pflegeräume - "derzeit ein Manko in beiderlei Hinsicht."

Der CBRE-Report kommt zu dem Schluss, dass privates Kapital vonnöten ist, um entsprechende Angebote schaffen zu können. Die öffentlichen Träger und die sozialen Sicherungssysteme stießen an ihre Grenzen, "spätestens dann, wenn die Zahl der Beitragszahler nicht mehr ausreichen wird, um die Ausgabenlast zu schultern."

Jedes Bundesland hat sein eigenes Heimgesetz. Das erschwert Investitionen

Dass auch private Investitionen dem Bedarf in Deutschland hinterherhinken, begründen viele Akteure mit der föderalen Gesetzgebung hierzulande. Auch der Report betont, dass 16 unterschiedliche Heimgesetze eine unnötige Regulierungsdichte erzeugten. "Bis 2030 sind nach unseren Modellrechnungen 55 Milliarden Euro erforderlich, um das marktkonforme Angebot an Pflegeplätzen der zukünftigen Nachfrage entsprechend auszuweiten", sagt Linsin. "Nun sind mehr Wettbewerb, klare Standards und Transparenz gefragt, um die Chance zu nutzen, dass gerade institutionelle, langfristige Anleger aus dem In- und Ausland den deutschen Pflegemarkt entdecken."

Einer der größten Investoren in Pflegeheimen ist derzeit Hemsö. Schwedens größter Eigentümer und Entwickler von Pflegeimmobilien und Immobilien im öffentlichen Sektor gehört zu 85 Prozent dem schwedischen staatlichen Pensionsfonds. Das gleichnamige deutsche Tochterunternehmen der schwedischen Gruppe konzentriert sich ausschließlich auf die Altenpflege.

Momentan befinden sich 40 Bestandsobjekte und zwei Projektentwicklungen im deutschen Portfolio, mit einem Wert von 470 Millionen Euro. Vor allem im deutschen Markt möchte Hemsö weiter expandieren. In Zukunft sollen sowohl weitere Bestandsobjekte als auch Projektentwicklungen erworben werden. "Die Nachfrage nach zusätzlichen Betten ist vor allem in den Ballungsräumen groß. Baugrundstücke sind dort allerdings entweder kaum zu bekommen oder für eine Pflegeheimnutzung schlichtweg zu teuer", sagt Jens Nagel, Geschäftsführer der Hemsö in Deutschland. "Der Neubau von Pflegeeinrichtungen lohnt sich aber oft nur dort, wo die Wohnmieten unter acht Euro pro Quadratmeter liegen."

Dezentrale Standorte oder ländliche Gebiete weisen zwar ein moderateres Mietniveau auf und locken daher auch mit niedrigeren Grundstückskosten. Doch den geringeren Erstellungskosten stehen negative Restwerte der Immobilien, der größere Einfluss durch Konkurrenzobjekte, Personalknappheit und fehlende Drittverwendungsperspektiven gegenüber. "Neue Pflegeheimplätze müssen daher auch durch Investitionen in den Bestand geschaffen werden," sagt Nagel. Die 13 300 bestehenden Pflegeheime in Deutschland seien im Schnitt zwischen 25 und 30 Jahre alt und etwa 10 000 Betriebe älter als zehn Jahre.

Im Modernisierungsschub sieht Hemsö eine Chance. So hat das Unternehmen jüngst die Seniorenresidenz Am Kurpark in Wiesbaden saniert, einen 1983 errichteten Bau mit 139 Zimmern. Doch auch hier führen gesetzliche Vorgaben dazu, dass das Angebot reduziert wird. Die Bewohnerzimmer wurden größtenteils in Einzelzimmer umgewandelt - ein Vorgriff auf die ab dem Jahr 2019 in Hessen geltende Einzelzimmerquote für Heimbetriebe von 80 Prozent. Die Anzahl der Pflegeplätze reduziert sich im Zuge der Maßnahmen auf 91, davon 69 in Einzelzimmern sowie elf in Doppelzimmern.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2017
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