Paketzustellung:Jedem seine Box

generic shot of an Amazon parcel being received to illustrate internet online shopping

Hin und weg - Paketboten haben es bei der Zustellung der Ware oft eilig.

(Foto: Alamy/Mauritius images)

Wer Ware bestellt hat und bei der Lieferung nicht zu Hause ist, muss ihr oft hinterherlaufen. Aber das wird sich bald ändern. Unternehmen haben da einige neue Ideen entwickelt.

Von Stefan Weber

Lange Zeit hatte die Bewohnerin des Mehrfamilienhauses im Düsseldorfer Stadtteil Bilk Glück gehabt: Nie war eines ihrer vielen Pakete weggekommen, die die Zusteller regelmäßig im Treppenhaus abstellten, anstatt ihr persönlich zu übergeben. Bis zu jenem Tag im Februar, als ein Bote gleich zwei an sie adressierte Sendungen am Treppenaufgang ablegte und verschwand. Als die Empfängerin heimkehrte, waren die Pakete verschwunden. Eines hatte die Nachbarin vorsichtshalber an sich genommen, das andere war gestohlen worden. Seitdem bittet die junge Frau alle Versender, auf dem Paketschein zu vermerken, dass das Paket nur an der Wohnungstür übergeben werden darf. Was die Zusteller davon halten, bekommt sie bei vielen Begegnungen zu spüren. Die Gespräche, sagt sie, verliefen "alles andere als gut".

Solche Erfahrungsberichte sind zuhauf zu lesen auf den Seiten des Online-Beschwerdeportals "Paket-Ärger". Entwickelt wurde die Plattform im Dezember von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, um "die Verbraucherposition am Paketmarkt zu analysieren und zu stärken". Mehr als 2000 Kunden haben seitdem von falsch, verspätet oder gar nicht zugestellten Lieferungen berichtet. Häufigstes Ärgernis: Die Sendungen wurden ihnen nicht ausgehändigt, obwohl sie zu Hause waren. Wenn das tatsächlich so war, gibt es dafür zwar keine Entschuldigung, aber eine Erklärung: Zusteller von DHL, DPD, Hermes, GLS und Co. liefern bundesweit täglich zehn Millionen Pakete aus, in den Wochen vor Weihnachten sogar 15 Millionen. Ein Zusteller, der auf seiner Tagestour bis zu 200 Pakete möglichst im ersten Anlauf ausliefern muss, hat wenig Zeit: Ist der Adressat nicht zu Hause, klingelt er beim Nachbarn. Klappt auch das nicht, ist die Versuchung groß, ein Paket zum Beispiel unter dem Carport (beim Einfamilienhaus) oder im Treppenhaus (bei Mehrfamilienhäusern) abzulegen.

Die Deutsche Post hat zwar inzwischen ein flächendeckendes Netz von 2750 Paketstationen gespannt, das schon mehr als acht Millionen registrierte Kunden nutzen. Aber viele Verbraucher hätten es gern bequemer: Sie möchten, wenn sie nicht zu Hause sind, nicht nur Briefe, sondern auch Pakete nach Hause geliefert bekommen - zuverlässig und sicher, ohne, dass Dritte darauf zugreifen können. Deshalb soll der gute alte Briefkasten einen großen Bruder bekommen: den Paketkasten. "Die größte Erfindung seit dem Briefkasten", sagt Post-Vorstand Jürgen Gerdes dazu. Zusätzlicher Charme einer solchen Paketbox: Sie kann auch zum Versenden von Paketen und für Retouren genutzt werden. Wer das möchte, meldet seinen Wunsch über die Website des Paketdienstleisters. Dann holt der Bote die Pakete ab.

Bei einem Einfamilienhaus ist die Sache oft einfach. Interessenten müssen sich beispielsweise bei DHL lediglich zwischen den Modellen "Classic" und "Modern" entscheiden, zwischen den Größen L und XL wählen und neben der Haustür einen Platz zum Aufstellen finden. Der Nachteil: Zugang zu einer solchen Paketbox, die die Deutsche Post seit etwa zwei Jahren vertreibt, hat nur der DHL-Zusteller. Kommen Sendungen von einem anderen Paketdienst, bleibt der Kasten leer. Die Alternative ist ein Postkasten mit "Parcellock", einem von DHL-Konkurrenten entwickelten Öffnungs- und Schließsystem, das von verschiedenen Dienstleistern genutzt werden kann. Für Einfamilienhäuser soll diesen Sommer der erste Paketkasten mit Parcellock-System angeboten werden.

Und für Mehrfamilienhäuser? Eine mögliche Lösung lässt sich seit Oktober in Stuttgart, Bettina-von Armin-Straße 4, besichtigen. In der dortigen Wohnanlage hat der größte europäische Briefkastenhersteller Renz ein Pilotprojekt für eine Paketkastenanlage für 93 Wohnungen gestartet. Ein kompakter riesiger Schrank aus dunklem Metall, optisch gut integriert in den Bereich vor der Haustür. Mit Fächern in verschiedenen Größen, geeignet für Zustellung und Rücksendung von Paketen unabhängig vom Paketdienstleister. Um ein Paket zuzustellen, autorisiert sich der Bote mit einem elektronischen Schlüssel an einer Bedieneinheit und wählt die passende Paketkastengröße sowie den Empfänger aus. Ist das Paket im Kasten und die Tür verschlossen, erhält der Empfänger eine Benachrichtigung per E-Mail. Zum Abholen autorisiert er sich ebenfalls mit einem elektronischen Schlüssel an der Anlage, kann die entsprechende Kastentür öffnen und das Paket entnehmen.

Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit dem Bau- und Heimstättenverein Stuttgart, der GWF Wohnungsgenossenschaft und der Baugenossenschaft Friedenau. "Durch die Zunahme des Onlinehandels ist es nur eine Frage der Zeit, bis mehr Pakete als Briefe zugestellt werden. Briefkästen stellen wir den Bewohnern ja auch zur Verfügung - wieso also nicht auch Paketkästen?", meint Siegfried Lorenz, Vorstand der GWF Wohnungsgenossenschaft. Die Paketdienstleister erwarten, dass in fünf bis sieben Jahren etwa zehn Prozent aller Paketzustellungen über Paketkästen erfolgen werden. Hersteller Renz sieht in der Paketkastenanlage die Möglichkeit, die Attraktivität und damit auch den Wert einer Immobilie zu steigern. "Objekte, die mit einer solchen Lösung ausgestattet sind, lassen sich leichter vermieten oder verkaufen und steigern langfristig den Wohnkomfort und die Mieterzufriedenheit", heißt es bei dem Unternehmen aus Kirchberg an der Murr. Auf Wunsch können einzelne Kästen auch mit einer Kühlfunktion ausgestattet werden - was für die Zustellung von Lebensmitteln wichtig wäre.

Zweitbeste Lösung: die Pakettasche an der Wohnungstür

Seit vergangenem Herbst stehen auch in vielen Berliner und Dortmunder Häusern des Wohnungsunternehmens Vonovia, der früheren Deutschen Annington, schrankgroße Boxen mit Fächern in verschiedenen Größen. Mieter, die sie nutzen möchten, müssen sich online anmelden und bekommen dann Zugang in Form eines Chips - so wie man von der Hausverwaltung einen Briefkastenschlüssel bekommt. Installiert hat die Paketanlagen die Deutsche-Post-Tochter DHL. Zunächst waren sie Pilotobjekte. Nun möchte DHL Schritt für Schritt weitere Mietshäuser mit solchen Paketkästen ausstatten. Gespräche mit Wohnungsunternehmen laufen. Sie müssen investieren, aber die Nutzung der Paketanlagen soll für die Mieter möglichst kostenfrei sein. Vonovia, der größte deutsche Wohnungsanbieter, sieht die Boxen als Service: "Unsere Mieter kommen nach Hause - ihre Pakete sind schon da. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir uns um unsere Mieter und ihre Interessen kümmern."

Ob der Aufbau eines Paketkastens in einem Mietshaus Sinn macht, müssen die Wohnungseigentümer von Fall zu Fall entscheiden. Scheitern könnte es in vielen Fällen an fehlendem Platz. Denn die Boxen dürfen keine Fluchtwege versperren. Eine Alternative könnte die Lösung von Parcellock sein. Das Unternehmen bietet für Mieter und Besitzer von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern Pakettaschen an. Diese werden an die Wohnungstür geklemmt und können zum Empfangen und Senden mit allen Paketdienstleistern genutzt werden.

Für manchen Paketboten sind solche Taschen vielleicht nur die zweitbeste Lösung. Denn um die Sendung zuzustellen, müssen sie durchs Treppenhaus, möglicherweise mehrere Stockwerke hinauf bis vor die Wohnungstür - das kostet Zeit. Und die ist knapp, wenn ein Fahrer wieder einmal 200 Pakete an einem Tag ausliefern muss. Dann macht er es eben gerne schon einmal wie bei der jungen Frau aus Düsseldorf-Bilk: Er stellt die Pakete einfach im Treppenhaus ab. Auch, wenn das nicht erlaubt ist.

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