Ökostrom:Grüne Mogelpackungen

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Drei Millionen Haushalte in Deutschland beziehen Ökostrom. Doch nur zwei von drei Angeboten helfen der Umwelt - selbst, wenn der Strommix in diesen Angeboten zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt.

Andreas Jalsovec

Das klingt nach Energiewende: Rund drei Millionen Haushalte in Deutschland beziehen mittlerweile Ökostrom - zumindest auf dem Papier. Ob sie damit aber auch etwas für die Umwelt tun, ist fraglich. Längst nicht jeder grüne Stromtarif ist wirklich öko, hat die Stiftung Warentest festgestellt.

Anbieter vom Ökostrom im Überblick. (Foto: N/A)

Die Tester nahmen Ökostromtarife unter die Lupe, die bundesweit angeboten werden und bei denen sich die Kunden nicht länger als sechs Monate binden. Ergebnis: Von insgesamt 19 Stromangeboten bieten lediglich 13 Tarife "einen echten Umweltnutzen". Der entsteht nur, wenn der verkaufte Ökostrom konventionellen Strom vom Markt verdrängt. "Erst dann wird der Stromsee insgesamt grüner", sagt Simone Vintz, Energieexpertin bei der Stiftung Warentest.

Nicht jeder Ökostromtarif jedoch erfüllt diese Bedingung - selbst, wenn der Strommix darin zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt. Hintergrund: Derzeit wird in Deutschland mehr Ökostrom angeboten, als es Kunden dafür gibt. "Verkauft ein Anbieter nur überschüssigen Ökostrom aus alten Wasserkraftwerken, dann hilft das der Umwelt wenig", sagt Vintz. Nur wenn der Versorger gleichzeitig mit dem Erlös aus dem verkauften Strom neue Ökostromquellen erschließt, treibt das die Energiewende voran.

Einen solchen Zubau an grünen Energiequellen garantieren vor allem unabhängige Stromanbieter (Tabelle). Aber auch einige konventionelle Versorger sorgen mit ihrem Ökostromgeschäft dafür, dass neue Wasser-, Wind- oder Sonnenkraftwerke entstehen. Die Zubauwirkung ist denn auch der wichtigste Aspekt, auf den Verbraucher bei der Auswahl des Stromanbieters achten sollten.

Einen Anhaltspunkt dafür geben Ökostrom-Zertifikate. So werden etwa das "OK-Power-Label" oder das "Grüner-Strom-Label" nur an Anbieter vergeben, die tatsächlich neue Ökostromquellen schaffen.

Allerdings gibt es mittlerweile derart viele Gütesiegel für Ökostrom, dass die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen von einem "Labeldschungel" spricht. Auch sie hat festgestellt: Die Mehrzahl der über 2000 Ökostrom-Angebote in Deutschland "leistet überhaupt keinen oder nur einen sehr geringen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien". Zum Schutz vor Mogelpackungen fordern die Verbraucherschützer daher ein einheitliches Gütesiegel für Ökostrom - ähnlich wie für Lebensmittel.

Immerhin: Wer sich für Ökostrom entscheidet, zahlt nicht zwingend mehr als für konventionellen Strom. Im Schnitt seien Ökostromtarife mit Gütesiegel günstiger als der Standardtarif des örtlichen Versorgers, heißt es bei der Stiftung Warentest. Von Tarifen mit Vorkasse sollte man aber die Finger lassen. Und: "Die Tarife stets ohne die Bonus-Gutschrift im ersten Jahr vergleichen", rät Simone Vintz. Erst dann werde klar, was der Strom ab dem zweiten Jahr koste.

© SZ vom 27.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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