Ökonom Bofinger:"Griechenland braucht keine Schnapsideen"

Ökonom Bofinger über einen europäischen Währungsfonds, manisch-depressive Devisenmärkte und den Irrtum eines Kollegen.

Melanie Ahlemeier

Peter Bofinger, 55, ist Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und unterrichtet Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Ein Gespräch über Griechenlands Misere, das Geschäft der Spekulanten und warum Europa endlich ganzheitlich denken muss.

sueddeutsche.de: Herr Professor Bofinger, Griechenland braucht dringend Kapital - hilft nur noch der Verkauf der Akropolis?

Peter Bofinger: Griechenland braucht keine Schnapsideen. Das Land benötigt in erster Linie wieder Zugang zu Krediten unter normalen Bedingungen. Das ist die Voraussetzung, um die Krise in den Griff zu bekommen. Einem verschuldeten Privathaushalt hilft es ja auch nicht, wenn er nur noch Geld vom Kredithai bekommt.

sueddeutsche.de: Zocker-Mentalität zeigte sich, als die griechische Regierung mit einer Anleihe binnen weniger Stunden fünf Milliarden Euro eingesammelt hat. Von Investoren gab es Angebote in Höhe von gigantischen 16 Milliarden Euro.

Bofinger: Die Finanzmärkte sind ziemlich neurotisch, das ist das Grundproblem. Auf der einen Seite ist es erfreulich, dass Athen in so kurzer Zeit relativ viel Geld eingesammelt hat. Auf der anderen Seite ist es kein Zustand, wenn sich Regierungen von Anleihe-Emission zu Anleihe-Emission hangeln müssen. Und man muss sehen: Beim zu zahlenden Zins ist der Risiko-Aufschlag mit drei Prozentpunkten nach wie vor sehr hoch. Jeder Prozentpunkt bedeutet für ein hochverschuldetes Land wie Griechenland eine enorme Belastung.

sueddeutsche.de: Das Papier wurde mit einer Verzinsung von 6,25 Prozent angeboten. Töricht, wer da nicht gezeichnet hat?

Bofinger: Das kommt auf die Risikofreude an. In einem Punkt ist die ökonomische Theorie simpel: Höhere Zinsen oder Renditen bedeuten höheres Risiko. Das ist wie im Straßenverkehr: Wer schneller fahren will, muss häufiger überholen - und riskiert auch eher einen Unfall.

sueddeutsche.de: Frankreich, Deutschland und Griechenland wollen gemeinsam gegen Spekulanten vorgehen, die mit sogenannten Kreditausfallversicherungen zocken und damit Athens Misere verschärfen. Details sollen in den kommenden Tagen vorgestellt werden. Wie müssen solche Maßnahmen aussehen?

Bofinger: Mit einem Verbot von Credit Default Swaps, die nicht zu Versicherungszwecken eingesetzt werden, kann ich mich durchaus anfreunden. Aber man sollte sich nichts vormachen: Wenn die europäischen Regierungen nicht in der Lage sind, die Konsolidierungsprobleme gemeinsam anzupacken, kann es auch ohne diese Instrumente weiterhin zu hohen Risikoaufschlägen für Länder wie Griechenland kommen.

sueddeutsche.de: Demonstrationen, Straßenschlachten und am kommenden Donnerstag ein landesweiter Generalstreik als Reaktion auf das drakonische Sparprogramm der EU - wie ernst ist es den Griechen mit der eigenen Rettung?

Bofinger: Ich verstehe den Ärger in der Bevölkerung. Das Hauptproblem Griechenlands ist, dass es im Vergleich zu anderen Staaten extrem geringe Steuereinnahmen auf Einkommen und Gewinne hat. Für die politische Akzeptanz wäre es enorm wichtig, dass Maßnahmen ergriffen werden, die auch die Besserverdienenden in den Fokus nehmen. Griechenland hat einen Spitzensteuersatz von 40 Prozent.

sueddeutsche.de: Auf wie viel Prozent sollte er steigen?

Bofinger: Unter Helmut Kohl hatten wir nach der Wiedervereinigung hierzulande einen Spitzensteuersatz von 56 Prozent, inklusive Soli. Das ging auch.

sueddeutsche.de: Welche Maßnahmen sind noch denkbar?

Bofinger: In einem Land wie Griechenland müssten dringend die Strafen für Steuerhinterziehung verschärft werden. Das wäre mit einer Amnestie zu kombinieren, so wie es die Italiener vorgemacht haben. Ich finde die Maßnahmen in Griechenland sozial sehr unausgewogen - und verstehe deswegen, dass "der kleine Mann" und "die kleine Frau" auf die Straße gehen. Weil man nicht erkennt, dass das Land ernsthaft an jene rangehen will, die besser dastehen.

sueddeutsche.de: Welche Gefahren birgt das von der EU verordnete Sparprogramm?

Bofinger: Ich halte es nicht für sehr zielführend, weil es primär am Defizit ansetzt. Eine Regierung kann jedoch das Defizit nicht direkt kontrollieren. Es ergibt sich zwar zum einem aus dem, was die Regierung an Maßnahmen ergreift, zum anderen ist es aber abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn die Wirtschaft aufgrund der Sparmaßnahmen zu stark abgebremst wird, kann es passieren, dass das Defizit nicht zurückgeht. Man muss aufpassen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet.

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