Ökologische Häuser:Happy im Holzhaus

Immer weniger Deutsche bauen, doch unter diesen Wenigen wünschen sich immer mehr ein Haus aus Holz.

Bernd Kastner

Es ist, als würde gleich eine Märklin-Eisenbahn durchs Bild rauschen. Damit rechnet der Besucher, der auf diesem winzigen Dorfplatz steht, mit der Bank unter der Linde, dem Brunnen und dem Spielplatz daneben. Um einen herum haben sie putzige Häuschen hingestellt, alle irgendwie gleich und doch so anders, nicht in Reih und Glied postiert, sondern scheinbar zufällig rund um die Linde hingewürfelt. Und wie bunt sie sind, grau und rot, gelb und grün. Das Dorf aber steht in keiner Modell-Landschaft, sondern im Allgäu, und statt Pinzette und Plastikkleber haben sie einen Autokran zum Aufstellen gebraucht. Willkommen im Dorf der Holzhäuser!

Erkheim, auf halbem Wege zwischen München und Lindau an der A 96 gelegen. Am Rande des Marktfleckens, zwischen steinernen Eigenheimen à la Wüstenrot und einem Naturschutzgebiet, ist vor elf Jahren ein Dorf im Dorf entstanden. Auf 3000 Quadratmetern leben hier vorwiegend Familien, verteilt auf neun Holzhäuser.

Das gelbe gehört Familie Schönthal. Das sind Vater Dietrich, 46, Mutter Gabriele, 43, und Tochter Jana, 14, mit Hund, zwei Katzen, zwei Meerschweinchen und einem Hasen. Sie sind, ohne das zu wollen, eine deutsche Trendfamilie.

Dabei spielte der Baustoff Holz für die Schönthals anfangs gar keine so wichtige Rolle. Ihnen gefiel vor allem das Dorf-Konzept: Das Miteinander der Nachbarn, die keine Hecke und keine Mauer voneinander trennt, die gemeinsamen Feste auf dem Dorfplatz. Dass ihr Eigenheim ganz aus Holz und ganz öko ist, das war schon okay, erzählt Mutter Gabriele, mehr aber auch nicht.

Die Familie sitzt um den Holztisch im Esszimmer, das nahtlos übergeht in Küche, Wohnzimmer und Treppenhaus. Das ganze Erdgeschoss ist ein einziger Raum, nur ein paar helle Balken deuten die Zimmergrenzen an. Oben, unterm Dach, sind die beiden Schlafzimmer, des Vaters Schreibtisch steht neben dem Ehebett. Klein ist das Haus, mit 100 Quadratmetern geradezu winzig für ein freistehendes deutsches Eigenheim, aber die Schönthals sagen, sie brauchen nicht mehr.

Der Besucher riecht, was die drei schon gar nicht mehr bemerken, und doch würde es ihnen fehlen, sagen sie. Es duftet dezent nach Holz, nach Natur. Lange hat es nicht gedauert, da waren die Schönthals so begeistert von dieser Art des Wohnens, haben das irgendwie andere Raumklima so aufgesogen, dass sich der Vater sogar einen neuen Arbeitgeber gesucht hat, um mit dem bisherigen nicht wegziehen zu müssen.

Wer ein Holzhaus bauen will, geht zu Firmen, deren Namen so richtig nach deutscher Gemütlichkeit klingen: Schwabenhaus oder Schwörer-Haus, Weberhaus oder Isartaler Holzhaus. Oder Baufritz. Diese Firma heißt so, weil sie der Familie Fritz gehört. Baufritz hat das Minidorf in Erkheim gebaut.

Happy im Holzhaus

Das Konzept ist gefloppt, man wollte es aus dem Allgäu in die ganze Republik exportieren, aber auch der gewöhnliche Holzhausbewohner will, wie der Massiv-Bauer, eine Hecke ums Anwesen. Und doch haben sie gut zu sägen und zu pinseln und zu schrauben in dieser Erkheimer Hausfabrik, denn einzeln verkaufen sich die Holz-Heime bestens.

Zwar bauen immer weniger Deutsche, doch unter diesen Wenigen wünschen sich immer mehr ein Holzhaus, die Zahlen des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau (BDF) belegen das. Der Umsatz der Verbands-Mitglieder stieg seit 2000 um rund 20 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro, es wurden 2004 mit rund 10.500 Häusern gut 1000 mehr gebaut als im Jahr 2000. Vor allem aber stieg innerhalb der Baubranche der Anteil der Fertighäuser in den vergangenen zehn Jahren - von 12 auf 14 Prozent.

Das sichert einer Firma wie Weberhaus, einer der Marktführer mit 700 verkauften Häusern pro Jahr, das Überleben in einer notleidenden Gesamtbranche. "Null auf Null" gehe es bei ihnen raus, verrät Webers Marketingchef. Die wachsende Liebe zum Holz führt aber auch zu Erfolgsgeschichten wie bei Fingerhaus, die vor zehn Jahren noch 100 Häuser pro Jahr verkauft haben, jetzt sind es sechsmal so viele. Und alle träumen sie von Holzanteilen im Häuschenbau wie in Skandinavien, wo es mehr als 50 Prozent sind, oder zumindest in Österreich mit seinen gut 30 Prozent.

Baufritz hat sich aufs besserverdienende, ökologisch bewusste Publikum spezialisiert. Auf öko-orientierte Kunden sind alle Hersteller angewiesen, nur so kommen sie gegen das Image des Fertighauses an. Denn fast jedes Holzhaus ist ein Fertighaus, und umgekehrt, doch bei Baufritz meidet man den Begriff Fertighaus wie der Teufel das Weihwasser. Fertighaus klingt billig und lapprig, Holzhaus dagegen solide, es erscheint vor dem inneren Auge eine heimelige Almhütte - auch wenn die Fertigteil-Wände mit Holzspänen gefüllt sind.

Schönthals "Junges Haus" war ein Schnäppchen, hat gerade mal 350.000 Mark gekostet und stand schon da. Würde die Familie heute kaufen, sie würde sich für ein paar Tage neben der Fabrik in einem der Musterhäuser einquartieren.

Da steht etwa, in dezentem Grau, das Fritz'sche Luxus-Häuschen mit umlaufendem Balkon, Badewanne auf der Dachterrasse und Cabrio-Dach, geräumig ist es und für rund 500.000 zu haben. Daneben die "Edition Rot", Typ Schwedenhaus: Bullauge, verschiebbare Zimmertüren, die fast schon ganze Wände sind. Ein Verkaufsschlager, Familien stehen drauf.

Dann würden die Schönthals durch ein Ausstellungsgebäude spazieren, das Baufritz vor ein paar Jahren hingestellt hat und ¸¸Hausschneiderei" nennt, was wohl ans Anzug probieren erinnern soll. Und doch ist es, als würde man durch einen edlen Supermarkt des Wohnens wandeln. Man wählt diese Dachziegel und jene Heizung, kombiniert die Fassadenfarbe mit dem passenden Parkett, und am Ende liefert der Tieflader ein ganzes Häuschen nach Hause. Der Käufer durchwandert Stilwelten, um den eigenen Geschmack zu erkunden, die Musterräume sind milieugerecht gestylt. Den Konservativen sollen geraffte Vorhänge im Rosamunde-Pilcher-Look locken, die riesige Wohnküche macht dem Familienmensch Appetit auf mehr.

An irgendeine Wand in dieser Holzhauswelt haben sie - wohl als Beweis für die Nachhaltigkeit - hingepinselt, dass in Bayern fünf Milliarden Bäume stehen, alle stärker als 20 Zentimeter. Und dass das gerade gekaufte Baumhaus der besonderen Art zum Wachsen nur acht Minuten und 20 Sekunden brauche. Umgerechnet, versteht sich.

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