Süddeutsche Zeitung

Obama: Finanzreform:Angst vor dem nächsten Absturz

Radikales Vorgehen: US-Präsident Barack Obama geißelt Gier und Selbstgefälligkeit - und pocht auf eine schnelle Finanzreform.

Moritz Koch, New York

US-Präsident Barack Obama hat die Wall Street davor gewarnt, einer Reform des Finanzsystems im Wege zu stehen. Die Lage auf den Märkten normalisiere sich, sagte Obama bei einer Rede vor Bankern und Finanzexperten in New York. "Doch Normalität darf nicht zu Selbstgefälligkeit führen."

Am 15. September 2008 hatte der Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers die Weltwirtschaft in die tiefste Krise seit acht Jahrzehnten gestürzt. In der Folgezeit gingen in den USA Monat für Monat 700.000 Jobs verloren. Das entschlossene Handeln Washingtons habe die Lage inzwischen stabilisiert, sagte Obama.

Jetzt gehe es darum, Reformen zu beschließen, die einen ähnlichen Absturz in Zukunft verhindern könnten. Der Präsident warb für ein entsprechendes Gesetzespaket, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll.

Im Krisenfall einfach abwickeln

Demnach sollen die US-Notenbank Federal Reserve und die Regierung mehr Macht erhalten. So soll Washington künftig Investmentbanken und Versicherungen im Krisenfall übernehmen und abwickeln können. Die Notenbank soll zum Oberaufseher von Konzernen werden, deren Zusammenbruch weite Teile der Wirtschaft beschädigen könnte - so wie es bei Lehman geschah. Auch Hedge-Fonds sollen erstmals regulieren werden, wenn sie eine bestimmte Größe überschreiten.

Daneben ist eine Verbraucherbehörde zur Aufsicht über Finanzprodukte wie Hypotheken und Kreditkarten vorgesehen. "Zusammengenommen sind diese Maßnahmen die ambitionierteste Reform des Finanzsystems seit der Großen Depression", sagte Obama.

Streit um Konsumentenbehörde

In den vergangenen Monaten war vor allem um die geplante Konsumentenbehörde Streit entbrannt. Fed-Chef Ben Bernanke sprach sich gegen die neue Verbraucherschutzzentrale aus, da sie Befugnisse der Notenbank duplizierte, und ermutigte so die Finanzindustrie zum Widerspruch. Ihre Lobbyisten sind in Washington damit beschäftigt, eine Opposition die Neuordnung des Finanzmarkts zu organisieren.

Den Reformverweigerern warf Obama entgegen: "Die Gesichte wird sich nicht wiederholen. Wir werden nicht zu den Tagen rücksichtslosen Verhaltens und unkontrollierten Exzesses zurückkehren, die der Krise zugrunde liegen, wo zu viele nur vom Appetit auf schnelle Beute und aufgeblähte Boni motiviert waren." Die Tatsache, dass Einzelne im Finanzsektor in alte Gewohnheiten zurückgefallen seien, unterstreiche die Notwendigkeit für einen Wandel. Der Präsident versicherte, dass seine Regierung mit der Wall Street zusammenarbeiten wolle. Das gehe aber nur, wenn die Finanzbranche bereit sei, aus ihren Fehlern zu lernen und diese nicht ignoriere.

Die teuren Rettungsmaßnahmen für die Wall Street, haben Obama innenpolitisch unter Druck gebracht. Notenbank und Regierung haben insgesamt 4,7 Billionen Dollar riskiert, um das System zu stützen. Das entspricht einem Drittel der jährlichen Leistungskraft der US-Wirtschaft. Konservative, aber auch bei moderaten Demokraten sind zunehmend unzufrieden.

In seiner New Yorker Rede verteidigte sich Obama: "Ich wollte nicht Präsident werden, um Banken zu retten." Ohne die Hilfen wäre das Land jedoch in einen Abgrund gestürzt. Der Präsident mahnte seine Kritiker zur Geduld. Das Warten lohne sich: Erstmals fließe Geld wieder von New York nach Washington und nicht umgekehrt. 70 Milliarden Dollar hätten die Banken bereits zurückgezahlt, sagte Obama, und den Steuerzahlern eine Rendit von 17 Prozent beschert.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2009/mel
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