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Nordkorea: Kim Jong Il:Ginseng gegen Schulden

Nordkoreas Diktator Kim Jong Il will Schulden in Prag tilgen - in Ginseng statt in harter Währung. Doch die Tschechen möchten am liebsten noch mehr rausholen.

Melanie Ahlemeier

Die Idee ist ziemlich irre: Weil das Geld knapp und die Schulden immens sind, besinnt sich Nordkoreas Machthaber Kim Jong Il einer alten Währung - der Ginsengwurzel. Die wurde einst in Gold aufgewogen und soll jetzt helfen, das Regime zu entschulden. Der Diktator will Kredite mit Ginseng abstottern. Tschechien ist Pilotprojekt, und der Deal ist relativ simpel: Pjöngjang liefert Tonnen von der Wurzel, Prag erlässt im Gegenzug fünf Prozent der Schulden.

Wurzeln im Wert von 500.000 Dollar sollen Richtung Prag gekarrt werden, berichtete die Financial Times (FT). Frischer Ginseng gegen alte Schulden also, denn die datieren noch aus der Zeit des Kalten Krieges. Bis 1989 war Pjöngjang ein wichtiger Abnehmer von Maschinen und Lastwagen aus der damaligen Tschechoslowakei. Schon seit einiger Zeit versucht Nordkorea mit dem Export von Lebensmitteln wie Ginseng - das dem Gedächtnis und der Libido gleichermaßen auf die Sprünge hilft - an harte Währung zu kommen. Doch es ist ein mühsames Geschäft, und im Vergleich zum illegalen Waffenschmuggel kein starker Devisenbringer.

Zwölf Milliarden Dollar Schulden lasten auf dem Diktator, der mit seiner Atompolitik die Welt provoziert. Die Kapitalmärkte zeigen dem Mann mit der markanten Sonnenbrille unerbittlich die kalte Schulter.

Vielleicht hat sich der politisch isolierte Kim bei einem schönen Glas Ginseng-Tee die Geschichte noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Schon vor 2000 Jahren wurde die heilende Wirkung der Wurzel geschätzt, auch Könige und Kaiser wussten um den Wert der Pflanze. Und es hieß: Wer Ginseng hatte, war ein gemachter Mann.

Ist nun also der Diktator ein gemachter Mann? Wohl kaum. Die Tschechen diskutieren zwar, ob sie die Pjöngjang-Offerte annehmen sollen. Sie diskutieren aber auch, ob sich nicht noch mehr rausholen lässt - Zink zum Beispiel. Das könnte anschließend immerhin zu Geld gemacht werden, sagte Prags stellvertretender Finanzminister Tomas Zidek. Zweiter Haken der Ginseng-Nummer: Zwölf bis 20 Tonnen von der Wurzel wären nötig, um die Landesschulden anteilig bei den Tschechen abzustottern - doch die Tschechen haben nur einen Jahresbedarf von 1,4 Tonnen.

Tja, Kopfrechnen scheint nicht Kims Stärke zu sein. Vielleicht sollte er sich auf diese irre Idee einfach noch einen Ginseng-Tee einschenken.

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