Nikolaus von Bomhard im Interview:"Die notwendige Sorgfalt hat gefehlt"

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Münchener-Rück-Chef Nikolaus von Bomhard über die Ursachen der Kreditkrise, seine Skepsis gegenüber riskanten Finanzprodukten - und sein Verhältnis zu Finanzinvestoren.

Thomas Fromm und Ulrich Schäfer

Nikolaus von Bomhard ist seit 2004 Vorstandsvorsitzender der Münchener Rück.

SZ: Herr von Bomhard, Sie versichern als Rückversicherer Schäden durch Naturkatastrophen wie Hochwasser und Wirbelstürme und haben so direkt mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Verzweifeln Sie nicht manchmal, wenn Sie sehen, wie langsam wir mit dem Klimaschutz vorankommen?

Bomhard: Es hat sich seit der Konferenz in Bali ja schon einiges bewegt, deswegen ist Verzweiflung nicht das richtige Wort. Wir hätten uns gewünscht, dass manches schneller geht. Ich hoffe sehr, dass die Politik bis Ende 2009 einen neuen Rahmen für verbindliche Klimaziele festlegt, der alle wichtigen Industrieländer mit einbezieht, auch die sogenannten Schwellenländer.

SZ: Tun Ihre Kollegen in den Vorstandsetagen anderer Konzerne und die Politiker denn genug gegen den Klimawandel?

Bomhard:Keine Unternehmensleitung kann und will sich diesem Thema mehr entziehen. Auch die, die stärker im Fokus stehen, wie zum Beispiel Energiekonzerne und Autobauer, haben das Thema längst zum Top-Thema gemacht. Selbst Regierungen, die noch im alten Stil weitermachen wollten, sind inzwischen umgeschwenkt. Aber wir müssen auch verstehen, dass für die Unternehmen oft schwierige Entscheidungen anstehen, denn man arbeitet unter Konkurrenzdruck.

SZ: Sie haben es ja als Finanzunternehmen leicht; bei Ihnen rauchen keine Schornsteine.

Bomhard: Das stimmt, die Münchener Rück ist bei ökologischen Fragen längst nicht so unter Druck wie viele Industrieunternehmen. Die meisten unserer Emissionen entstehen durch Reisen. Gleichwohl hat das Thema Klimawandel für uns strategische Relevanz, es betrifft unser Kerngeschäft.

SZ: Wie stellen Sie sich als Rückversicherer auf den Klimawandel ein? Wenn es mehr Katastrophen gibt, müssen Sie dann nicht Ihre Preise kräftig erhöhen?

Bomhard: Die Kunst dabei ist, nicht nur in den Rückspiegel zu sehen, sondern sich ein Bild zu machen von den möglichen Entwicklungen. Am Ende ergibt diese Modellierung einen Preis, und den muss man seinen Kunden dann erklären. Da sind wir in letzter Zeit gut unterwegs gewesen. Wir glauben, dass wir in den vergangenen Jahren die richtigen Preise bekommen haben. Schadensereignisse unterstützen unsere Argumentation. Allerdings darf man die Preisfindung keinesfalls auf der Schadenserfahrung einzelner Jahre aufbauen, weder einem schadenarmen Jahr wie 2006, noch auf einem sehr schadenträchtigen wie 2005. Klar ist allerdings, dass der Schadenstrend nach oben zeigt.

SZ: Für viele Schwellenländer wird es immer teurer, sich gegen Schäden abzusichern.

Bomhard: Was heißt teurer? Wir bemühen uns, den richtigen, den den Risiken angemessenen Preis zu ermitteln. Ein Land wie China ist beispielsweise in der Lage, das zu finanzieren. Man ist sich dort sehr wohl darüber im Klaren, dass dieser Schutz nicht umsonst zu haben ist.

SZ: Wie passen Sie denn hier Ihre Prämien an?

Bomhard: Wir entwickeln Szenarien und Modelle für die Zukunft. Wenn man es richtig macht, sollte es zu keinen großen Preissprüngen kommen - weder nach unten noch nach oben, außer grundlegende Annahmen ändern sich. Unsere Szenarien decken dabei alle Ereignisse ab - von den regelmäßig eintretenden bis zu den ganz seltenen, die sich nur beispielsweise alle 10.000 Jahre wiederholen

SZ: Sie wollen ernsthaft die Entwicklung über 10.000 Jahre vorhersagen?

Bomhard: Nein, es geht nicht um Vorhersagen, sondern um wahrscheinliche Wiederkehrperioden für bestimmte Ereignisse. Wir müssen unsere Prämien so kalkulieren, dass wir im langfristigen Durchschnitt genügend Prämien einnehmen, um unsere Schäden zahlen zu können. Und um auch zufällige Schadensschwankungen verkraften zu können, ist die gesamte Ausstattung der Münchener Rück mit Sicherheitsmitteln auf zwei Hundertjahresverluste für unser Jahresergebnis kalibriert, und das wiederum entspricht einer Wiederkehrperiode von 10.000 Jahren. Wir wollen sicher sein, dass langfristige Trends die Münchener Rück nicht aus dem Tritt bringen können. Das ist ein sehr konservativer Ansatz.

SZ: Bislang waren vor allem die Banken von der Kreditkrise betroffen. Der Chef der Finanzaufsicht Bafin, Jochen Sanio, warnt nun, gerade für international tätige Versicherer gebe es noch eine hohe Ansteckungsgefahr, die bislang unterschätzt wurde. Teilen Sie diese Sorge?

Bomhard: Ich kann nur für uns sprechen, weil ich die Lage anderer Versicherer nicht so gut kenne. Alles was im engeren Sinne mit Subprime zu tun hat, ist für uns im Wesentlichen erledigt. Wir haben sehr früh für Transparenz gesorgt und uns unsere Exponierungen genau angesehen. Ich kann Ihnen versichern: Für uns ist Subprime kein besorgniserregendes Thema mehr.

SZ: Das sagen alle. Ihr Konkurrent Swiss Re hatte bei der Vorlage seiner Quartalszahlen im November noch angekündigt, keine Probleme zu haben - zwei Wochen später kam die Hiobsbotschaft: Milliardenverluste bei Kreditausfallversicherungen. Wie sicher können Aussagen von heute morgen noch sein?

Bomhard: Ausfälle wie bei Swiss Re können wir für uns ausschließen, da wir derartige Versicherungen nicht getätigt haben.

SZ: Sie sagen also, Sie haben die Kreditrisiko-Fallen, in die andere Marktteilnehmer offenbar blind hineingetappt sind, früher als alle anderen erkannt?

Bomhard: So schlau sind wir auch wieder nicht. Aber wir waren vielleicht skeptischer als andere und haben unser Pulver trocken gehalten, indem wir uns bei Kreditrisiken seit geraumer Zeit sehr zurückgehalten haben. Wir haben zwar immer wieder überlegt, ob und wann wir einsteigen sollen, aber letzten Endes fanden wir die Risikozuschläge auf die risikofreien Zinsen, die sogenannten Spreads, unbefriedigend.

SZ: Was war denn Ihre erste Reaktion, nachdem Sie von den Problemen der Swiss Re gehört hatten? Haben Sie erst einmal Ihr Portfolio durchgekämmt?

Bomhard: Wir hatten zwar schon vorher alles durchgepflügt und alles umfassend auf den Tisch gelegt. Wir waren ja einer der Ersten, die gesagt haben, wir müssen Abschreibungen im niedrigen dreistelligen Millionen-Bereich vornehmen. Wir haben dann aber natürlich noch einmal alle unsere Bücher durchgesehen. Da wir hier keine neuen Exponierungen fanden, war das Thema für uns erledigt.

SZ: Also beschränkt sich die Krise nun vor allem auf die Banken?

Bomhard: Da bin ich vorsichtig. Sicherlich ist der Bankenbereich erheblich stärker betroffen. Wir müssen nun abwarten, inwiefern auch die Versicherer betroffen sind. Versicherer können die Probleme sowohl auf der Aktiv- wie auch auf der Passiv-Seite der Bilanzen haben. Sie können sich über das Kreditversicherungsgeschäft anstecken - das wäre die Passiv-Seite. Sie können sich aber auch auf der Aktiv-Seite den Virus der Finanzkrise holen, etwa indem Sie in riskante Produkte investieren.

SZ: Gibt es Geschäfte, die Sie seit dem Ausbruch der Krise nicht mehr machen?

Bomhard: Nein, wir fahren unseren Kurs weiter - und bleiben skeptisch.

SZ: Wie erklären Sie sich die aktuelle Krise? Hat da auf breiter Front die Risikokontrolle versagt?

Bomhard: Das Hauptproblem waren strukturierte Produkte. Diese Produkte sind oft sehr komplex, sodass die Sicht auf das dem Produkt zugrunde liegende Geschäft verloren geht. Zudem vernachlässigten viele Marktteilnehmer ihre bislang strengen Kriterien bei der Zeichnung der Kreditverträge, da sie die Kreditrisiken nicht in die eigenen Bilanzen aufnahmen, sondern das Geschäft weiterreichten. Das führte häufig dazu, dass die eigentlich notwendige Sorgfalt nicht mehr angewandt wurde.

SZ: Die Finanzwelt blickt in diesen Tagen ungläubig nach Frankreich, wo ein kleiner Mitarbeiter der Pariser Bank Société Générale sein Unternehmen durch Aktienspekulationen um fünf Milliarden Euro gebracht hat. Wie kann so etwas passieren - braucht die Finanzwelt nicht eine völlig neue Risiko-Kultur?

Bomhard: Die Risiken an den Finanz- und Versicherungsmärkten werden immer komplexer. Es ist daher eine unserer wichtigsten Pflichten als Kapitalanleger und Träger von Versicherungsrisiken, unsere Risikokontroll- und Risikomanagementsysteme auf höchstem Niveau stets weiter zu entwickeln. Dazu gehört auch, unsere Mitarbeiter für mögliche Gefahren zu sensibilisieren und eine Risikokultur zu schaffen, in der Spekulation keinen Platz hat.

SZ: Als Sie im vergangenen Frühjahr Ihr Wachstumsprogramm "Changing Gear" vorstellten, forderten Sie auch ein neues Denken bei den Mitarbeitern. "Hindernisse im Kopf" wollten Sie damals beseitigen. Ist es Ihnen seitdem gelungen, die Konzernkultur umzudrehen?

Bomhard: Wir haben große Fortschritte gemacht und sind stolz auf das Erreichte. Das Kulturthema wird uns aber nicht nur ein oder zwei Jahre beschäftigen, sondern weitaus länger.

SZ: Aber Sie verlangen von Ihren Mitarbeitern inzwischen mehr Leistung.

Bomhard: In der Tat höre ich häufig bei Mitarbeitern "Wir können doch nicht mehr leisten. Wir arbeiten bereits am Limit." Und das stimmt in den meisten Fällen. Aber darum geht es nicht. Wir wollen vielmehr unsere Energien in die richtige Richtung lenken und allen deutlich machen, dass Leistung sich lohnt. Das bringt mit sich, dass wir Minderleistung ebenso deutlich ansprechen wollen und den betroffenen Kollegen Möglichkeiten bieten, etwaige Defizite gezielt, etwa mit Weiterbildungsmaßnahmen, anzugehen.

SZ: Ist es schwierig, die Firmenkultur der Münchener Rück zu drehen?

Bomhard: Nicht schwierig in dem Sinne, dass wir etwa vor einer großen Behäbigkeitsschwelle stehen. Wir hatten aber drei Jahre mit Rekordergebnissen, das macht es nicht einfacher. Es wäre auch sicher nicht gut, über Nacht alle Mauern einzureißen. Damit meine ich die Errungenschaften, auf die wir stolz sind, zum Beispiel unseren Wertekodex. Durch unsere ehrwürdigen Mauern muss der Unternehmergeist frei wehen können. Es ist im Detail oft ein Drahtseilakt, aber es ist machbar, und wir machen es gerade.

SZ: Werden Sie noch weitere Stellen abbauen?

Bomhard: Changing Gear ist kein Stellenabbauprogramm, sondern ein Unternehmensbeschleunigungsprogramm. Wir stampfen hier keine Stellen ein, sondern verlagern sie je nach Bedarf in die operativen Einheiten.

SZ: Investoren haben schon lange allen Grund, unzufrieden zu sein. Ihr Aktienkurs steht bei rund 116 Euro. Als der Dax 2001 ähnlich hoch stand wie heute, waren Münchener-Rück-Papiere 370 Euro wert. Da läuft doch etwas falsch?

Bomhard: Ich gebe zu, das Jahr begann auch für unsere Aktie sehr schlecht. Die Finanzdienstleister sind in der Defensive - alle. Zunächst muss nun die Unsicherheit wieder aus dem Markt verschwinden. Was wir letztlich wollen, ist eine stetige Entwicklung bei den Ergebnissen, also wenig Volatilität. Wir wollen keine Bocksprünge bei den Zahlen und an der Börse.

SZ: Da gibt es aber eine Reihe von Investoren, die erwarten von Ihnen jetzt Bocksprünge.

Bomhard: Da ist die Frage, was in diesem Kontext ein Bocksprung ist. Wenn man die Aktie für unterbewertet hält, ist ein Aufholen für mich kein Bocksprung. Und wenn sich der Pulverdampf der Kreditkrise erst einmal verzogen hat, wird sich auch die Spreu vom Weizen trennen. Ein Bocksprung wäre es, würde man durch Maßnahmen kurzfristig den Aktienwert steigern und dabei langfristig Wert zerstören.

SZ: Zum Beispiel durch einen Verkauf Ihrer Erstversicherungstochter Ergo.

Bomhard: Das wäre so ein Beispiel. Das schafft möglicherweise kurzfristig Wert, beraubt das Unternehmen aber langfristig seiner Entwicklungschancen. Das wäre ein Strohfeuer.

SZ: Also werden Sie Ergo nicht verkaufen?

Bomhard: Richtig. Denn wir haben mit der heutigen Aufstellung sehr gute Ergebnisse erreicht und das Potenzial für weitere Steigerungen.

SZ: Investoren fordern aber genau dies. Und verweisen dabei gerne auf Ihren Konkurrenten Swiss Re, der auch ohne Erstversicherung auskommt.

Bomhard: Das täuscht. Viele Rückversicherer betreiben heute de facto auch Erstversicherung. Die Übergänge sind da inzwischen fließend. Wir sagen, dass wir in unserem Rückversicherungsportfolio schon heute um die 15 Prozent erstversicherungsnahes Geschäft haben. Beides lässt sich oft kaum auseinanderhalten, und es wäre nicht klug, sich "formal" nur auf Rückversicherung zu beschränken. Der Markt funktioniert schon lange nicht mehr so. Wir sind hier sicherlich sehr deutlich in der Kommunikation und damit Vorreiter.

SZ: Ihre Tochter Ergo soll ihren Gewinn bis 2012 von 600 auf 900 Millionen Euro und die Prämieneinnahmen von 16 auf 23 Milliarden Euro steigern. Wie soll das gehen?

Bomhard: Ja, das sind ambitionierte Ziele, aber das bedeutet nicht, dass wir sie nicht erreichen. Ergo wird vor allem auf Auslandsmärkten wachsen, und dies profitabel, das ist mir besonders wichtig. Denn Beitragswachstum allein interessiert uns nicht. Zudem sehen wir für die kommenden Jahre ein Wiedererstarken unseres deutschen Lebensversicherungsgeschäfts.

SZ: Wird ein Abspalten von Ergo realistischer, wenn Ergo-Chef Torsten Oletzky seine Gewinnziele nicht erreicht?

Bomhard: Das ist eine hypothetische Frage. Herr Oletzky ist ein ehrgeiziger Manager, deswegen braucht man ihn nicht zur Jagd zu tragen. Und er hat die Unterstützung der Münchener-Rück-Gruppe. Müsste ich die beiden Ziele priorisieren, so kommt das Ertragsziel klar vor dem Beitragsziel.

SZ: Wird Ergo rein organisch wachsen oder planen Sie hier Zukäufe?

Bomhard: Es wird mit Sicherheit auch Zukäufe geben. Ergo ist in der Lage, in Deutschland als Konsolidierer aufzutreten. Allerdings sind die Möglichkeiten hier zurzeit sehr begrenzt. Aber wenn sich etwas bewegt, wären wir sicherlich mit dabei. Wir sind integrationsfähig - und erfahren und könnten leicht einen Erstversicherer aufnehmen. Am wahrscheinlichsten sind Übernahmen aber im Ausland. Allerdings waren die Preise dort bislang sehr hoch. Dies könnte sich jetzt durch die Kreditkrise ändern. Wenn die Früchte wieder tiefer hängen, greifen wir gern zu.

SZ: Über 60 Prozent Ihrer Anteile liegen in den Händen ausländischer Investoren, 15 Prozent werden von Hedge-Fonds gehalten. Sie waren jahrelang über eine Aktienverschränkung mit der Allianz vor feindlichen Übernahmen geschützt. Erst vor zwei Wochen hat der Versicherer seinen Münchener-Rück-Anteil auf zwei Prozent gesenkt; gleichzeitig gilt Ihre Aktie als unterbewertet. Sie sind gut am Markt positioniert, verfügen über hohe Barmittelbestände und sind aus Sicht von Investoren "zerschlagbar". Damit sind Sie ein ideales Opfer für eine feindliche Übernahme, finden Sie nicht auch?

Bomhard: Das ist alles nicht so ganz einfach. Jeder, der Übernahmephantasien schürt, treibt damit den Kurs, was uns sicherlich nicht stört, und wenn er vorher die Aktie schon hielt, hat er schon allein dadurch gewonnen. Aber die entscheidende Frage ist, kann er nach einer Übernahme wirklich mehr Ertrag erwirtschaften als der frühere Eigentümer, ohne den Wert des Unternehmens zu zerstören? Ich denke, das ist nicht möglich, und deshalb ist eine Übernahme wenig wahrscheinlich.

SZ: Welche Rollen spielen aggressive Investoren heute bei Ihnen?

Bomhard: Viele unserer Investoren sind heute aktive Aktionäre, das heißt, sie hinterfragen sehr kritisch, was wir tun oder nicht tun. Und das begrüßen wir. Die Top-50-Investoren kenne ich fast alle persönlich. Immerhin halten sie über 50 Prozent unserer Aktien. Und von diesen 50 Top-Investoren ist sicherlich die Hälfte sehr aktiv und interessiert, sie haben wöchentlichen Kontakt mit uns. Und sehr regelmäßig gibt es ein Gespräch mit mir oder Herrn Schneider, unserem Finanzchef.

SZ: Einer der aktiven Investoren ist der schwedische Finanzinvestor Cevian Capital, der drei Prozent Ihrer Anteile hält. Über die Presse hat er bisher nur ventiliert, dass er auf einen höheren Aktienkurs bei Ihnen dringt. Wie das erreicht werden soll, darüber wurde bisher nichts bekannt. Hat er Ihnen bei Ihren Gesprächen mehr gesagt?

Bomhard: Die Aussagen sind bisher nicht konkreter als das, was in der Presse steht.

SZ: Aber der Druck eines solchen Investors muss Ihnen doch schlaflose Nächte bereiten.

Bomhard: Überhaupt nicht. Es ist angesichts unserer Ergebnisse eben sehr schwer, wesentliche Ertragssteigerungen zu erreichen. Aber damit das klar ist, wenn es interessante und nachhaltige Ideen für Verbesserungen gibt, sind wir immer offen und dankbar.

SZ: Im April treffen sich Ihre Aktionäre zur Hauptversammlung. Rechnen Sie damit, dass aktive Aktionäre Ihre Forderungen vorlegen werden?

Bomhard: Das müssen wir sehen; bis zur Hauptversammlung sind es noch einige Wochen.

SZ: Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einem "Risikobegrenzungsgesetz". Danach sollen Gesellschaften, die sich mit mindestens zehn Prozent an börsennotierten Unternehmen beteiligen, sowohl Auskunft über die Herkunft der Mittel als auch ihre Ziele geben. Das müsste Ihnen doch entgegenkommen.

Bomhard: Wir sind froh über jeden Aktionär, der Interesse an unserem Unternehmen hat. Wir möchten aber auch wissen, wer bei uns investiert ist. Initiativen, die für mehr Transparenz sorgen, begrüßen wir ausdrücklich.

SZ: Sie haben zuletzt Sterling gekauft, einen auf Senioren spezialisierten Krankenversicherer. In Irland haben Sie das Softwareunternehmen Allfinanz übernommen, in den USA den auf Fertighäuser und Boote spezialisierten Versicherer Midland. Sie nennen das "Nischenstrategie". Vielen Branchenkennern leuchtet die aber noch nicht so genau ein - die kritisieren das als "Patchwork-Strategie". Die letzte wirklich große Akquisition - die American Re - ist dagegen schon zwölf Jahre her. Wäre es nicht mal wieder an der Zeit, einen großen Brocken zu schlucken?

Bomhard: Unsere jüngsten Akquisitionen realisieren lange festgelegte Strategien. Im internationalen Gesundheitsgeschäft erwarben wir den Spezialversicherer Sterling. In der US-Rückversicherung ergänzt Midland unsere bestehenden Aktivitäten in Nischen der Erstversicherung. Größe ist für uns jedenfalls kein Wert an sich, es muss strategisch passen und der Preis muss stimmen. Deswegen ist es im Augenblick wahrscheinlicher, dass wir bei Akquisitionen zwischen 50 Millionen und einer Milliarde Euro investieren. Einen großen Deal in der Erst- oder Rückversicherung sehe ich derzeit nicht.

SZ: Könnten Sie sich vorstellen, eine Bank dazuzukaufen und als Allfinanz-Konzern aufzutreten?

Bomhard: Nein. Sie werden uns nicht als strategischen Investor im Bankenbereich finden. Uns genügen Kooperationen, wie die mit der Unicredit.

© SZ vom 26./27.1.2008/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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