Nichts ist mehr wie es war:Wohnung als Ware

Das Geschäft mit den Immobilien hat sich radikal verändert.

Nikolaus Piper

Es ist nur wenige Jahre her, da galt der deutsche Immobilienmarkt als langweilig. Die deutsche Bevölkerung schrumpft, die Wirtschaft wächst langsam, der Mietmarkt ist überreguliert. Wer wollte unter solchen Bedingungen noch Geld in Immobilien stecken?

Von wegen. Seit ausländische Investoren deutsche Immobilien entdeckt haben, ist nichts mehr wie es war. Die Stadt Dresden hat ihren kompletten Wohnungsbestand veräußert und das Geld zur Schuldentilgung eingesetzt; andere Kommunen werden folgen.

Die nordrhein-westfälische CDU/FDP-Regierung will die landeseigene Immobiliengesellschaft LEG veräußern. Und das Bundesverfassungsgericht legt dem überschuldeten Berlin nahe, doch auch einmal über Wohnungsverkäufe nachzudenken.

Ein Beispiel für den rasanten Wandel ist die Gagfah, die Immobilientochter des Finanzinvestors Fortress. Das Unternehmen, 1918 als ,,Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten'' in Berlin gegründet, gehörte jahrzehntelang der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund). Ende 2004 verkaufte die Rentenversicherung die Wohnungen an Fortress, die Gagfah diesen Monat an die Börse brachte.

Beispiel Gagfah

Gagfah steht für eine Entwicklung, die vielen Menschen Angst macht: Die Wohnung wird zur Ware, die Mieten steigen, und Kündigung droht jedem, der nicht in der Lage ist, mehr für die Ware Wohnung zu zahlen. Oder, auf Münteferings Art formuliert: Heuschrecken bedrohen das soziale Wohnen.

Die Angst hat unmittelbar politische Folgen. Die SPD-Linke hat dafür gesorgt, dass das Bundesfinanzministerium in Sachen Wohnungswirtschaft und Kapitalmarkt zurückgezuckt ist. Die so genannten Real Estate Investment Trusts (Reits), ein neues Instrument, das den Börsengang von Immobilienunternehmen wesentlich erleichtern soll, gelten nun doch nicht für die Wohnungswirtschaft.

Die Angst der Mieter ist zunächst einmal verständlich. Immer wieder macht jemand Erfahrungen mit ruppiger ,,Entmietung'' und anderen Auswüchsen der Immobilienspekulation. Und selbst wenn alles mit rechten Dingen zugeht, ist es für viele, besonders ältere Menschen, bedrückend, die vertraute Wohnung verlassen zu müssen.

Wohnungen sind besondere Güter, sie stiften Heimat. Es ist auch nicht gleichgültig, wen man als Nachbarn hat, der Wechsel vieler Mieter kann ein ganzes Stadtviertel verändern. Wohnen hat, ökonomisch gesprochen, hohe externe Effekte. Selbst der radikalliberale Ökonom Friedrich A. von Hayek hat sich in einer heute wenig beachteten Passage in seinem Hauptwerk ,,Die Verfassung der Freiheit'' wegen dieser externen Effekte für Stadtplanung ausgesprochen.

Wohnung als Ware

Die Frage ist nur, ob der Staat der Besonderheit des Gutes Wohnung dadurch Rechnung tragen sollte, dass er möglichst viele davon selbst verwaltet. Anders gewendet: Schadet es wirklich Mietern und Kommunen, wenn die Wohnungswirtschaft dem Kapitalmarkt geöffnet wird? Zunächst einmal sollte nicht vergessen werden, dass der umfangreiche öffentliche Wohnungsbestand in Deutschland zu einem Teil das Ergebnis der Katastrophen des 20. Jahrhunderts ist.

Die Gagfah wurde gegründet, als der Erste Weltkrieg zu Ende ging. Nach 1945 war der öffentliche oder öffentlich geförderte Wohnungsbau zwingend wegen des extremen Mangels in den kriegszerstörten Städten. In dieser Mangelsituation, die bis in die siebziger Jahre hinein anhielt, baute auch die gewerkschaftseigene Neue Heimat Millionen von Wohnungen. Nach deren Pleite Mitte der achtziger Jahre gingen viele dieser Wohnungen in den Besitz von Ländern und Kommunen über.

Kapitalmarkt als Chance

Aus der Distanz betrachtet normalisiert sich der deutsche Immobilienmarkt jetzt. Waren sind Wohnungen schon immer gewesen, nun, da sich Angebot und Nachfrage normalisiert haben, geht es wie in anderen reifen Märkten um mehr Effizienz. Bemerkenswert ist eigentlich nur, dass es erst ausländischer Investoren bedurfte, um den normalisierten deutschen Immobilienmarkt zu entdecken.

Viele Politiker fürchten, dass die Kommunen ein Instrument der Sozialpolitik und der Stadtplanung aus der Hand geben, wenn sie ihre Wohnungen verkaufen. Aber wer durch Duisburg, Essen, Berlin oder andere Städte mit sozialen Problemen geht, der mag nicht so recht glauben, dass die Kommunen dieses Instrument noch nutzen können. Die Wohnungen erwirtschaften oft längst nicht das Geld, das notwendig wäre, um ihre Substanz zu erhalten. Am entschiedensten ist Münchens Oberbürgermeister Christian Ude gegen den Verkauf städtischer Wohnungen - kein Wunder: Er herrscht über die reichste Großstadt Deutschlands und kann es sich leisten.

Tatsächlich ist der Kapitalmarkt für die Städte eine Chance. Mehr Effizienz in der Wohnungsbewirtschaftung kann auch die Qualität der Quartiere heben, sie ist somit auch eine sozialpolitisch relevante Größe.

Wohnungsverkauf kann zur Entschuldung beitragen, wenn gleichzeitig die Struktur der Haushalte verbessert wird. Der Mietmarkt muss weiter reguliert werden, wohl wahr, wobei zu untersuchen wäre, welche Schutzvorschriften wirklich noch schützen.

Und in der Stadtplanung kann eine entschuldete Gemeinde allemal mehr bewirken, als eine Stadt, die kein Geld hat und sich mit einem sanierungsbedürftigen Wohnungsbestand herumschlagen muss.

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