Neuverschuldung:Steinbrück - noch schlimmer als Waigel

Folgen der Wirtschaftskrise: Weil die Steuereinnahmen wegbrechen, braucht der Finanzminister bis Ende 2010 zusätzlich 145 Milliarden Euro.

Guido Bohsem

Die Rezession treibt die Neuverschuldung des Staates auf Rekordhöhe. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) kündigte am Donnerstag in Berlin für 2009 eine Kreditaufnahme von bis zu 55 Milliarden Euro an. Das sind 18 Milliarden Euro mehr als bislang vorgesehen.

2010 werden rund 90 Milliarden Euro in der Kasse fehlen. Pro Einwohner wären das mehr als 1100 Euro.

Der Minister kündigte an, Ende Mai den zweiten Nachtragshaushalt des Jahres vorzulegen und damit den Kreditrahmen zu erweitern. Den bisherigen Schuldenrekord hält Theo Waigel (CSU), der 1996 umgerechnet rund 40 Milliarden Euro aufnehmen musste. Auch auf die Länder und Gemeinden kommen in diesem und im kommenden Jahr neue Schuldenrekorde zu.

Tiefe Löcher in den Kassen

Es ist vor allem die von der Wirtschaftsflaute geprägte Entwicklung der Steuereinnahmen, die tiefe Löcher in die öffentlichen Kassen reißt. Nach am Donnerstag in Bad Kreuznach abgeschlossenen Berechnungen der Steuerschätzer wird der Staat in den kommenden vier Jahren rund 316,3 Milliarden Euro weniger einnehmen als bislang erwartet. Die Summe belastet den Bund in etwa zur Hälfte, die andere Hälfte fehlt Ländern und Gemeinden. Erst 2013 sollen die Einnahmen mit 575,1 Milliarden Euro wieder über dem Niveau von 2008 liegen, als die Steuerzahler noch 561,2 Milliarden Euro an den Fiskus abtraten. Noch im vergangenen Jahr war die Bundesregierung davon ausgegangen, 2011 ohne neue Schulden auskommen zu können.

"Diese Zahlen sind ziemlich bedrückend", sagte Steinbrück. Er sprach von einer Entwicklung, die es nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben habe. Sie bringe die Haushaltspolitik in eine sehr schwierige Lage. Er schloss Steuersenkungen aus, die über die im Konjunkturpaket beschlossenen hinausgehen. "Jedes weitere Versprechen von Steuersenkungen ist Schall und Rauch, damit drücke ich mich sehr zurückhaltend aus", sagte er.

Er reagierte damit auf die Ankündigungen von CDU und CSU, in der kommenden Legislaturperiode die Einkommensteuer senken zu wollen. Das Vorhaben der eigenen Partei, jenen einen Bonus von 300 Euro zu zahlen, die keine Steuererklärung abgeben, nahm er von seiner Einschränkung aus. Das Vorhaben belaste die Staatskasse nicht, weil die SPD eine Börsenumsatzsteuer einführen und die Steuern für Besserverdienende erhöhen wolle.

Gleichzeitig sprach sich Steinbrück auch gegen Steuererhöhungen aus. "Das halte ich für ausgeschlossen, dass wir in dieser Krise Steuern erhöhen", sagte er am Abend im ZDF mit Blick auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Er werde nichts tun, was Arbeitsplätze gefährde.

Seehofer hält an Steuersenkung fest

CSU-Chef Horst Seehofer hingegen bekräftigte seine Forderungen nach einer umfangreichen Steuersenkung. Die Politik dürfe angesichts der Zahlen der Steuerschätzung nicht in eine Schockstarre verfallen. Die Entlastung von Familien, Leistungsträgern und des Mittelstandes bei Steuern und Abgaben müsse ganz oben auf der Agenda bleiben. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Meister (CDU) betonte, nun müssten Wachstumskräfte freigesetzt werden, um zu Haushalten ohne neue Schulden zu kommen. "Deshalb sind niedrige, gerechte und vor allem einfache Steuersysteme erforderlich." CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte: "Wir brauchen mehr Netto vom Brutto."

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete die Einlassungen der Union als Steuersenkungs-Phantasien. Sie seien realitätsfern und gefährlich, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki.

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