Neuordnung der Banken:Im Rausch der eigenen Größe

Wer sich zu sicher fühlt, macht Fehler - keiner hat das so eindrucksvoll vorgemacht wie die Banken. Die US-Regierung will durchgreifen.

Hans von der Hagen

Der Irrsinn steckt in vier Worten: "Too big to fail." Wer glaubt, hinter dieser Formel verberge sich nur eines von vielen Problemen, die die Finanzkrise möglich gemacht haben, irrt. "Zu groß, um zu scheitern" - das war und ist das Kernproblem. Darum versuchen die Regierungen beidseits des Atlantiks eine Lösung zu finden: Sowohl Präsident Barack Obama in den USA als auch die EU-Kommission wollen jetzt die Abwicklung von Banken erheblich vereinfachen.

Frankfurt, Getty

Banken sollen beherrschbar werden. Jetzt rätseln Regierungen, wie das gehen soll

(Foto: Foto: Getty)

Gewiss, immer wieder in der Wirtschaftsgeschichte hat die scheinbare Unverwundbarkeit von Unternehmen und Institutionen zu gravierenden Fehleinschätzungen geführt. Noch nie indes waren die Auswirkungen so fatal wie in der aktuellen Krise - weil besonders die Finanzriesen zuletzt offenbar systematisch auf dieses Prinzip gesetzt hatten.

Nicht nur in den USA, wo Versicherungsgiganten wie AIG jedes denkbare Geschäft absicherten. Auch in Deutschland ließ es sich beobachten: Kleine Landesbanken verkauften Papiere, die den Zahlungsausfall großer europäischer Staaten versicherten, winzige Banken sicherten den Konkurs riesiger Finanzinstitute wie der Deutschen Bank ab.

Wie war so etwas möglich? Weil als unverrückbare Doktrin in den Köpfen der Banker zementiert war: Nichts kann passieren - im Zweifel hilft schon jemand: die Zentralbank, der Staat, der Internationale Währungsfonds, die Weltgemeinschaft.

Lehman hilft nicht

"Too big to fail" - das vernichtete jede Sorgfalt. Plötzlich trauten sich die Banken, sogar systemische Risiken abzusichern, die bis dahin als untragbar galten.

Darum erst konnte die Pleite der US-Investmentbank Lehman auch einen so verheerenden Schaden anrichten. Sie zerstörte - vorübergehend - alle Selbstgewissheit.

Lehman war nach der einschlägigen Logik eigentlich auch zu groß, um die Bank pleitegehen zu lassen. Niemand wollten keinem mehr trauen - und der Finanzmarkt schien zwangsläufig zusammenbrechen zu müssen.

Am Ende hat der Fall Lehman mit seinen desaströsen Auswirkungen aber genau das Gegenteil dessen bewirkt, was er eigentlich erreichen sollte. Die Banken sind nicht vorsichtiger geworden, sondern jetzt wissen alle erst recht, dass "systemrelevante Banken" gerettet werden.

Seither ist auch dem letzten Finanzminister klargeworden, dass nicht er am längeren Hebel sitzt. Diese Position gebührt den Chefs der großen Banken. Darum drängt mit Macht das Thema Konzerngröße auf die Tagesordnungen, in den USA ebenso wie in Europa. Überall geht es um die Frage: "Wie erreichen wir, dass uns die Banken nicht erneut über den Kopf wachsen?"

Eine Antwort, die gleichermaßen Minister beruhigt, Wähler triumphieren lässt und das internationale Bankgeschäft weiterhin möglich macht, hat freilich noch keiner gefunden.

Unklar ist beispielsweise, ob viele kleinere Finanzinstitute, die im Falle einer Krise nacheinander kollabieren, am Ende nicht größeren Schaden anrichten als ein großes Institut, das zusammenbricht.

Die wichtigste Frage: Wird es eine grenzüberschreitende Lösung geben? Erst damit wäre es möglich, ein solches Problem anzupacken. Zu oft werden ökonomische Fragen durch nationales politisches Kalkül verharmlost.

So kommt es, dass Regierungen wie zuletzt gesehen zwar die Kreditwirtschaft domestizieren wollen, andererseits aber emsig die neuen Bankkonzerne mitformen, die im internationalen Wettbewerb ganz vorne stehen sollen. Wie soll da das Prinzip "too big to fail" zu Fall kommen?

Solange in den Vereinigten Staaten und Europa die Regierungen getrennt vor sich hinwerkeln, brauchen Banken nicht zu befürchten, dass sie jemand nachhaltig bei ihren Geschäften stört. Im Gegenteil: Findige Finanzingenieure werden im Nu neue Produkte entwickeln, mit denen sich mit den unterschiedlichen nationalen Vorschriften Geld verdienen lässt.

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