Neues Meldegesetz:Auszugsbescheinigung, bitte!

Wer umzieht, braucht eine Bestätigung des Vermieters. So steht es zumindest im Entwurf des neuen Meldegesetzes. Damit sollen Scheinanmeldungen auffliegen. Klingt logisch - scheint aber unpraktikabel.

Thomas Öchsner

In Berlin stürmen nachts um drei Uhr Polizisten die Wohnung eines unbescholtenen Bürgers: Kriminelle haben seine Adresse zur Tarnung von illegalen Geschäften als Wohnsitz angegeben. Unterhaltspflichtige Väter tauchen unter, indem sie beim Meldeamt eine falsche Adresse eintragen. Eltern ziehen zum Schein in ein anderes Stadtviertel, um ihr Kind an einer bestimmten Schule einschulen zu können. Das Melderecht lädt zum Missbrauch ein, weil im Prinzip jeder irgendeinen Wohnsitz nennen kann, ohne dass dies in der Regel kontrolliert wird.

Damit soll nun Schluss sein. Im wegen des Adresshandels heftig umstrittenen Entwurf für das neue Meldegesetz werden Vermieter künftig verpflichtet, dem Meldepflichtigen den Ein- oder Auszug "schriftlich oder elektronisch (. . .) zu bestätigen". Ohne die Unterschrift des Vermieters, im Fachjargon als "Wohnungsgebermeldung" bekannt, würde dann beim Meldeamt nichts mehr gehen. Dies soll, wie es in der Begründung des Gesetzes heißt, "Scheinanmeldungen wirksamer verhindern". Doch gegen den neuen Paragrafen, auf den die Polizei seit Jahren wartet, regt sich bereits Widerstand.

Zweifel am neuen Meldeverfahren

Zwar will keiner Ganoven als ungebetene Untermieter. Trotzdem empfiehlt der Deutsche Städtetag bei den Gesprächen über das Meldegesetz im Bundesrat, "die Wiedereinführung dieser Bescheinigung zu hinterfragen". Die Vermieter-Bestätigung wäre nur sinnvoll, wenn sich die Zahl der Scheinanmeldungen dadurch spürbar senken lasse, sagt Hauptgeschäftsführer Stephan Articus. Dafür lägen aber "keine greifbaren Anhaltspunkte" vor. Ob die Länder diese Frage in die Verhandlungen einbringen werden, ist allerdings noch offen.

Auch die Bundesagentur für Arbeit glaubt nicht daran, dass Sozialbetrug erschwert würde. Die Jobcenter kämpfen bislang oft vergeblich gegen "Scheinbedarfsgemeinschaften". Das sind Paare, die zusammenleben, offiziell aber getrennt sind und sich vom Staat zwei Wohnungen bezahlen lassen, um für beide den jeweils vollen Hartz-IV-Satz und gegebenenfalls die Alleinerziehenden-Zulage zu bekommen. "Der Unterschied kann bis zu 200 Euro im Monat ausmachen", sagt eine Sprecherin der Behörde.

Eine Bestätigung des Vermieters könne daran nichts ändern. Datenschützer sind ebenfalls skeptisch. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein, weist darauf hin, dass bereits vor Jahren einige Bundesländer die Mitwirkungspflicht des Vermieters vorgeschrieben hatten, um sie dann als "zu bürokratisch" wieder abzuschaffen. Auch damals ließ sich, zum Beispiel in Wohngemeinschaften, nur sehr schwer kontrollieren, wer wo genau wohnte.

Irgendwer findet es ja immer gut

Nur die Interessenvertreter der Wohnungseigentümer freuen sich, trotz des Zusatzaufwands. "Ein Vermieter will wissen, wer in seiner Wohnung gemeldet ist", sagt Gerold Happ von der Vereinigung "Haus und Grund Deutschland". Er ist überzeugt, dass die Hemmschwelle, bei der Anmeldung zu tricksen, "künftig höher sein wird". Auch Eltern, die ihren Nachwuchs partout nicht in der Schule mit einem hohen Ausländeranteil haben wollen, wären dann auf eine Gefälligkeitsbescheinigung eines befreundeten Vermieters angewiesen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: