Neuer Vertriebschef Wiswesser:Ein Aufräumer für Ergo

Sexsause in Budapest, Skandale ohne Ende, ständig schlechte Presse - die Arbeit bei Ergo muss in letzter Zeit mitunter belastend gewesen sein. Nun wirft der Vertriebsvorstand hin. Sein Nachfolger Rolf Wiswesser, bisher Deutschlandchef von AWD, soll beim Düsseldorfer Versicherungskonzern ordentlich aufräumen.

Alina Fichter und Hans-Jürgen Jakobs

In früheren Zeiten soll es bei Motivationsterminen der Finanzfirma AWD aus Hannover schon mal zum Einsatz von weißen Elefanten gekommen sein. So die Legende. Sie handelt von Carsten Maschmeyer, dem langjährigen AWD-Chef. Der Aufsteiger aber hat seinen Job längst gewechselt. Und dem noch amtierenden Leiter von AWD Deutschland, Versicherungsprofi Rolf Wiswesser, würde wohl keiner einen Ritt auf dem Elefanten zutrauen. Der 48-Jährige nimmt seine Aufgaben ernst.

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Die Konzernzentrale von Ergo in Düsseldorf: Der neue Vertriebschef Rolf Wiswesser wird hier ordentlich zu tun haben.

(Foto: dpa)

So ernst, dass ihm jetzt ein Versicherungskonzern, der in den vergangenen Wochen in Verruf geraten ist, eine wichtige Funktion zutraut. Wiswesser soll im Düsseldorfer Ergo-Konzern aufräumen - in jenem Unternehmen, das eine Sexsause für Vertreter im Budapester Gellert-Bad organisiert hat und danach in eine Chronik der Skandale verwickelt war. Als Vertriebsvorstand soll der Neue für den Wandel stehen. Schließlich hat der Mutterkonzern Munich Re Besserung versprochen. Auf Anfrage wollten AWD und Ergo keine Stellungnahme abgeben.

Schon sehr kurzfristig, wahrscheinlich zum 1. September, kommt die brisante Personalie nach SZ-Informationen zustande. Dann wird Jürgen Vetter in der Spitze von Ergo ersetzt. Schon seit längerem gibt es Gerüchte über seinen Abgang. Der Vertriebschef sei es leid, zwischen dem Arbeitsplatz in Düsseldorf und der Familie in München zu pendeln. Er klagte offenbar intern über Stress. All die Skandale bei Ergo, jedes Mal groß in der Presse, verleideten ihm das berufliche Leben zusätzlich.

Begonnen hatte die Skandalflut mit der Budapest-Lustreise der besten Vermittler der Hamburg-Mannheimer (heute Ergo). Wenig später wurde bekannt, dass Vertreter der Hamburg-Mannheimer im Jahr 2005 in rund 14.000 Fällen beim Abschluss von Riester-Verträgen fehlerhafte Formulare verwendet hatten, Kunden waren Millionen entgangen. Und Versicherungsvertreter der Victoria, die heute ebenfalls zur Ergo gehört, sollen Verbraucher im Jahr 2009 bewusst falsch beraten haben: Kunden mit Lebensversicherungen wurden dazu gedrängt, ihre Verträge zu kündigen, um das Geld in unrentable Unfallversicherungen zu investieren.

Er wollte einst Berufssoldat werden

Wiswesser kommt als eine Art Feuerwehrmann. Seine Aufgabe wird es sein, einen Richtungswechsel im Vertrieb der Ergo, den der Konzern mit einem Verhaltenskodex für seine Vermittler bereits einzuleiten versucht hat, glaubhaft zu verkörpern und voranzutreiben. Vetters Rückzug war für Ergo-Chef Torsten Oletzky ein Rückschlag. Im Konzernumbau hat der Vertrieb eine Schlüsselrolle.

Neu-Einsteiger Wiswesser hat seinen Job bei AWD in Hannover leidlich erfüllt. Auch hier hatte es einst, eine Folge des Maschmeyerschen Wirkens, reihum Berichte über alte Skandale gegeben. Der Deutschland-Chef mühte sich um einen besseren Ruf. Persönlich hielt sich Wiswesser im Hintergrund. Intern war er der aufmerksame, vielleicht ein wenig blasse Zahlenmann und Policenkenner, der für Stimmung sorgte.

Er ist einen Marathon selbst gelaufen und hat einmal im AWD ein eigenes Team mit 500 Mitarbeitern auf den Lang-Lauf geschickt. In jüngeren Jahren hatte Wiswesser Handball gespielt, und einst wollte er sogar Berufssoldat werden. Doch dann machte er lieber in der Wirtschaft Karriere, beim Versicherungskonzern Allianz. Dort hatte er offenbar einmal mit einer Wettbewerbsanalyse zu tun, bei der AWD gut abschnitt. Wiswesser wechselt nach Hannover, wo er auch Vorstand wurde - der Vertrag hierüber stand zur Verlängerung an.

Im Sommer hat der Mann von AWD einige Redaktionen besucht. Der promovierte Volkswirt wollte sich abgrenzen - von der Maschmeyer-Vergangenheit der eigenen Firma und den Inkorrektheiten bei Ergo, die der ganzen Branche schaden würden. Er schilderte, dass Sexpartys bei AWD undenkbar seien, weil bei Belohnungsterminen die Lebenspartner miteingeladen würden. Es ging um Reisen nach Marokko, alles schön sauber als geldwerter Vorteil versteuert. Vieles wird er bei Ergo anwenden können.

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