Neuer Euro-Rettungsschirm: Vertragstext:Bei Staatspleite zahlt der Steuerzahler

Ein Politikum: Der Entwurf zum neuen Euro-Rettungsschirm ESM ist voller wachsweicher Klauseln. De facto schonen die Bestimmungen Banken, Fonds und Versicherer. Berlin kämpft gegen den Entwurf, ist unter den Euro-Ländern aber isoliert.

C. Hulverscheidt

Die Bundesregierung kämpft, doch ihr Kampf wirkt zunehmend verzweifelt: Geht es nach Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dann werden bei künftigen Staatspleiten in Europa nicht nur die Steuerzahler zur Kasse gebeten, sondern auch jene Banken, Investmentfonds und Versicherer, die mit den Anleihen der betroffenen Länder zuvor glänzende Geschäfte gemacht haben.

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Wenn ein Euro-Staat bislang an den Rand der Pleite geriet, dann gewährten die übrigen Länder der Währungsgemeinschaft rasch Kredit. Derzeit wird an einem Vertragstext für einen neuen Euro-Rettungsschirm gearbeitet. Die private Finanzwirtschaft kommt dabei bislang recht gut davon.

(Foto: dapd)

Der Vertragsentwurf zur Errichtung eines dauerhaften Euro-Krisenvorsorgefonds (ESM), über den die EU-Finanzminister derzeit verhandeln und der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, spricht jedoch eine andere Sprache: Die Passage über die Beteiligung privater Geldgeber an den Kosten einer Umschuldung wird darin im Vergleich zu allen bisherigen Ankündigungen erheblich verwässert.

Der ESM soll Mitte 2013 den bisherigen Euro-Rettungsschirm EFSF ablösen - und in der Folge Staaten, die in Zahlungsnot stecken, mit Krediten unter die Arme greifen. Voraussetzung ist, dass das betroffene Land harte Maßnahmen zur Sanierung des Haushalts und zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit einleitet.

Insgesamt soll der Fonds bis zu 500 Milliarden Euro verleihen können, weitere 250 Milliarden will der Internationale Währungsfonds (IWF) zur Verfügung stellen.

Laut der englischen Fassung des vorläufigen Vertragstexts "kann" eine Regierung im Fall der Überschuldung zudem Verhandlungen mit ihren privaten Gläubigern über längere Tilgungsfristen, geringere Zinslasten oder einen teilweisen Forderungsverzicht aufnehmen.

Neue Bedingung für das Heranziehen von Banken

An anderer Stelle des Entwurfs ist auch die Rede davon, dass sie dies tun "muss" - was aber immer noch nicht heißt, dass die Geldgeber die Umschuldung am Ende auch mitmachen müssen. Darüber hinaus wird in dem Text eine zweite Bedingung für ein Heranziehen der Banken und Fonds genannt, von der bisher nicht die Rede war: Demnach müssen bei der Frage, ob und in welcher Höhe private Institute belastet werden, auch "Ansteckungsgefahren oder mögliche Übertragungseffekte auf andere Mitgliedsstaaten oder Drittländer" berücksichtigt werden.

Weitgehend isoliert

Auf diesen schwammige Passus könnten sich alle Gegner einer Gläubigerbeteiligung im Ernstfall berufen.

EU-Finanzminister-Treffen

Ein Mann, eine Botschaft - und manche Zweifler: Euro-Enthusiast Wolfgang Schäuble inmitten seiner Finanzminister-Kollegen bei einem Treffen in Brüssel.

(Foto: dpa)

Die Bundesregierung hatte die Beteiligung privater Geldgeber an den Kosten künftiger Staatspleiten immer als Voraussetzung für ihre Zustimmung zu einem dauerhaften Euro-Rettungsschirm bezeichnet. Entsprechend unzufrieden ist sie mit den bisher ausgehandelten Vertragsformulierungen.

"Wir haben diesem Entwurf bisher nicht zugestimmt", hieß es am Mittwoch in Regierungskreisen. Allerdings sind Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit ihrer Haltung in Europa weitgehend isoliert. Viele andere Staaten und auch die Europäische Zentralbank (EZB) halten das Ansteckungsrisiko bei einer Beteiligung des Privatsektors für zu hoch. Einige wollen deshalb verhindern, dass der Begriff der Gläubigerbeteiligung im ESM-Vertrag überhaupt nur auftaucht.

Dagegen verlangt der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke sogar eine Verschärfung der bisher ausgehandelten Bestimmungen. Die Regierung stehe hier in der Pflicht, es müsse "alles für eine dauerhafte Stabilitäts-Architektur getan werden", sagt er der SZ. Ähnlich äußert sich SPD-Kollege Carsten Schneider. Merkel hätte schon bei den Beratungen der EU-Regierungschefs Ende vergangenen Jahres "auf einer effektiven Gläubigerbeteiligung bestehen müssen", erklärt er.

Der Vertragstext wirft über die Gläubigerbeteiligung hinaus noch weitere Fragen auf. So ist eine Teilnahme des IWF an ESM-Hilfsprogrammen laut Entwurf zwar "erwünscht", aber nicht obligatorisch. Auch das widerspricht dem, was die Bundesregierung immer erklärt hatte.

Zudem wird dem Währungsfonds in dem Vertrag der Status eines "bevorzugten Gläubigers" eingeräumt. Das bedeutet: Sollte ein Euro-Land Schwierigkeiten dabei bekommen, die Kredite aus einem ESM-Programm zurückzuzahlen, werden zunächst die IWF-Darlehen getilgt und erst dann die des Euro-Fonds'. Sofern dann noch Geld da ist.

Auf Widerstand im Bundestag dürfte auch die im Vertrag verankerte sogenannte Nachschusspflicht stoßen. Sollte das Grundkapital des Fonds aufgrund von Forderungsausfällen unter die vereinbarte Summe von 80 Milliarden Euro fallen, kann das ESM-Direktorium demnach mit einfacher Mehrheit - also gegen den Willen etwa der Bundesregierung - Nachzahlungen der ESM-Mitgliedsstaaten anordnen. Das widerspricht nach Lesart der Bundestagsfraktionen der Budgethoheit der nationalen Parlamente.

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