Neubau:Langer Wunschzettel

Lesezeit: 3 min

Beim Bau passieren manchmal Fehler, es kommt zum Streit. Dann können Schlichtungsstellen helfen. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Die Wohnungsunternehmen wollen mehr, schneller und günstiger bauen. Für die nächste Bundesregierung hat der Bundesverband GdW daher schon jetzt einen Forderungskatalog formuliert.

Von Steffen Uhlmann

Diesmal will Axel Gedaschko der erste sein. Während andere Verbände und Lobbyisten noch über ihren Konzepten und Erklärungen zu den Bundestagswahlen im September nächsten Jahres brüten oder noch gar nicht damit angefangen haben, hat der Chef des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW seinen Forderungskatalog oder Wunschzettel an die künftig Regierenden bereits fix und fertig. Und der ist opulent.

Fast eine Stunde braucht der GdW-Chef, um das Gesamtpaket an Wünschen und Forderungen der Wohnungswirtschaft vorzutragen. Es ist eine Stopfgans, die manches enthält, was der Verband schon längst bei anderen Gelegenheiten immer wieder gefordert hat: wie etwa endlich den "Steuererhöhungswettbewerb" der Kommunen bei der Grundsteuer zu beenden und den Steuersatz auf "investitionsfreundliche" 3,5 Prozent zu senken. Aber auch Neues findet sich in seinem Papier. Darunter der sehnliche Wunsch, in der neuen Bundesregierung endlich geordnete Verhältnisse in Sachen Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und digitale Infrastruktur zu schaffen. In den letzten beiden Legislaturperioden sei die politische Zuständigkeit zu diesen wichtigen Themenfeldern regelrecht "atomisiert" worden, ärgert sich Gedaschko. Mehr noch: sozusagen strafverschärfend für die Betroffenen habe man den Baubereich auch noch personell stark ausgedünnt und dann dem Umweltministerium zugeschlagen. Schuldige nennt er nicht, dafür schlägt der GdW-Chef Alarm. "Die mit Energiewende, Wohnungsknappheit in Ballungsräumen, ausblutenden Schrumpfungsregionen, mit demografischem Wandel und der Integration von Zuwandern verbundenen Herausforderungen können nur bewältigt werden, wenn sie in einem eigens dafür geschaffenen Ministerium gebündelt werden", ist Gedaschko überzeugt. Anders sei das Hauptziel "gutes und bezahlbares Wohnen in Deutschland" nicht zu stemmen.

In diesem Jahr werden statt der anvisierten 400 000 Wohnungen nur 286 000 fertiggestellt

Wie ernst diese wohlfeile Forderung nach einem eigenen Minister oder Ministerin gemeint ist, lässt der GdW-Chef offen. An den Folgen der zersplitterten politischen Zuständigkeiten aber gebe es seiner Meinung nach nichts zu deuteln. "In Deutschland", sagt Gedaschko, "wird zu wenig, zu langsam und zu teuer gebaut." Alle politischen Ankündigungen der vergangenen Monate hätten nicht zum erhofften Ziel geführt, ausreichend bezahlbaren Wohnraum in den Ballungsräumen zu schaffen. Von dem jetzt häufig beschriebenen "Wohnungsbau-Boom" könne keine Rede sein, sagt er. "In diesem Jahr wurden bis einschließlich August 2016 etwa 245 000 Wohnungen genehmigt. Damit werden wir Ende des Jahres immer noch meilenweit von den 400 000 Wohneinheiten entfernt sein, die jährlich gebraucht werden." Und eine Tendenzwende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Dynamik nimmt bei den Wohnungsbaugenehmigungen laut GdW schon wieder ab. So werden dann auch in diesem Jahr statt der anvisierten 400 000 Wohnungen nur 286 000 fertiggestellt.

Für den Verbandschef steht fest, dass Deutschland eine "Wohnungsbaubeschleunigungs-Initiative" dringend nötig hat. Sein Verband hat dazu auch dezidierte Vorstellungen, was in diese Initiative hineingehört. Ganz oben dabei: die zügigere und kostengünstigere Vergabe von mehr Bauland. "Für den innerstädtischen Wohnungsbau brauchen wir eine schnellere und vereinfachte Grundstücksentwicklung und -vergabe nach Konzeptqualität", mahnt Gedaschko an. Dazu kommen müsse eine bundesweit einheitliche Musterbauordnung. Da weiß Gedaschko, dessen Verband 3000 Mitgliedunternehmen mit sechs Millionen Wohnungen vertritt, nur zu gut, wovon er spricht. Seit 1990 habe sich die Zahl der Normen von 5000 auf mehr als 20 000 erhöht - mit allen Folgen auch für die Baukosten und die damit verbundenen Mieten. Um 60 Prozent seien diese Kosten allein seit 2000 gestiegen, rechnet Gedaschko hoch. Zugleich hätten sich die Einkommen in dieser Zeit nur um 23 Prozent erhöht. "Die Lücke zwischen Miete und Einkommen wird immer größer", sagt der GdW-Chef. "Immer mehr Menschen, nicht reich, aber auch keine Transfergeldbezieher, finden in den 30 sogenannten Hotspots kaum noch bezahlbaren Wohnraum." Das aber seien zumeist die Leistungsträger der Gesellschaft.

Gedaschko ist unzufrieden mit der Politik. Sie betreibe in Sachen Wohnen mit Begriffen wie "gemeinnützig oder sozial" zunehmend eine "Label-Politik". Und Maßnahmen wie die Mietpreisbremse oder der jüngste Vorschlag zu einer "neuen Wohnungsgemeinnützigkeit" seien nicht mehr als Placebos und verfehlten schlicht ihre Wirkung.

Auch Geld allein, wie die deutliche Aufstockung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung auf 1,5 Milliarden Euro, genüge nicht, um in den Ballungsräumen ausreichend bezahlbaren Wohnungsraum zu schaffen. Gedaschko fordert daher von der künftigen Bundesregierung, in der gesamten Gesellschaft mehr "Akzeptanz" für die Wohnungsbauprobleme zu schaffen. Und das gleich mal mit einer "deutschlandweiten Kampagne".

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: