Nationen stemmen sich gegen die Finanzkrise:Gemeinsam gegen den "Exzess der Märkte"

Im Kampf gegen die Finanzkrise demonstrieren die G-7-Staaten Geschlossenheit. Die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck an einem milliardenschweren Rettungspaket - schon am Montag berät das Kabinett über die Maßnahmen. Der Mehrheit der Bevölkerung indes macht Krisenkanzlerin Merkel "eher Angst".

Während Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in Washington zusammen mit den Finanzministern der sieben führenden Industriestaaten (G7) einen Aktionsplan gegen die Folgen der Weltfinanzkrise erarbeitet, läuft auch in Deutschland die Suche nach Lösungen auf Hochtouren. Offenbar plant die Bundesregierung ein Eilgesetz zur Rettung der nationalen Banken.

Nationen stemmen sich gegen die Finanzkrise: Frankfurter Bankenviertel: Mit einem Eilgesetz will die Bundesregierung taumelnden Geldinstituten helfen.

Frankfurter Bankenviertel: Mit einem Eilgesetz will die Bundesregierung taumelnden Geldinstituten helfen.

(Foto: Foto: AP)

Erwogen würden Eigenkapitalhilfen, die allein 50 bis 100 Milliarden Euro kosten könnten, meldete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am Samstag. Das Handelsblatt berichtetet indes, das Rettungspaket könnte insgesamt einen Umfang von 300 bis 400 Milliarden Euro erreichen. Die Zeitung berief sich dabei auf Koalitionsexperten.

Für die Eigenkapitalhilfen würde der Staat Anteile an den Kreditinstituten erhalten, die in einer Art "Banken-Treuhand" zusammengefasst werden könnten. Daneben würden weitere Garantien und Liquiditätshilfen erwogen. Das Gesetz solle bereits in den nächsten Tagen auf den Weg gebracht werden. So schnell wie möglich sollten Parlament, Bundesrat und Bundespräsident zustimmen, damit die Hilfsmaßnahmen rasch in Kraft treten könnten.

Das Konzept sei unter Mitwirkung von Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen und dem Wirtschaftsabteilungsleiter im Kanzleramt, Jens Weidmann, erstellt worden. Beteiligt war dem Bericht zufolge Bundesbankpräsident Axel Weber. Die Beamten hätten aber auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Commerzbank-Chef Martin Blessing und Bankenpräsident Klaus-Peter Müller zu Rate gezogen. Weber sowie der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hätten die Bundesregierung vehement gedrängt, staatliche Eigenkapitalspritzen für den Bankensektor möglich zu machen. Nur so könne das Vertrauen zwischen den Banken wieder hergestellt werden, argumentierten sie.

Finanzminister Peer Steinbrück hatte zuvor in Washington erklärt, die Bundesregierung arbeite mit Hochdruck an einem Stabilisierungsprogramm für den gesamten deutschen Finanzsektor. Schon am Montag solle dieses für die Märkte in Deutschland eine "Signalwirkung" haben.

Steinbrücks Ministerium wollte den Spiegel-Bericht noch nicht bestätigen. "Es gibt noch keine Entscheidungen", sagte ein Sprecher.

Bush: USA müssen in der Krisenbewältigung führende Rolle übernehmen

Er verwies auf die laufenden Verhandlungen der wichtigsten Industrienationen in Washington und auf das EU-Treffen der Staats- und Regierungschefs in Frankreich am Sonntag. Die G7-Finanzminister und Notenbankchefs hatten am Freitag einen aus fünf Punkten bestehenden Aktionsplan gegen die Finanzkrise beschlossen. Darin wird eine enge Zusammenarbeit und Koordination der jeweiligen Rettungsbemühungen zugesagt. Die G7 verpflichteten sich, das Überleben aller für den Fortbestand des Finanzmarktsystems wichtigen Finanzinstitute sicherzustellen.

Zugleich ebneten sie den Weg für eine Beteiligung einzelner Staaten zur Rettung angeschlagener Banken: Man stimme darin überein, dass Finanzinstitute nach Bedarf Kapital sowohl von privater wie auch von öffentlicher Seite zur Verfügung gestellt bekommen können. Zudem verpflichteten sich die Finanzminister und Notenbanker, Banken-Einlagen umfangreich zu garantieren. Von ihrem Aktionsplan versprechen sich die G7 eine Beruhigung der Börsen und Kreditmärkte weltweit.

US-Präsident Bush sieht in einer engen Zusammenarbeit der sieben führenden Industrieländer den Schlüssel zum Erfolg beim Kampf gegen die weltweite Finanzkrise. Er wertete das Treffen als Signal der Geschlossenheit: "Jeder von uns erkennt an, dass dies eine ernste Krise ist, die eine ernsthafte globale Antwort zum Wohl der Menschen erfordert." Sein eigenes Land sieht Bush in einer Führungsrolle bei der Krisenbewältigung: "Die Vereinigten Staaten spielen eine besondere Rolle, wenn es darum geht, die Gegenmaßnahmen zu leiten."

Auch wenn jedes Land entsprechend den jeweiligen Bedingungen in seinem Finanzsektor eigene Lösungsansätze verfolge, komme es doch darauf an, zu kooperieren und ein koordiniertes Vorgehen sicherzustellen, sagte Bush. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die nationalen Rettungsaktionen nicht miteinander kollidierten.

Russland fordert schnellen G-8-Krisengipfel

Unterdessen hat Russland einen baldigen Krisengipfel der G 8 gefordert. An dem Treffen sollten auch wichtige Schwellenländer wie China, Brasilien, Indien, Südafrika und Mexiko teilnehmen, sagte Außenminister Sergej Lawrow nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

"Wir sind uns einig, dass auf hoher Ebene ein Treffen nötig ist, das über die klassische Gruppe der Acht hinausgeht", sagte Lawrow, der sich in Dortmund gemeinsam mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier ein Qualifikationsspiel der russischen und deutschen Nationalmannschaften für die Weltmeisterschaft 2010 ansehen wollte.

Merkel: Rettunsplan soll bis Montag stehen

Die Euro-Staaten wollen sich am morgigen Sonntag koordinieren: Dort will Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutschen Rettungsmaßnahmen offenbar abstimmen. Sie sagte mit Blick auf die Spekulationen über das milliardenschwere Rettungspaket: "Am Montag wird Klarheit sein." Agenturberichten zufolge soll das Bundeskabinett am Montag das geplante Rettungspaket beraten.

Merkel sagte, eine vollständige Verstaatlichung von Banken komme nicht in Frage. "Wir wollen nicht auf Dauer in die Banken eingreifen, könnten aber Auflagen machen", sagte sie am Rande eines Treffens mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Colombey. "Wir merken, dass staatliche Eingriffe angesichts der unkontrollierten Märkte notwendig sind."

Sarkozy und Merkel betonten, dass der Staat in der "beispiellosen Krise" eine stärkere Rolle spielen müsse. "Wir erleben im Moment einen Exzess der Märkte, der wieder eingezwängt werden muss in eine soziale Ordnung", sagte Merkel. Der französische Staatschef erklärte, Europa bleibe nur handlungsfähig, wenn Deutschland und Frankreich "im vollsten Vertrauen und in beispielhafter Freundschaft zusammenarbeiten".

Erst vor einer Woche hatten sich Merkel und Sarkozy beim Gipfel der vier europäischen G-8-Staaten in Paris getroffen. Dabei war es zu Spannungen gekommen, weil Berlin einen von Paris vorgeschlagenen EU-Rettungsfonds für angeschlagene Banken kategorisch abgelehnt hatte. Am Samstag zeigten sich beide Politiker in dieser Frage einig. Ein EU-Rettungsplan mache keinen Sinn, weil er im Notfall zu schwerfällig wäre, um Banken vor der Pleite zu bewahren, sagte Sarkozy.

Lesen Sie auf Seite 2, was die Bundesbürger zu Merkels Krisenmanagement sagen, welche Pläne das Bundesfinanzministerium hat und wie sich Köhler die Bankerelite zur Brust nimmt.

Gemeinsam gegen den "Exzess der Märkte"

Die Mehrheit der Bundesbürger beobachtet das Krisenmanagement der Bundeskanzlerin mit Sorge. Dies ergab eine Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des Spiegel. Demnach machen der Mehrheit der Befragten die bisherigen Aussagen der Bundesregierung zur Finanzkrise "eher Angst". Nur 28 Prozent schöpfen angesichts der Interventionen von Angela Merkel "eher Mut".

Außerdem glauben 66 Prozent der Deutschen, dass die Kanzlerin ihre Staatsgarantie für deutsche Spareinlagen nicht wird einhalten können, falls sich die Finanzkrise weiter verschärft. Nur 29 Prozent glauben der Umfrage zufolge dem Versprechen Merkels.

Trotz der weltweiten Finanzkrise trauen 58 Prozent der Bundesbürger den Ratschlägen ihrer Bank- und Sparkassenberater. 35 Prozent tun dies nicht, wie eine repräsentative Umfrage des Instituts Emnid im Auftrag der Bild am Sonntag ergab.

Glos arbeitet an Konjunkturprogramm

Parallel zu den Plänen des Bundesfinanzministeriums plant offenbar auch das Wirtschaftsministerium einem Bericht der Berliner Zeitung zufolge offenbar ein milliardenschweres Konjunkturprogramm. Minister Michael Glos (CSU) arbeitet angeblich bereits an einem Gesamtpaket im Wert von 20 Milliarden Euro, mit dem er Bürger entlasten, den Konsum im Inland stärken und kleinere Betriebe fördern wolle. Auch SPD-Vize Andrea Nahles forderte eine Finanzspritze für die Bürger.

Steinbrück dagegen hält nichts von einer Konjunkturspritze. Diese würde wegen des erschütterten Vertrauens von Verbrauchern und Unternehmen wirkungslos verpuffen, hieß es aus seinem Ressort. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministers sagte über die Vorbereitung einer Finanzspritze: "Es gibt zurzeit keine konkreten Pläne für ein milliardenschweres Konjunkturprogramm." Sie verwies jedoch auf ein Treffen von Glos mit Banken und Wirtschaftsverbänden am Montag. Dabei werde auch über "mögliche Maßnahmen zur Wiederherstellung des Vertrauens" gesprochen. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung geht der Minister davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr stagnieren wird. Bisher war er von einem Plus von 1,2 Prozent ausgegangen.

Köhler nimmt sich Banker zur Brust

Unterdessen hat sich auch Bundespräsident Horst Köhler zu Wort gemeldet. Das Staatsoberhaupt hat Deutschlands Bankerelite scharf angegriffen. "Mehr Selbstkritik wäre gut, Menschen, die sagen: Ja, hier haben wir einiges falsch gemacht, und dafür stehen wir jetzt gerade", sagte Köhler dem Spiegel. Die Wirtschaftseliten müssten wieder lernen, "was Maß und Mitte ist, was Bodenhaftung bedeutet". Vor allem in der angelsächsisch geprägten Finanzbranche habe man geglaubt, "aus Nichts Gold machen zu können, und das dauerhaft", sagte der Präsident in einem Interview. Es sei nur noch um die Maximierung der Rendite gegangen.

Gleichzeitig plädierte Köhler für ein "Bretton-Woods II" - eine Konferenz mit dem Ziel, einen internationalen Ordnungsrahmen zu schaffen. Experten sollten sich dort "den Kopf darüber zerbrechen, wie wir der globalisierten Welt Regeln geben". Bei der Bretton-Woods-Konferenz 1944 hatten sich 44 Staaten auf ein neues Währungssystem geeinigt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: