Nach der Senkung der Leitzinsen:Welche Geldanlage sich jetzt noch lohnt

Dax auf Allzeithoch

Dax auf Allzeithoch - die Freude darüber ist eher verhalten.

(Foto: dpa)

Die Börsenkurse boomen, Lebensversicherungen hingegen erwirtschaften kaum noch Zinsen. Seit die EZB den Leitzins auf ein Rekordtief gesenkt hat, wissen Anleger nicht mehr, wie sie ihr Geld gewinnbringend anlegen sollen und flüchten in Aktien. Doch das ist nicht die einzige Möglichkeit.

Von Harald Freiberger, Andrea Rexer und Markus Zydra

Selten war der Jubel bei einem Rekord so verhalten. Der Deutsche Aktienindex (Dax) erreichte am Dienstag im Tagesverlauf mit 8206 Punkten den höchsten Stand seiner Geschichte - höher als beim Internet-Hype im Jahr 2000, höher als vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007. Diesmal ist der Boom an der Börse allerdings kein Zeichen dafür, dass die Wirtschaft floriert. Es ist vor allem Ausdruck eines Notstands: Die Anleger wissen einfach nicht, wohin sonst mit ihrem Geld.

Um die Folgen der Krise zu bekämpfen, hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen vergangene Woche auf ein historisches Tief von 0,50 Prozent gesenkt. Die Phase niedriger Zinsen dauert schon seit Jahren an, ein Ende ist nicht in Sicht. Wenn das Geld fast umsonst ist, hat das tiefgreifende Auswirkungen auf die Kapitalmärkte. Es gibt kein Anlageprodukt, das davon verschont bliebe: Spareinlagen bei der Bank bringen kaum Zinsen, Baukredite sind günstig wie nie, Anleihen sicherer Staaten und großer Unternehmen werfen keine Rendite mehr ab, Lebensversicherungen haben Schwierigkeiten, die versprochenen Zinsen zu erwirtschaften.

Nur eine Anlage scheint zu profitieren: Weil sie sonst kaum Rendite erzielen können, flüchten die Investoren in Aktien. Robert Halver, Experte bei der Baader Bank, fand dafür das passende Bild: "Das billige Geld ist wie Wasser - es sucht sich seinen Weg." Was bedeuten die niedrigen Zinsen für einzelne Anlagen? Und welche Folgen haben sie für Geldanlage und Altersvorsorge?

Werden Immobilienkredite jetzt noch günstiger?

Der Baukredit war noch nie so günstig: Für ein zehnjähriges Darlehen verlangen die Banken in Deutschland im Schnitt 2,3 Prozent per annum. Verglichen mit früher ist das ein Dumping-Preis. Die Kreditinstitute betteln förmlich darum, Immobilien finanzieren zu dürfen. Deshalb kontrollieren die Bankenaufseher regelmäßig, ob die Kreditkonditionen im Kampf um die Kundschaft zu lax geworden sind, doch bislang scheint es keine Immobilienblase zu geben.

Dennoch sind die Haus- und Wohnungspreise in den deutschen Ballungszentren innerhalb von zwei Jahren um rund 20 Prozent gestiegen. Die Deutschen sind im Immobilienfieber, und es wird durch ausländische Investoren noch angeheizt.

Immobilien können eine gute Anlage in diesen Niedrigzinszeiten sein, wenn man einige Regeln befolgt. So sollte die maximale Höhe des Kredits konservativ kalkuliert sein. Hausbauer könnten auch einmal ihren Job verlieren, die Phase bis zur nächsten Beschäftigung muss man finanziell überbrücken können. Zudem sollte der Immobilienkredit langfristig finanziert sein, warum nicht auch über 20 Jahre? Der Zins liegt dann bei rund drei Prozent, was immer noch günstig ist. Zudem kann der Kunde nach zehn Jahren umschulden, sollten die Zinsen bis dahin weiter sinken.

Die Hauspreise steigen nur in den Ballungszentren mit guter Verkehrsanbindung und vielen Jobs, in dünn besiedelten Gebieten fallen die Preise dagegen. Manche Häuser sind unverkäuflich, Dörfer entvölkern langsam. Die Zyklen auf Häusermärkten können sehr lang sein. In Deutschland hatten sich die Preise vor Beginn des jüngsten Booms über ein gutes Jahrzehnt kaum bewegt. Jetzt kam die Wende. Zum Vergleich: In Paris klettern die Immobilienpreise seit zwölf Jahren, in Stockholm seit 15 Jahren. Experten rechnen für Deutschland 2013 mit einer Abschwächung der Preissteigerungen. Viele Eigentümer wollen nicht mehr verkaufen, zudem könnten Mietpreissteigerungen gesetzlich gedeckelt werden. Dann würde die Rechnung für manchen Investor nicht mehr aufgehen.

Lohnt es sich noch, Geld zu sparen?

Es ist die Stunde der Biologen auf den Kapitalmärkten. Sie sprechen von mikroskopischen oder homöopathischen Zinsen, also von Zinsen, die nur noch unter dem Mikroskop oder in extrem verdünnter Form auszumachen sind. Der Sparer bekommt für sein Geld auf der Bank fast nichts, egal, ob er es in Tagesgeld, in Festgeld, in einem Sparbrief oder - die verdünnteste Variante - auf dem Sparbuch liegen hat.

Vor fünf Jahren gab es für Tagesgeld noch 3,3 Prozent Zinsen. Das war der Durchschnitt von mehr als 100 Angeboten deutscher Banken, den das Internet-Verbraucherportal www.biallo.de berechnete. Derzeit liegt dieser Wert bei 0,73 Prozent, und es ist zu erwarten, dass er noch weiter fällt, weil viele Banken die jüngste Zinssenkung noch nicht nachvollzogen haben.

Die Spitzenangebote, zum Beispiel bei Direktbanken, liegen bei 1,65 Prozent, bei einjährigem Festgeld sind es 1,85 Prozent. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Die Inflationsrate ist ebenfalls gesunken, im April betrug sie 1,2 Prozent. Bei den besten Instituten angelegt, erleidet das Geld damit zumindest keinen realen Wertverlust.

"Wer sein Geld sicher anlegen und künftigen Konsum nicht auf Pump finanzieren will, hat keine andere Wahl, als die niedrigen Zinsen zu akzeptieren", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Zwei, drei Monatslöhne sollten als Reserve auf dem Tagesgeldkonto liegen. Was darüber hinausgeht, kann längerfristig, risiko- und ertragreicher investiert werden. Wichtig, das Beispiel Zypern hat es gezeigt: Am besten nicht mehr als 100 000 Euro bei einer Bank anlegen!

Ist der Kauf von Aktien eine sinnvolle Alternative?

Für manche professionelle Investoren ist es sogar die beste. Und zwar nicht, weil Aktien gerade besonders billig wären - sondern weil sie im Vergleich zu anderen Möglichkeiten schlicht die beste Rendite abwerfen. Allerdings ist das Risiko, jetzt einzusteigen, auch nicht zu vernachlässigen: Die Aktienmärkte befinden sich weltweit auf einem Höhenflug. Wer in diesen Wochen kauft, könnte bald eine Bruchlandung erleben, werden all jene sagen, die sich an die Rekordjahre 2000 und 2007 erinnern.

In diesen beiden Jahren hatte der deutsche Leitindex Dax, in dem die 30 größten Unternehmen aufgeführt sind, sämtliche Rekorde gebrochen. 2000 notierte der Dax bei 8136 Punkten, 2007 erreichte er 8151 Punkte. In beiden Fällen folgte auf den Höhenflug das bittere Erwachen. Dass eine solche Korrektur auch jetzt anstehen könnte, will kaum ein Experte ausschließen. Vor allem nicht, weil die Schuldenkrise in Europa noch immer schwelt.

Dennoch glaubt Deutsche-Bank-Portfoliomanager Christoph Ohme, dass die Situation heute für Anleger günstiger ist als 2000 und 2007: "Damals waren die Unternehmen viel höher verschuldet, zudem war das Verhältnis von Kurs zu den Gewinnen insbesondere 2000 schlechter - und obendrein gab es bessere Alternativen, weil damals Anleihen deutlich höhere Renditen abgeworfen haben."

Ohme rechnet vor, dass Ende der Neunzigerjahre, als die Technologie-Euphorie die Märkte antrieb, die Kurse der Dax-Unternehmen, gemessen an den erwarteten Gewinnen, etwa doppelt so hoch waren wie heute. Das bedeutet, dass die Unternehmen damals im Vergleich zu ihrer tatsächlichen Ertragskraft höher bewertet waren. "Wir sehen bei Aktien immer noch Chancen", sagt daher der Experte.

Was bedeutet das für Anleihen?

Wenn man eine sichere Geldanlage sucht, dann sind deutsche Staatsanleihen noch immer eine gute Wahl. Niemand glaubt ernsthaft, dass Deutschland in die Zahlungsunfähigkeit schlittert, während man bei Italien oder Spanien in dieser Frage geteilter Meinung sein kann. Deshalb sind deutsche Anleihen auch so beliebt. Und aus diesem Grund werfen sie nichts mehr ab.Die Nachfrage der vielen Investoren, die für ihr Geld einen sicheren Hafen suchen, drückt die Rendite: Deutsche Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit bieten derzeit 1,2 Prozent Zins; das ist ein Ertrag, der von der Inflationsrate hierzulande vollständig geschluckt wird.

Zum Vergleich: Mitte 2007 lag die Rendite für deutsche Staatspapiere noch bei 4,6 Prozent - bei einer Inflationsrate von 2,3 Prozent. Damals machten Anleger noch Profit, damals lag der EZB-Leitzins bei vier Prozent - jetzt notiert er auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.Fazit: Deutsche Staatsanleihen mögen sicher sein im Jahr 2013, aber verdienen lässt sich nichts mehr damit.

Genauso trübe ist die Lage aus ganz ähnlichen Gründen auch bei US-Staatspapieren und Schweizer Staatsobligationen. Sparer kommen zu kurz. Auch der Markt für Unternehmensanleihen scheint ausgereizt zu sein. Europäische Konzerne guter Bonität bieten ihren Anleihegläubigern im Schnitt nur noch 2,2 Prozent - so wenig wie nie zuvor. Welcher Privatsparer möchte dieses Risiko eingehen? Die Niedrigzinspolitik der westlichen Notenbanken hat den internationalen Anleihemarkt verzerrt.

Natürlich könnten Anleger ihr Geld in italienische und spanische Staatsanleihen stecken, dafür gibt es dann je nach Land zwischen vier und fünf Prozent Rendite. Das ist allerdings nur dann eine angemessene Risikoentschädigung, wenn man davon ausgeht, dass beide Länder langfristig in der Eurozone bleiben. Europäische Staatsanleihen galten noch vor ein paar Jahren als mündelsichere Rentenpapiere - doch diese Zeiten sind vorbei.

Muss man jetzt Angst haben um seine Lebensversicherungen?

Es gab eine Zeit, da hatte Deutschland mehr Lebensversicherungs-Verträge als Einwohner. Die steuerfreie Form der Geldanlage war sehr beliebt - bis der Steuervorteil 2004 weitgehend wegfiel. Inzwischen machen der Branche auch die niedrigen Zinsen zu schaffen: Sie hat den Kunden auf alte Verträge Garantiezinsen von bis zu vier Prozent versprochen, die heute nicht mehr zu erwirtschaften sind. Die Renditen fallen.

Der Informationsdienst Map-Report ermittelte bei Verträgen, in die von 1971 bis 2001 monatlich 100 Euro eingezahlt wurden, eine durchschnittliche Auszahlung von 104 600 Euro. Bei aktuellen Verträgen sind gerade noch 62 055 Euro zu erwarten. Verbraucherschützer Nauhauser spricht von einer "tickenden Zeitbombe". Er beobachtet in seiner Beratungspraxis bei ersten Gesellschaften "juristische Spitzfindigkeiten, um ihre hohen Zinsversprechen nicht erfüllen zu müssen".

Für ihn gibt es heute kaum noch einen Grund, in eine Lebensversicherung zu investieren: "Das Produkt ist die reinste Blackbox. Verbraucher wissen nicht, wie die Versicherung ihr Geld investiert, und sie können sich auch nicht darauf verlassen, die Erträge aus dem eigenen Geld voll gutgeschrieben zu bekommen." Was tun, wenn man eine Lebensversicherung laufen hat? Nauhauser empfiehlt, ältere Verträge mit relativ hohen Garantieversprechen eher nicht voreilig zu kündigen. Bei jüngeren Verträgen kommt es darauf an, ob die Abschlusskosten schon abbezahlt sind, die immer am Anfang der Vertragslaufzeit fällig werden. Wer hier rechtzeitig aussteigt, kann zumindest einen Teil der drohenden Kosten noch vermeiden.

Und was bleibt nun für den, der Geld übrig hat?

Spareinlagen bringen nur Zinsen in homöopathischer Dosis, die Immobilienpreise sind überhitzt, die Aktienkurse auf Höchststand, die Renditen von Staatsanleihen im Tief, Lebensversicherungen lohnen sich nicht mehr - was bleibt überhaupt noch übrig für den Verbraucher, der Geld anzulegen hat und für das Alter vorsorgen muss?

Verbraucherschützer Nauhauser erinnert an das Grundprinzip der Geldanlage, nämlich das Risiko auf möglichst viele Anlageklassen und Laufzeiten zu verteilen. Für größere Anschaffungen ist eine liquide Reserve in Form von Tagesgeld nötig - auch wenn die Zinsen dafür meist unter der Inflationsrate liegen. Geld, das darüber hinaus zur Verfügung steht, kann, je nach Risikoneigung, in länger laufende Sparanlagen, in Staats- und Unternehmensanleihen oder in weltweit investierende Aktienfonds fließen. "Historisch gesehen rentieren Aktien deutlich höher als Spareinlagen, man muss dazu aber in der Lage sein, Durststrecken an der Börse auszusitzen", sagt Nauhauser. Immerhin: Das Geld unter die Matratze zu stecken, bleibt auch in Zeiten niedriger Zinsen die schlechteste Alternative.

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