Süddeutsche Zeitung

Musiktheater:Aus Mord wird Menschlichkeit

In der Festspiel-Werkstatt verwandelt Minas Borboudakis den Film "Z" in eine Oper.

Von Klaus Kalchschmid

1969, als eine Militärdiktatur in Griechenland herrschte, zündete der Film "Z - Anatomie eines Mordes" von Costa-Gavras wie eine Bombe. Er wurde zum Klassiker des Politthrillers, ja begründete ein Genre. Der algerisch-französische Film handelt vom Geschehen um den Anschlag auf den linkssozialen Oppositionspolitiker und Friedensaktivisten Grigoris Lambrakis am 22. Mai 1963 in Saloniki und dem folgenden, vier Jahre dauernden Gerichtsprozess, der als Lambrakis-Affäre in die griechische Geschichte einging. Er deckte die Verwicklung des Staates in den Mord auf und zwang den Ermittlungsrichter ins Exil nach Frankreich.

Bereits 1966 veröffentlichte Vassilis Vassilikos seinen Roman "Z", was auf Neugriechisch ("Zet") so viel wie "Er lebt" bedeutet. Darauf beruht der Film, und darauf stützt sich jetzt das Libretto von Vangelis Hatziyannidis für das gleichnamige Musiktheater von Minas Borboudakis, geboren 1974 im griechischen Iraklion. Während "der Film von Emotionen jeglicher Art desinfiziert ist", so Borboudakis, "denn Costa-Gavras hat sich in aller - großartigen - Nüchternheit ganz auf die Fakten konzentriert", stimmten Komponist und Librettist sofort überein, nicht den Film, sondern das Buch zur Grundlage der zweistündigen Oper zu machen.

Der Roman erzählt nicht nur die Geschichte, sondern enthält auch Monologe und Gespräche von Z mit seinen Verbündeten. "Das mussten wir zwar reduzieren, aber wir haben eine Form gefunden, in der bis zum Mord, der eigentlich nur als Einschüchterung geplant war, ein großes Crescendo der Aktions-Ebene erfolgt, nur von wenig Reflexion unterbrochen. Es folgt als zweiter Teil ein weiteres Crescendo, bei dem die Monologe immer größer und breiter werden und die Szenen der Geschichtserzählung immer kleiner, bis Monolog- und Erzählebene im Epilog, der Beerdigung, eins werden", erläutert Borboudakis. Schon beim Lesen der Monologe hatte er musikalische Gedanken im Kopf: "Ich nenne das den Schwarzweiß-Klang der Musik, wie ich ihn vom Fernsehen in den Siebzigerjahren in Erinnerung habe, als die Bilder nicht farbig, der Ton voller Geräusche und die Musik der Filme slapstickartig und sehr effektvoll comic-haft war." Borboudakis bezeichnet seine Musik "einerseits als sehr rhythmisch, direkt und immer mit Drive, andererseits besitzen die gesprochenen Monologe einen sphärischen Klang". Im Fokus steht der Mensch mit seinen guten und schlechten Eigenschaften: "Ich habe einen politischen Stoff gewählt, aber keine politische, sondern vielmehr eine humanistische Oper komponiert."

Das Stück bewege sich zwischen zwei Polen, erklärt der Komponist, "zwischen Real und Irreal, der Geschichte und den inneren Monologen von Z. Einerseits gibt es eine sehr einfache Straßensprache, andererseits eine sehr poetische, fast philosophische, die Z, seine Frau und zum Teil seine Verbündeten sprechen". Für Z, im Film Yves Montand, in der Oper verkörpert als Sprechrolle von Edmund Telgenkämper, einst Schauspieler der Kammerspiele und heute am Zürcher Schauspielhaus, erfand der Librettist genauso ein eigenes Sprachidiom wie für seine Frau (Noa Beinart), die auch als "Seele" in der Oper erscheint. Die verschiedenen musikalischen, inhaltlichen und szenischen Elemente kontrastieren in der zentralen sechsten Szene in der Mitte der Oper, an deren Ende der Mord geschieht. Der wird durch das Aufheulen des kleinen, dreirädrigen Lieferwagens, der Z überfährt, nur angedeutet. Die geifernde Menge skandiert gegen den Politiker, der in einer flammenden Rede für Frieden einsteht, dazwischen ruft die innere Stimme seiner Frau: "Pass auf dich auf!" Der Chor vom Band stimmt mahnend ein, bevor erneut das Geschehen eskaliert.

Die reduzierte Orchesterbesetzung umfasst nur solistische Streicher, Flöte, Klarinette, Trompete, Schlagzeug, Klavier und E-Gitarre, aber erzeugt mit dem vielbeschäftigten kleinen, vierstimmigen Chor, bestehend aus Mitgliedern des Extra-Chors der Bayerischen Staatsoper, ein Kaleidoskop der instrumentalen wie vokalen Stimmen. Außer Z kommen 13 Sängerinnen und Sänger hinzu, unter anderem in den Rollen der Polizisten (Simon Bailey, Markus Hagenbucher), der Straßenjungs Krabbe (Long Long) und Grille (Joshua Owen Mills), die für den Mord angeheuert werden, des Schreiners Nikitas (Boris Prýgl), der die Polizei vor dem Anschlag warnt, sowie dessen Schwester und Mutter.

Bei der Uraufführung im März 2018 zur Eröffnung der alternativen Bühne der neuen Athener Oper unter Leitung des Komponisten war die Historie nah: Irene Lambrakis, die Enkelin des ermordeten Titelhelden von Film, Buch und Oper, spielte in einer kleinen Rolle mit. Im Publikum saß der einstige Untersuchungsrichter und spätere Präsident Griechenlands von 1985 bis 1990, der 90-jährige Cristos Sartzetakis, im Film dargestellt von Jean-Louis Trintignant, in der Oper gesungen vom Bariton Oğulcan Yilmaz.

Z, Premiere: Mo., 1. Juli, 20 Uhr, Reithalle

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Quelle:
SZ vom 19.06.2019
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