Münzen und Scheine:Das Geschäft mit dem Geld

Geldkreislauf

Kreislauf des Geldes

(Foto: SZ)

Bargeld macht heute nur noch einen kleinen Teil des Zahlungsverkehrs aus, doch hinter den Münzen und Banknoten steht ein komplexes und nicht zuletzt auch teures System. Es berichten: ein Pfandleiher, eine Bankangestellte, ein Münzhändler und ein Geldbegutachter.

Von Markus Zydra; Protokolle: Lea Hampel

Dem früheren amerikanischen Notenbankchef Paul Volcker wird eine gewisse Gehässigkeit gegenüber Banken nachgesagt. Angesprochen auf die Innovationskraft der Branche, soll der resolute Ökonom geantwortet haben, die "einzig nützliche Erfindung" der Kreditwirtschaft sei der Bankautomat gewesen.

Man kann über das harsche Urteil Volckers streiten, doch selten hat sich in der Finanzbranche eine Innovation so viele Jahrzehnte halten können. Bis heute bekommen Verbraucher aus den Automaten ihre Scheine für den kleinen Einkauf um die Ecke oder den Espresso im Straßencafé, aber auch für die große Reise ins Nachbarland.

Dieser Umstand täuscht darüber hinweg, dass Bargeld nur noch einen kleinen Teil der Geldwirtschaft ausmacht. Das meiste Geld wandert per Überweisung von einem Konto aufs andere: Sei es, wenn der Arbeitgeber das Gehalt auf das Konto des Angestellten überweist. Sei es, wenn man im Internet etwas kauft und online bezahlt. Man spricht hier im Gegensatz zum Bargeld vom Giralgeld oder Buchgeld. Das entsteht, sobald die Bank dem Kunden eine bestimmte Kreditsumme gutschreibt und das wieder verschwindet, wenn der Kunde das Darlehen zurückbezahlt.

Ein funktionierender Geldkreislauf ist essenziell für die Wirtschaft

Geld gilt als Schmierstoff der Wirtschaft. Je schneller es zirkuliert, je häufiger es also den Besitzer wechselt, desto mehr wird in einer Volkswirtschaft gehandelt, investiert oder eine Dienstleistung erbracht. So entsteht in aller Regel ökonomisches Wachstum. Ein funktionierender Geldkreislauf ist daher wichtig. In der Euro-Zone stockt dieser Kreislauf seit Jahren: Banken vergeben nur wenige Darlehen, obwohl der Leitzins mit 0,05 Prozent so niedrig wie nie ist und die Europäische Zentralbank (EZB) seit Jahren billiges Geld in die Banken pumpt. Doch die Banken horten das Investitionskapital. Fachleute sagen: Der "geldpolitische Transmissionsmechanismus" funktioniere nicht. Das billige Geld der EZB kommt nicht in der Wirtschaft an.

Zentralbanken sind für die Stabilität der Währung und die Geldversorgung verantwortlich. Doch woher kommt das Geld?

Es sind die Geschäftsbanken, die Geld "schaffen", und zwar immer dann, wenn sie einen Kredit vergeben. Dafür braucht die Bank gar nicht auf die Spareinlagen anderer Kunden zurückgreifen - das Institut bucht den Betrag einfach ein: Wird einem Kunden ein Kredit über eintausend Euro gewährt, erhöht sich die Einlage des Kunden auf seinem Girokonto um eintausend Euro. So ist Buchgeld entstanden. Ein Mausklick reicht dafür. Die Bank schafft Geld aus nichts.

Allerdings muss das Institut für den Kredit bei der Zentralbank einen Sicherheitspuffer hinterlegen. Man spricht von der Mindestreserve, deren Satz in der Euro-Zone bei ein Prozent liegt. Das bedeutet: Wenn die Bank an den Kunden eintausend Euro verleiht, muss sie bei der EZB zehn Euro deponieren. Ein solcher Kredit wird beispielsweise verwendet, um einen Kühlschrank zu kaufen. Meist geschieht das durch Überweisung. Vielleicht möchte der Kreditnehmer aber auch in bar bezahlen.

Das funktioniert so: In Deutschland liefern Druckereien und Münzprägeanstalten Banknoten und Münzen an die Deutsche Bundesbank aus. Benötigt ein Bankkunde viel Bargeld, dann lässt die Hausbank den Betrag von einem Werttransportunternehmen bei einer Filiale der Bundesbank abholen, um es dem Kunden zu geben. So gelangt Bargeld in den Wirtschaftskreislauf.

Wenn der Verbraucher beispielsweise einen Kühlschrank im Geschäft bar bezahlt, wird der Inhaber abends einen Großteil des Betrags wieder bei seiner Bank einbezahlen. Allein schon aus Sicherheitsgründen. Das Bargeld verschwindet wieder aus dem Kreislauf - es wird zurück in Giralgeld gewandelt. Überschüssiges Bargeld, das die Kreditinstitute nicht benötigen, bringen sie zur Bundesbank zurück. Der Betrag wird dem Konto des Instituts, das es bei der Zentralbank unterhält, gutgeschrieben.

Über die Zeit nutzen sich Geldscheine ab, weil sie durch viele Hände gehen. Die Bundesbank sortiert die schlechten - und gefälschten - Scheine regelmäßig aus und ersetzt sie durch druckfrische Banknoten. Je besser die Qualität der umlaufenden Banknoten ist, desto schwerer haben es Geldfälscher, falsche Banknoten in den Bargeldkreislauf zu schleusen. Die aussortierten Geldscheine werden geschreddert, zu Briketts gepresst und entsorgt. Münzen, die nicht mehr umlauffähig sind, werden entwertet und über das Verwertungsunternehmen des Bundes an Metallproduktionsstätten verkauft. So wird das Metall wiederverwertet. Das erlöste Geld geht an das Bundesfinanzministerium und damit an den Steuerzahler. "Die Lebensdauer der Banknoten hängt vom Nennwert ab. Banknoten kleiner Stückelungen (5, 10, 20, 50 Euro) werden nach ein bis vier Jahren vernichtet und ersetzt. Banknoten großer Stückelungen (100, 200, 500 Euro) haben zum Teil eine Lebensdauer von weit über zehn Jahren", so die Bundesbank. Münzen unterlägen einer geringeren Abnutzung.

Weil der Bargeldkreislauf Aufwand verursacht, aber auch Kriminalität ermöglicht - Stichwort Schwarzarbeit - gibt es immer wieder Menschen, die seine Abschaffung fordern. Doch während in den USA selbst der Espresso mit Kreditkarte bezahlt wird, stieße das in Deutschland freilich auf Protest: Die Verbraucher hier bezahlen nach wie vor überwiegend mit Bargeld. Gemessen am Umsatz, so eine aktuelle Studie der Bundesbank, werden 53 Prozent der Waren und Dienstleistungen mit Münzen und Geldscheinen bezahlt.

Münzhändler Hubert Lanz: "Kein Hobby älterer Herren"

Hubert Lanz ist Münzhändler wie einst sein Vater. Eigentlich wollte er nur aushelfen - doch er blieb gleich ganz.

"Es mag schwer vorstellbar sein, aber es gibt mehr Münzsammler als je zuvor - die Euro-Einführung hat einen Riesenschub gebracht. Zudem ist der Markt international geworden, Auktionen werden übers Internet in die ganze Welt übertragen. Und entgegen dem Klischee ist es kein Hobby älterer Herren. Aus den Ebay-Statistiken weiß ich, dass das Durchschnittsalter meiner Kunden bei 43 Jahren liegt. Und während früher die Ehefrauen eher reserviert gegenüber dem Thema waren, begeistern sie sich öfter, seit der Mann am Bildschirm eine Großaufnahme der Münze von Krösus zeigen kann. Die wenigsten Münzsammler sind übrigens reich. Klar sollte man Geld übrig haben, aber im Schnitt kann man 45 Euro für eine Münze von mir ausgeben.

Die Menschen sammeln das alte Geld aus unterschiedlichsten Gründen. Viele fasziniert es, 2000 Jahre Geschichte in der Hand zu halten, andere nutzen das als Anlagemöglichkeit. Manche konzentrieren sich darauf, Münzen von jedem römischen Herrscher zu haben, andere sammeln nach Motiven. Beliebt sind immer noch Goldmünzen. Kupfer und Nickel gelten eher als Gebrauchsgegenstände.

Natürlich hat sich der Münzhandel verändert, das Internet spielt dabei eine wichtige Rolle, aber eine gute. Es gab in den späten 1990er-Jahren einen Hype. Aber traditionelle Auktionen haben online damals nicht funktioniert. Zum Glück war das im reinen Verkauf anders. Ich habe schon 1999 die ersten Münzen übers Internet verkauft und habe bis heute etwa 400 000 Verkäufe über Ebay gemacht. Außerdem habe ich eine Plattform für Auktionshäuser für hochwertigere Ware gegründet, darüber arbeiten heute etwa 120 Händler. Meine Kunden haben sechs verschiedene Möglichkeiten, zu bieten. Ich habe beispielsweise einen Kunden aus Texas, der noch Angebote per Brief schickt, andere verfolgen Auktionen per Live-Videoschalte. Noch sind Versteigerungen auch ein soziales Ereignis, zu dem manche aus dem Ausland anreisen. Wer sich etwas leisten will, der schaut es sich eben doch gern persönlich an - und misstraut in vielen Fällen dem Internet.

Zu mir kommen die Münzen vor allem aus privaten Sammlungen - erst vor Kurzem hat der Sohn eines jahrzehntelangen Kunden dessen Sammlung zur Besichtigung vorbeigebracht. Immer wieder überschätzen Menschen den Wert einer Sammlung. Erst neulich musste ich einer Dame erklären, dass sie maximal 100 Euro bekommt. Nur wenige Münzhändler haben Numismatik studiert, ich habe einen Doktor in Motorbau gemacht. Aber mein Vater hat nach dem Krieg mit Münzen gehandelt. Seit meinem 23. Lebensjahr habe ich im Geschäft mitgearbeitet - aus 14 Tagen aushelfen sind 49 Jahre geworden.

Ich informiere mich viel aus Büchern, weil man sich nur auskennt, wenn man sich ernsthaft damit beschäftigt. Es gibt viele Menschen, die unsere Arbeit kritisieren. Sie erklären, jede Art von Kulturgut müsste in der Erde bleiben oder an Museen gehen. Das finde ich falsch, denn Sammler bewahren ein Kulturgut, und erst durch ihre Leidenschaft wird es überhaupt dazu. Eine Münze an sich ist ja kein Kulturgut - erst dadurch, dass Menschen es als solches schätzen, wird es das."

Bankkauffrau Nadia Dali: "Kunden schätzen den persönlichen Kontakt"

Nadia Dali erzählt von spannenden Kundenbegegnungen in der Reisebank München.

"Ich bin als Quereinsteigerin zur Reisebank gekommen und mag meinen Job sehr, weil ich viel mehr mache, als einfach nur Währungen zu tauschen. Unsere etwa 100 Filialen sind fast schon eine Mischung aus Bank und Reisebüro. Zu uns kommen vor allem Menschen, die auf Reisen gehen, und Touristen, die gerade in München angekommen sind - für sie wechseln wir Geld, erklären bei Bedarf die Münzen und Scheine der unbekannten Währung und geben noch eine Umrechnungstabelle dazu.

Nicht umsonst haben wir am Bahnhof zwei Filialen - die erste liegt gleich in der Halle, wo die Züge ankommen und ist nicht umsonst genau dort, wo sie ist, gegenüber von Gleis elf: Dort kamen früher die Züge aus Italien und der Schweiz an, und dementsprechend besonders viele potenzielle Kunden.

Natürlich sind viele Kunden, die vor einer Reise zu uns kommen, besonders gut gelaunt: Sie planen gerade eine vierwöchige Hochzeitsreise, einen Kurztrip nach New York oder einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt und sind entsprechend euphorisch - aber auch besorgt. Gerade deutsche Kunden wollen immer am liebsten noch einen Plan C zu Plan A und B, sie wollen ganz genau wissen, wie sie Geld geschickt bekommen können, wenn ihnen die Geldbörse gestohlen wird. Aber auch wenn zum Beispiel Abiturienten ins Ausland gehen, nach Australien, sitzen oft die Mädels mit ihren Müttern hier. Da geht es dann zwar darum, wie viel Geld sie für mehrere Wochen brauchen, was passiert, wenn das Geld ausgeht. Es geht aber auch um kniffligere Fragen wie: Wie viel kostet im Zielland die Taxifahrt vom Flughafen und wie kommt man in Südamerika an Geld? Wir erklären dann Details wie beispielsweise, dass man dort lieber mit der Kreditkarte am Automaten abhebt. Unsere Mitarbeiter reisen selbst viel und auch ich empfehle dann schon mal ein Hotel mit einer besonders schönen Terrasse.

Der andere wichtige Teil der Kunden sind Touristen. Vor allem zu Oktoberfestzeiten geht es hoch her, Japaner, US-Amerikaner und Australier stehen dann hier Schlange - und auch wenn sie sich daheim schon erkundigt haben zu den Geldmodalitäten hier, haben sie oft noch kleinere Fragen. Manchmal wollen sie auch einfach wissen, wo man hier auf Stadtrundfahrt gehen kann - auch das erklären wir ihnen gern.

Was ich besonders spannend finde: Wir spüren das globale Wirtschaftsgeschehen in unseren Filialen oft noch ein wenig unmittelbarer. Als der Finanzcrash vor einigen Jahren war, kamen Menschen, die gezielt Währungen anderer Länder gekauft haben, vor allem nordeuropäische Währungen waren begehrt und beispielsweise auch Schweizer Franken. Auch als der Franken zu Beginn des Jahres abgestürzt ist, war bei uns plötzlich richtig viel los.

Natürlich hat sich das Geschäft seit der Euro-Einführung stark verändert, und auch die Möglichkeit, online Währungen zu besorgen, die wir ja auch anbieten, hat natürlich ihren Einfluss darauf. Ich glaube aber, dass viele Kunden den persönlichen Kontakt schätzen. Das merkt man daran, dass sie auch vorbeischauen nach einer Reise, um den Rest des Geldes zurückzutauschen. Dann erzählen sie uns, wie es war - und geben uns Reisetipps für die nächsten Kunden."

Rainer Elm, Bundesbank: "Zerschlissen, verschmutzt, verkohlt"

Deutsche Bundesbank - Rainer Elm

Rainer Elm, 50, Nationales Analysezentrum Mainz

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Rainer Elm arbeitet im Nationalen Analysezentrum der Deutschen Bundesbank. Zu ihm kommen stark beschädigte Scheine und Münzen. Er muss klären, ob die Einsender sie ersetzt bekommen.

"Zu uns kommen stark beschädigte Münzen und Scheine. Unsere Aufgabe ist es festzustellen, ob diejenigen, die das Geld einreichen, es ersetzt bekommen. Wir erhalten das Geld - oder das, was davon übrig ist - in Tüten, Umschlägen oder Kassetten mit einem Antrag auf Erstattung. Man kann uns das Geld per Post zuschicken oder bei einer unserer Filialen abgeben.

Die meisten Einsendungen - allein im vergangenen Jahr hatten wir 27 000 Fälle mit mehr als 800 000 beschädigten Noten - stammen aus dem Alltag: Menschen haben Geld vergraben, ein Kind hat einen Schein zerrissen, ein Geldbeutel wurde in der Mikrowelle oder im Kamin versteckt und vergessen oder Scheine sind bei einer Collage für ein Geschenk kaputtgegangen. Manchmal haben die Menschen scheinbar nicht im Blick, dass Banknoten auch nur aus Papier sind, das nicht unzerstörbar ist. Auch Mäuse oder Wespen können großen Schaden an Scheinen anrichten, die in Kellern und auf Dachböden versteckt wurden. Darüber hinaus landen bei uns auch tragische Fälle aus Hausbränden, Unfällen oder Katastrophen: Nach dem 11. September 2001 kümmerten wir uns beispielsweise um Geld aus dem World Trade Center.

Wenn Geldbörsen, Scheinbündel oder Kassetten bei uns ankommen, haben die Scheine alle möglichen Schäden: Sie sind zerschlissen, verschmutzt, verkohlt oder in viele Teile zerrissen. Über 95 Prozent können wir mit geringem Zeitaufwand begutachten, weil das Geld nur verfärbt oder mitgewaschen wurde oder etwa im Müll gelandet ist und dort verschmutzt wurde.

Aufwendiger sind die restlichen Fälle. Zurzeit bearbeiten wir beispielsweise viele Brandfälle. Bei einem waren mehrere Tausend Euro an Banknoten in einer Geldkassette, die bei einem Hausbrand total verkohlt sind. Aber auch solche Fälle sind nicht hoffnungslos, solange die verkohlten Scheine nicht komplett zu Aschestaub zerfallen sind. In einem anderen Fall wurden fast 100 000 Euro zusammen mit anderen Unterlagen zerschreddert. Das sind jetzt lauter Schnipsel, die etwa zwei Zentimeter lang und vier Millimeter breit sind.

Für diese Arbeit gibt es keine gezielte Ausbildung, aber eines braucht man sicher: eine Engelsgeduld. Dazu sind ein gutes bildhaftes Gedächtnis und handwerkliches Geschick wichtig. Der Fall der zerschredderten Scheine wird meine Kollegin sicher einige Wochen beschäftigen. Außerdem ist ein gewisses detektivisches Gespür sehr wichtig: Man muss erkennen, aus welchem Teil eines Scheins etwa ein Fetzen stammt, um herauszufinden, ob tatsächlich noch mehr als die Hälfte eines Scheines vorhanden ist. Kleinere Hälften dürfen wir nicht ersetzen, solange es keinen Beweis gibt, dass die größere Hälfte unwiederbringlich zerstört ist.

Um das Ergebnis unserer Begutachtung abzusichern, wird jede analysierte Geldprobe von einem zweiten Kollegen überprüft. Wenn jemand in seinem Antrag angibt, er habe 15 000 Euro eingereicht und wir stellen einen abweichenden Betrag fest, egal ob niedriger oder höher, bekommt er genau die festgestellte Summe. Unser Service ist kostenlos - das soll sicherstellen, dass beschädigtes Bargeld nicht notdürftig repariert wird und so wieder in den Bargeldkreislauf gelangt, wo es zu Störungen führen würde."

Pfandleiher Max Walther: "Viele Kunden kommen regelmäßig"

Pfandleihhaus

Max Walther, 49, Pfandleiher München

(Foto: Lukas Barth)

Max Walther betreibt ein Pfandleihhaus in München. Er sagt: "Viele unserer Kunden kommen regelmäßig."

"Viele stellen sich das Pfandleihhaus wilder vor, als es ist: Aber das hier ist kein dunkles Geschäft, in dem Menschen in Tränen ausbrechen und in grauer Kutte skeptisch Goldschmuck beäugt wird. Die Großmutter, die mit zitternden Händen ihren letzten Schmuck über die Theke schiebt, ist ein Klischee. Im Gegenteil, aus meiner Sicht haben wir eher den Charakter einer Bank. Die meisten Menschen, die etwas bei uns beleihen, sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Das durchschnittliche Darlehen beträgt 300 bis 400 Euro, kann aber auch mehrere Tausend Euro betragen. Weil ich mich über die Vorurteile über das Pfandkreditgewerbe ärgere, finde ich es umso wichtiger, das Geschäft ehrlich, seriös und vertrauensvoll zu betreiben - das lag schon meinem Vater am Herzen, der das Geschäft vor 50 Jahren eröffnet hat.

Viele unserer Kunden kommen regelmäßig, manche beleihen immer wieder den gleichen Gegenstand. Eine Erklärung muss niemand abgeben. Die Gründe sind ohnehin verschieden. Manchmal häuft sich vieles auf einmal an: Miete, Steuernachzahlungen und eine Handwerkerrechnung. Manche Kunden bekommen von der Bank kein Geld mehr, aber andere wollen einfach keine Fragen beantworten oder ihre Bank nicht misstrauisch machen. Und natürlich ist es angenehmer zu wissen, dass sie weiter Eigentümer ihrer Wertsachen bleiben. Bei vielen ist das Tempo entscheidend: Bei uns geben sie den Gegenstand ab, meine Mitarbeiter schätzen ihn und füllen den Pfandschein aus. Die Sache ist meist nach fünf Minuten erledigt - länger dauert es nur bei größeren Summen. Für mehrere Zehntausend Euro bitten wir unsere Kunden in einen Nebenraum. Die Gegenstände, die zu uns gebracht werden, lassen sich in zwei Rubriken aufteilen: Schmuck und Unterhaltungstechnik. Früher haben die Menschen mehr technische Artikel gebracht. Heute machen Handys, Notebooks und Digitalkameras weniger als zehn Prozent aus. Die Sachen verlieren zu schnell ihren Wert. Immer öfter bringen Handwerker ihr Werkzeug, deshalb stehen in unserem Lager hochwertige Handwerksmaschinen. Es werden aber auch Fahrräder oder Autos beliehen. Der größte Bereich sind Schmuck und Uhren. Deren Wert kann man nach Goldkurs, Diamantkurs und Verarbeitung genau schätzen.

Viele denken, wir bereichern uns, indem wir Dinge billig beleihen und teuer verkaufen. Das stimmt nicht, denn es gibt genaue gesetzliche Vorschriften, schließlich arbeiten wir mit Geld und somit in einer stark regulierten Branche. In der Regel zahlen wir den halben aktuellen Marktwert. Und in der Regel liegen Sachen drei Monate bei uns. Nur etwa zehn Prozent werden gar nicht abgeholt. Steht eine Pfandversteigerung an, erinnern wir unsere Kunden. Nach einer Versteigerung zahlen wir einen entstandenen Überschuss - nach Deckung unserer Kredit- und Versteigerungskosten sowie dem Darlehen - an unsere Kunden aus. Viele wissen das nicht. Wird der Überschuss nicht abgeholt, sind wir verpflichtet ihn an die Staatskasse abzuführen. Unser Gewinn besteht deshalb nur in den Kreditzinsen, die wir für die ausgereichten Darlehen von unseren Kunden bekommen. Da die Kreditkosten gesetzlich geregelt sind, können wir nur durch eines punkten: gute, ehrliche Geschäfte."

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