München:Acht Stockwerke

Neubau am "Schwabinger Tor" in München, 2016

Höhere Häuser könnten helfen, die knappen Bauflächen in München effizienter zu nutzen.

(Foto: Johannes Simon)

Wie kann München sein Wohnungsproblem in den kommenden Jahrzehnten lösen? Darüber haben Experten vor Kurzem im Literaturhaus diskutiert. Sie fordern mehr Mut und Dichte. Das Hochhaus allerdings ist keine Lösung.

Von Andreas Remien

Rein statistisch, rechnet die Marktanalystin Heike Piasecki vom Beratungsunternehmen Bulwiengesa vor, kommt jeden Tag ein Reisebus mit neuen Bewohnern in München an. Das macht circa 52 Haushalte pro Tag. Gebaut werden allerdings nur circa 31 Wohnungen. Die Zahlen zeigen: München kommt dem Wachstum nicht hinterher. Wie es bis 2050 dennoch gelingen könnte, haben Experten vor Kurzem auf einer Veranstaltung von Aigner Immobilien im Literaturhaus diskutiert.

"Wir müssen mutiger sein", fordert Analystin Piasecki. Und das heißt auch: dichter bauen. "Hochhäuser sind aber nicht die Lösung", betont Mark Michaeli, Professor für Nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land an der TU München. Viel sinnvoller sei es, konsequent acht- bis neunstöckige Häuser zu bauen - wenn man dabei auch an die Entwicklung von Frei-, Grün- und Gemeinschaftsflächen denke. Auch die Bauträger selbst sind in der Regel kein großer Freund von Hochhäusern. "Sie haben eine vergleichsweise schlechte Flächenbilanz", betont Alexander Hofmann, Vorstandssprecher der Baywobau AG. Komplexe Vorschriften, zum Beispiel beim Brandschutz, machen die Hochhäuser teuer. Ob achtstöckige Quartiere auch bei den Bewohnern ankommen? Makler Thomas Aigner hat da keine Bedenken. "Die dichtesten Viertel in München sind die gefragtesten", berichtet Aigner. Wichtig sei aber, die Qualität im Auge zu behalten.

Während im Münchner Stadtgebiet vor allem über höhere Dichten diskutiert wird, wäre mancher Bauträger im Umland schon froh, wenn er überhaupt Wohnungen bauen könnte. "Viele Gemeinden weisen lieber Gewerbeflächen aus", kritisiert Hofmann. Dann müssten sie keine Schulen oder Kindergärten bauen, profitierten aber von hohen Einnahmen durch die Gewerbesteuer. Eine Lösung sieht der Unternehmer darin, Investitionen in eine bessere Infrastruktur an den Wohnungsbau zu koppeln: Nur wenn eine Kommune Wohnflächen ausweise, bekomme sie zum Beispiel einen dichteren S-Bahn-Takt. "Wir sehen Wachstum nicht als Problem", betont Wolfgang Wittmann, Geschäftsführer des Vereins Europäische Metropolregion München. Es gehe darum, die Entwicklung positiv zu gestalten. "Der Schlüssel ist die Mobilität", betont Wittmann. Vor allem dann, wenn sich das Wachstum in der Region besser verteilen soll. Im Stadtgebiet selbst gehen nämlich so langsam die Flächen aus. "Die Region muss sich daher polyzentral entwickeln", sagt Piasecki. Das bedeute auch, in den Gemeinden rund um München eine bessere Infrastruktur und Arbeitsplätze zu schaffen.

"Die Wohnungsentwicklung ist nicht mit den Rezepten der Vergangenheit zu lösen", betont Michaeli - und fordert zum Experimentieren auf. Das sieht auch Unternehmer Aigner so. "Planungen, Gesetze und Normen müssen auf den Prüfstand", sagt Aigner, "es muss darum gehen, Grenzen aufzulösen." Nur mit neuen Ideen könne es zum Beispiel gelingen, bisher landwirtschaftlich genutzte Flächen im Umland zu aktivieren.

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