Mini-Farming:Huhn zu Hause

Lesezeit: 4 min

Die Nutztierhaltung wird als Hobby immer beliebter. Aber nicht jeder Nachbar freut sich über Hühner-Gegacker. (Foto: Johannes Simon)

Wer im eigenen Garten Nutztiere halten will, muss zuerst einige bürokratische Hürden überspringen. In reinen Wohngebieten haben Hobby-Farmer aber schlechte Karten - es sei denn, die Nachbarn beschweren sich nicht.

Von Jochen Bettzieche

Keine Eier mehr im Kühlschrank und die Läden sind schon zu? Wohl dem, der ein Huhn im Garten hat. Doch Hühner, Enten, Schafe, Ziegen oder Esel im Garten zu halten, ist in Deutschland kompliziert. Schließlich müssen viele gesetzliche Vorgaben eingehalten werden. Sonst sind die Tiere schnell wieder weg.

Für den einen ist es ein Schritt hin zur Selbstversorgung, wenn eigene Hühner im Garten täglich frische Eier liefern. Andere wollten schon immer ein paar Schafe hinter dem Haus halten. Wieder andere können der Hobby-Nutztierhaltung nichts abgewinnen. Das sind dann oft Menschen, die es gar nicht lustig finden, wenn Nachbars Hahn um halb fünf in der Früh kräht.

So einfach, wie es die zahlreichen Ratgeber erscheinen lassen, die in den vergangenen Jahren in die Regale der Buchhandlungen gekommen sind, ist das Halten von Nutztieren nicht. "Mini-Farming" heißen sie beispielsweise oder "Hühner in meinem Garten." Sie suggerieren oft, dass jeder Gartenbesitzer dieses Hobby ausüben kann. Seitenweise geht es um die richtige Pflege, Unterschiede der einzelnen Rassen, Krankheiten und ähnliches. Rechtliche Aspekte spielen kaum eine Rolle. Dabei können diese dem romantischen Traum von der eigenen Viehhaltung schnell ein Ende bereiten.

Eine Tierhaltung zu beantragen, kann zu einem Lauf durch die Behörden werden. Schon vor mehr als 20 Jahren hat beispielsweise die Stadt München die Tierhaltungsverordnung abgeschafft. Bis dahin gab es eine Anlaufstelle, heute sind es mehrere Referate. Erster Schritt sollte der Gang zur zuständigen Baubehörde sein. Dabei geht es weniger um die Frage, ob der Bau eines Stalls erlaubt ist. "Die sind meist genehmigungsfrei", sagt Inka-Marie Storm, Referentin für Miet- und Immobilienrecht bei der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund in Berlin. Wichtig ist die Frage, ob ein Bebauungsplan für die Gegend existiert, in der das Grundstück liegt. "Liegt kein Bebauungsplan vor, schaut man, welcher Gebietstyp in der Gegend vorrangig vorliegt", sagt Storm.

In reinen Wohngebieten wird die Tierhaltung in der Regel nicht erlaubt. "Nachbarn müssen nur mit gebietstypischer beziehungsweise ortsüblicher Nutzung rechnen", sagt Storm. Und da zählen Gehege für mehrere Hühner, Schafe und Esel nicht dazu. Die mit der Tierhaltung einhergehenden Gerüche und - insbesondere bei Hähnen - Geräusche müssen die Anwohner nicht hinnehmen. "Wenn es sich dagegen um eine Haustierhaltung handelt, also zum Beispiel nur ein Schaf oder ein Huhn, ist diese auch in einem Wohngebiet zulässig", sagt Thorsten Vogel, Sprecher des Planungsreferats der Stadt München.

Schwierig ist es auch in Mischgebieten. "Hier ist maßgeblich, welche Nutzungen bereits vorhanden sind und ob die geplante Nutztierhaltung sich in diese ohne erhebliche Störungen einfügt", erklärt Storm. Bei landwirtschaftlichen Nutzgebieten ist die Sache ohnehin klar. Darüber hinaus kennt Storm eine Form, bei der die Genehmigung in der Regel kein Problem ist: "Im Dorfgebiet hat man gute Chancen, die Tiere halten zu dürfen." Die Bezeichnung klingt nach freiem Land, wenig Bebauung und kleinen Gemeinden. Aber selbst die bayerische Landeshauptstadt hat Zonen, die als Dorfgebiete ausgewiesen sind. "Am Stadtrand Richtung Allach, Lochhausen, Langwied sowie Johanneskirchen, und auch ganz im Norden liegen einige Dorfgebiete", erläutert Vogel.

Tatsächlich werden Bauämter im Fall der Nutztierhaltung als Hobby selten von sich aus aktiv. Beschweren sich aber Nachbarn, können sie einschreiten und eine baurechtliche Verfügung aussprechen, weiß Storm: "Ist die Verfügung rechtmäßig, müssen die Tiere weg."

Ist mit Nachbarn und Baubehörden alles geklärt, geht es beim Veterinäramt weiter. "Wer zum Beispiel Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde, Hühner, Enten oder Gänse auch als Hobbytiere hält, muss dies im Voraus dem Veterinäramt München anzeigen", erklärt Armin Riedl, Sachgebietsleiter des Fachbereichs Tierschutz im Veterinäramt München. Jedes Tier erhält beim zuständigen Landwirtschaftsamt eine Registriernummer nach Viehverkehrsordnung. "Die Meldung ist von immenser Bedeutung, falls Krankheiten wie die Maul- und Klauenseuche, Schweinepest oder die Vogelgrippe auftreten", erläutert Riedl. Vergisst ein Hobby-Tierhalter die Anmeldung, droht ihm ein Bußgeld. "Bei Ersttätern belassen wir es auch bei einer Belehrung, wir sind nicht so hartherzig", sagt Riedl.

Darüber hinaus gelten auch die Vorgaben des Tierschutzes. Die "Tierschutznutztierhaltungsverordnung" ist allerdings nur maßgeblich, wenn die Tiere zu Erwerbszwecken gehalten werden. Das scheidet bei den Hobby-Tierhaltern aus. Es gilt daher das Tierschutzgesetz. "Da die Artikel des Tierschutzgesetzes sehr allgemein formuliert sind und bindende Haltungsvorgaben für die einzelnen Tierarten fehlen, sind die Vorgaben aus Tierschutzsicht nicht ausreichend", kritisiert der Deutsche Tierschutzbund.

Das Veterinäramt der Stadt München legt angesichts fehlender verbindlicher Vorgaben eigene, im Vergleich zur gewerblichen Nutztierhaltung strengere Kriterien an. Es bedient sich dabei diverser Leitlinien, Gutachten und Fachliteratur. Riedl nennt ein Beispiel: "Hühner sollten einen Mindestauslauf von ungefähr 100 Quadratmetern pro fünf Tiere haben." Auch sollte klar sein: Die meisten Nutztiere leben nicht gerne alleine und sollten daher immer in Gruppen gehalten werden.

Für eine Tierart gelten besondere Regeln: Bienen darf jeder halten

Im Gegensatz zu Immobilieneigentümern stoßen Mieter bei der Tierhaltung auf eine weitere Hürde: den Vermieter. "Ob eine Tierhaltung erlaubt ist, richtet sich in erster Linie nach dem Mietvertrag", erklärt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer beim Deutschen Mieterbund in Berlin. Letztlich sei es dann immer eine Einzelfallentscheidung.

Für eine Nutztierart gelten etwas andere Regeln als für Hühner, Schafe oder Esel: für Bienen. "Das Bürgerliche Gesetzbuch gewährt grundsätzlich jedem das Recht, auf seinem eigenen Grundstück Bienen im Maße der Ortsüblichkeit zu halten", sagt Petra Friedrich, Sprecherin beim Deutschen Imkerbund. Auch hier gilt es jedoch, darauf zu achten, dass Nachbarn nicht zu stark belästigt werden. Einen allgemeinen Einflug müssten diese hinnehmen. Im Gegenzug entschädigt vielleicht ein über den Zaun gereichtes Glas Honig - und verhindert Streit.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: