Süddeutsche Zeitung

Milliardenbetrüger Bernard Madoff:Das Monster als Kavalier

Pikantes Enthüllungsbuch: Die New Yorker Publizistin Sheryl Weinstein macht ihre Affäre mit dem Milliardenbetrüger Bernard Madoff öffentlich. Ungewollt könnte sie damit der betrogenen Gattin helfen.

Nikolaus Piper

Es war am 29. Juni im Bezirksgericht von Manhattan, als Bernard Madoff, der größte Betrüger der Wall Street, zu 150 Jahren Haft verurteilt wurde. Einige Opfer Madoffs nutzten die Gelegenheit, um ihre Wut über das "Monster" loszuwerden.

Unter ihnen war auch Sheryl Weinstein, eine Frau, die alle Ersparnisse ihrer Familie verloren hatte. Den Tag, an dem sie Madoff begegnete, sehe sie "als den vielleicht unglücklichsten" ihres Lebens an, sagte sie damals.

Inzwischen weiß man, dass die Bedeutung dieser Aussage weit über das Finanzielle hinausging. Die heute 60-Jährige hatte 1993 und 1994 eine heftige Affäre mit Madoff. Am kommenden Dienstag erscheint Weinsteins Beichte als Buch: "Madoff's Other Secret: Love, Money, Bernie, and Me" (Madoffs zweites Geheimnis: Liebe, Geld, Bernie und ich).

Keine Sensationen in Sachen Sex

Nach den Auszügen, die bisher die Nachrichtenagentur Bloomberg und das Boulevardblatt Daily News veröffentlichten, können die Leser in Sachen Sex keine Sensationen erwarten: Es war eine Affäre wie tausende andere auch.

Sheryl Weinsteins Ehe befand sich in einer Krise. Madoff bot sich an als Kavalier, der Komplimente machte, die Tür aufhielt, gut küssen konnte und Sheryl das Gefühl zurückgab, begehrt zu werden. Bemerkenswert ist höchstens Weinsteins Feststellung, Madoff sei als Mann "nicht besonders gut ausgestattet". Irgendwann sei aus der Affäre eine "herzliche Freundschaft" geworden. Ihr Sohn Eric arbeitete während des Studiums ein paar Monate in Madoffs Firma.

Außergewöhnlich ist allein die Persönlichkeit der Autorin: Weinstein ist keine Unbekannte, sie ist ein angesehenes Mitglied der New Yorker Gesellschaft. Die Eheleute Ronald und Sheryl Weinstein arbeiten als Publizisten, sie geben unter anderem Laundry Today heraus, ein Fachmagazin für das Reinigungsgewerbe. Bis vor kurzem lebten sie in einer Eigentumswohnung an der vornehmen Upper East Side von Manhattan; dank Madoff mussten sie sie nun verkaufen.

Unbequeme Fragen

Anfang der neunziger Jahre war Weinstein die Finanzchefin von Hadassah, der zionistischen Frauenorganisation der USA. In dieser Funktion lernte sie Madoff kennen: Ein unbekannter Spender hatte Hadassah sieben Millionen Dollar vermacht mit der Auflage, das Geld dort zu lassen, wo es war: in Madoffs Firma. In der Folge investierte die Organisation noch weitere 40 Millionen Dollar bei dem Betrüger - bis 1997, dem Jahr, in dem Weinstein Hadassah verließ.

Für die Ex-Geliebte stellen sich jetzt unbequeme Fragen: Als Finanzchefin hatte sie treuhänderische Verantwortung für das Spendenaufkommen der gemeinnützigen Organisation, ihre Affäre schuf daher eindeutig einen Interessenkonflikt. Warum informierte sie den Verwaltungsrat von Hadassah nicht darüber?

Mehr Renditen als investiert

Der Organisation selbst droht ohnehin Ungemach: Hadassah hat im Laufe der Jahre insgesamt mehr an Renditen von Madoff bekommen, als sie zuvor investiert hatte. Nun will Konkursverwalter Irving Picard von Nettogewinnern wie Hadassah noch Geld fordern, um damit die große Masse der Nettoverlierer entschädigen zu können.

Schließlich könnte Sheryl Weinstein ungewollt Madoffs Ehefrau Ruth geholfen haben, die immer noch im Verdacht steht, von allem gewusst zu haben und Komplizin gewesen zu sein.

Ihr Anwalt Peter Chavkin erklärte, seine Mandantin habe von der Affäre nichts gewusst. Dies sei ein eindeutiger Beleg dafür, "dass Eheleute sich bestimmte Dinge nicht erzählen, wie nahe sie sich auch sonst stehen mögen". Sprich: Wer eine Affäre geheim halten kann, der kann auch über Verbrechen schweigen.

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SZ vom 20.08.2009/pak
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