Mikro-Apartments:Wohn-Waben für die Generation Z

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Junge Menschen werden ihre Unterkunft künftig weniger nach Kriterien wie Preis, Größe und Lage auswählen als nach Netzwerk, Marke und Service, erwarten Investoren.

Von Christine Mattauch

Michael Bloomberg war einer der Ersten, die den Trend erkannten. Vor sechs Jahren, als der Milliardär Bürgermeister von New York war, wollte er ein Zeichen gegen die chronische Wohnungsnot setzen und hebelte dazu die Mindestgrößen-Vorschrift aus. 55 "Micro-Units" wurden an Manhattans Lower East Side geplant, jeweils 23 Quadratmeter groß.

Was damals eine Pioniertat war, ist in Deutschland heute Mode: Mikrowohnungen gehören zu den begehrtesten Anlageobjekten. Große Fonds und professionelle Spezialfirmen drängen in das Segment. Auch Privatanleger befeuern den Trend, etwa über Crowdfunding. Versprochen werden Renditen zwischen vier und sieben Prozent, angesichts niedriger Zinsen hochattraktiv. Aber ist das Versprechen zu halten?

"Es ist eindeutig schwieriger, gute Objekte zu finden als Investoren", sagt Georg Reul, Geschäftsführer der Investmentgesellschaft Hamburg Trust. Er sollte es wissen. Seine Firma legt gerade einen 200-Millionen-Euro-Fonds für Mikrowohnungen auf, Zielgruppe sind institutionelle Anleger. Im Portfolio von Hamburg Trust befinden sich bereits Anlagen in Mainz, Stuttgart und Frankfurt. Wie heiß der Markt ist, zeigt das Projekt "Neuer Hühnerposten" in Hamburg mit etwa 350 Kleinstwohnungen. Reul: "Noch während der Bauzeit erhielten wir ein so gutes Angebot, dass wir das Objekt veräußerten." Der jetzige Eigentümer vermietet die günstigste Wohnung für 670 Euro, mehr als 35 Euro pro Quadratmeter, Einrichtung, W-Lan und Nebenkosten inklusive.

Derzeit geht die Wette fast überall auf. Corvin Tolle, Geschäftsführender Gesellschafter von Rohrer Immobilien in Berlin, verwaltet mehrere Hundert Mikrowohnungen und hat keine Probleme, sie an den Mann oder die Frau zu bringen. Allerdings fragt sich Tolle, "ob diese Wohnform Zukunft hat: Wollen die Leute so leben, oder ist es aus der Not geboren?" Wie jede Hausse, so wird auch diese eines Tages zu Ende gehen. Die teuren Mikrowohnungen könnten dann die ersten sein, die Probleme bekommen (siehe Interview links).

"Die Nachfrage ist gut. Wir sind mit dem Objekt am Puls der Zeit."

Trotzdem werden immer mehr Mikrowohnungen gebaut. Der Luxemburger Immobiliendienstleister Corestate und die Bayerische Versorgungskammer zum Beispiel wollen über einen Spezialfonds rund eine halbe Milliarde Euro vornehmlich in Kleinstwohnungen anlegen. Vergangenen Monat kündigte die Londoner Firma Tristan, die bereits mit 500 Millionen Euro in britische Studentenwohnungen investiert, den Gang nach Deutschland an. Selbst eine Hotelkette wie Ruby interessiert sich für das Segment: "Das ist etwas, das wir uns genau ansehen", sagt Ruby-Gründer und CEO Michael Struck.

In Berlin löste der Umbau des 13 000 Quadratmeter großen Gebäudes "Eisenzahnstraße" zu 280 Mikrowohnungen Deutschlands größte Immobilien-Schwarmfinanzierung aus: Zehn Millionen Euro will die Plattform iFunded dafür sammeln; sie verspricht eine Verzinsung von 5,5 Prozent. Die Anleger sollen - ein Novum in diesem Segment - besicherte Wertpapiere in Form von Anleihen erhalten. Der Zeitpunkt ist nicht eben günstig, denn erst im September verursachte die erste Insolvenz eines Crowdfunding-Immobilienprojekts Schlagzeilen: Zwei Mikroapartment-Häuser in Berlin-Tempelhof, für die der Schwarmfinanzierer Zinsland gesammelt hatte. Trotzdem versichert Michael Stephan, Gründer und Geschäftsführer von iFunded: "Die Nachfrage ist gut. Wir sind mit dem Objekt am Puls der Zeit."

Dabei gab es Kleinwohnungen auch früher schon. Neu ist, dass sie en bloc gebaut werden, die Gebäude also keine größeren Wohnungen enthalten. Auch bedeuten sie eine Professionalisierung gegenüber möblierten Zimmern in Pensionen und Heimen. Den Rest macht die Philosophie: Unterstellt werden mobile, urbane Mieter, die Kontakt zu Gleichgesinnten suchen - Studenten, Berufsanfänger, Pendler, jung gebliebene Alte. Mit anderen Worten: Leute, die sich ohnehin so viel im Internet oder außerhalb der Wohnung aufhalten, dass deren Größe nebensächlich ist.

Dass diese Zielgruppe existiert, ist unbestritten. In München stehen auf den Wartelisten für Studentenwohnheime um die 10 000 junge Leute, in Berlin 5000, das sind jeweils doppelt so viele wie vor drei Jahren. Zudem ist der Anteil ausländischer Studenten gestiegen, die ausreichend Geld fürs Wohnen mitbringen - und aus Peking, Paris oder Tokio noch ganz andere Zimmerpreise gewöhnt sind.

In vielen Firmen nimmt die Projektarbeit zu, flexible Teams ziehen von Kunde zu Kunde und damit von Stadt zu Stadt. Vorort-Eltern, deren Kinder das Haus verlassen, leisten sich eine Bleibe in der Stadt, um einzukaufen und ins Theater zu gehen. "Unser Mietwohnungsmarkt geht am aktuellen Bedarf vorbei", findet Rainer Nonnengässer, Leiter des Bereichs Micro Living bei MPC Capital in Hamburg.

Manche sehen die Gefahr eines Überangebots. Es gebe Städte, in denen Vorsicht angebracht wäre

MPC war eine der ersten Immobiliengesellschaften, die voll auf den Trend setzten. Heute hat sie mehr als 1600 Mikrowohnungen, die sie unter dem Namen Staytoo selbst verwaltet. Und das ist, immer noch, erst der Anfang. Gerade hat Nonnengässer ein Grundstück in Mainz gekauft und ist in Berlin, Hamburg, Aachen und Darmstadt unterwegs, um sich Objekte anzusehen. Auch die internationale Expansion will er vorantreiben.

Auf die Frage, ob angesichts der massiven Investitionen ein Überangebot entstehen könne, antwortet der Manager nach kurzem Zögern mit einem "Jein" und fügt hinzu: "Es gibt Städte, bei denen ich vorsichtig wäre." Während der Mikrowohnungsboom in den sogenannten A-Städten Berlin, München und Frankfurt begann, befördert der Hype inzwischen auch Entwicklungen in Halle, Heilbronn und Dortmund. Nicht immer stimmen da Parameter wie Lage und Demografie.

Allerdings ist Nonnengässer überzeugt davon, dass sich der Wohnungsmarkt strukturell verändert. Die mit digitalen Medien groß gewordene Generation Z, die jetzt erwachsen wird, hat andere Ansprüche an Kommunikation und Internationalität als die Generationen vor ihr. Sie wird Wohnungen womöglich weniger nach Kriterien wie Preis, Größe und Lage auswählen als vielmehr nach Netzwerk, Marke und Service. "Konzeptbasiert" nennt Nonnengässer das.

Darauf setzt auch der Münchner Hotelier Struck. In einem ersten Schritt richtet er in seinen Ruby-Häusern hippe Co-Working-Spaces ein, die Geschäftsreisende ebenso nutzen können wie Firmen und Freelancer von außen. Es ist die Vision eines kreativen Hotspots für eine polyglotte, unkonventionelle Szene. Den Anfang machte im Mai das Münchner Haus nahe dem Hauptbahnhof, im Dezember folgt Hamburg. Für Struck ist es ein kleiner Schritt vom Co-Working zum Co-Living in Mikrowohnungen: "Wir erleben, dass ehemals getrennte Nutzungsbereiche verschmelzen."

Aber auch wenn das Produkt Mikrowohnung den Ansprüchen einer neuen Generation entspricht - den Markt nachhaltig entlasten wird es kaum. In New York jedenfalls stiegen die Mieten trotz Mikrowohnungen weiter. Ein Studio in Manhattan kostet heute durchschnittlich 2500 Dollar im Monat. Da ist selbst in München noch Luft nach oben.

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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