Süddeutsche Zeitung

Mietrecht:Widerstand zwecklos

Klimaschutz kommt die Mieter teuer: Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will sie an den Kosten von Ökosanierungen beteiligen. Dagegen wehren können sollen sie sich nicht mehr.

Guido Bohsem

Auf die Mieter kommen durch die Einsparziele beim Klimaschutz deutlich höhere Belastungen zu. Ihre Vermieter sollen künftig pro Jahr etwa elf Prozent der Kosten einer Energie-Modernisierung auf sie umlegen können, heißt es in einem ersten Entwurf zur Überarbeitung des Mietrechts. Der Vorschlag des Justizministeriums liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Er soll in den kommenden Tagen mit den Rechtspolitikern der schwarz-gelben Koalition diskutiert werden. "Ein ausgewogenes Mietrecht muss nicht nur die Gewinne, sondern auch die Kosten energetischer Modernisierungen verteilen", sagte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der SZ. Schließlich würden sowohl Vermieter als auch die Mieter von den Vorteilen einer solchen Modernisierung profitieren. "Für die Lasten darf deshalb nichts anderes gelten", betonte die FDP-Politikerin.

Schon heute kann ein Vermieter die Miete erhöhen, wenn er zum Beispiel neue Fenster einsetzt oder die Wohnräume besser dämmen lässt. Künftig soll diese Regelung aber auf mehr Sanierungsfälle ausgedehnt werden. Im Entwurf des Justizministeriums werden alle Arbeiten anerkannt, mit denen der Wasserverbrauch reduziert oder Energie gespart wird. Der Mieter muss sich künftig sogar an den Kosten beteiligen, wenn durch eine Sanierung Energie effizienter genutzt "oder das Klima auf sonstige Weise geschützt wird". Durch diese Formulierung soll sichergestellt werden, dass die Regelung auch auf technische Neuerungen angewandt werden kann, die noch nicht auf dem Markt sind.

Mit den Vorschlägen setzt das Ministerium Ankündigungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um, die die Bürger bereits auf höhere Preise für ihren Wohnraum eingestimmt hatte. In Deutschland wohnen die meisten Menschen zur Miete: Von den 40 Millionen Wohnungen werden 24 Millionen nicht vom Eigentümer bewohnt. Im Kampf gegen den Klimawandel kommt dem Wohnraum eine große Bedeutung zu, da hier 40 Prozent der End-Energie verbraucht und 20 Prozent des Klimakillers Kohlendioxid ausgestoßen werden.

Doch die finanziellen Belastungen sind nicht die einzigen, die der Entwurf des Justizministeriums für die Mieter vorsieht. Demnach müssen die Bewohner künftig jede Art von Modernisierung dulden, die dem Vermieter gesetzlich auferlegt ist. Dies ist eine Klarstellung einer bereits geltenden Regelung. Neu ist, dass künftig auch energetische Modernisierungen geduldet werden müssen. Auch soll die Miete während der Bauarbeiten nicht mehr gesenkt werden können, wenn diese ordnungsgemäß erledigt werden. Der Vermieter wird nach den Vorstellungen des Ministeriums auch dann ungehindert ökologisch sanieren können, wenn er die Kosten nicht auf die Miete umlegt.

Zur Begründung des Sanierungsvorhabens muss der Vermieter ferner nur auf Pauschalwerte verweisen, aus denen der Beitrag zum Klimaschutz hervorgeht. Leutheusser-Schnarrenberger hält diese Zumutungen für die Mieter für notwendig. "Sind Vermieter zur energetischen Modernisierung verpflichtet, müssen auch die Mieter zur Duldung und zu minderungsfreier Mietzahlung verpflichtet sein", sagte sie.

Auch in anderen Bereichen sollen die Vermieter nach Vorstellungen des Justizressorts zusätzliche Rechte erhalten. Zum Schutz gegen sogenannte Mietnomaden soll ihnen erleichtert werden, Rechte am Eigentum des Mieters geltend zu machen. Unter Mietnomaden versteht man Mieter, die von Anfang an nicht die Absicht haben, die Miete zu zahlen und sich dann nach ein paar Monaten eine neue Bleibe suchen. Statt den Gerichtsvollzieher einzuschalten, soll nun ein Vermieterpfandrecht möglich sein. "Die in der Praxis entwickelte 'Berliner Räumung' ermöglicht eine effektive Vollstreckung von Räumungsurteilen und soll auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden", betonte die Ministerin.

Aber auch die Rechte der Mieter sollen mit dem Entwurf gestärkt werden. So will das Justizressort gegen eine Praxis vorgehen, mit der Mieter aus Wohnungen in attraktiven Lagen herausgedrängt werden. Dabei kaufen Personengesellschaften Mietwohnungen auf und ein Miteigentümer meldet Eigenanspruch an. Die Mieter werden aber nur mit dem Ziel aus der Wohnung gedrängt, die Immobilie später zu verkaufen.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2010/mob/jab
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