Merkels Berater vor HRE-Ausschuss:Maximal ahnungslos

Der Regierung war die Schieflage der Hypo Real Estate im Spätsommer 2008 nicht bekannt - sagt der Wirtschaftsberater der Kanzlerin vor dem HRE-Untersuchungsausschuss.

Für die Regierenden muss es nach heutiger Darstellung ein Schock gewesen sein: Die Beinahe-Pleite des Immobilienfinanzierers HRE war nach den Worten von Kanzlerinnenberater Jens Weidmann für die Bundesregierung zuvor nicht absehbar.

Merkels Berater vor HRE-Ausschuss: Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann vor dem HRE-Unterschungsausschuss: "Ich halte die seinerzeit getroffene Vereinbarung für angemessen."

Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann vor dem HRE-Unterschungsausschuss: "Ich halte die seinerzeit getroffene Vereinbarung für angemessen."

(Foto: Foto: dpa)

Bis zum Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September 2008 habe es "keine Hinweise auf eine existenzbedrohende Schieflage" bei deutschen Privatbanken gegeben, sagte der Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung des Bundeskanzleramtes am Mittwoch in Berlin vor dem HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

"Die folgende dramatische Entwicklung war nicht absehbar." Es habe ein massiver Vertrauensverlust an den Finanzmärkten eingesetzt, durch die die HRE in eine existenzbedrohende Lage gekommen sei.

Frage nach der Sorgfaltspflicht

Weidmann verteidigte zudem die Rettung der HRE mit Staatsgeldern in Milliardenhöhe. "Ich halte die seinerzeit getroffene Vereinbarung für angemessen", sagte Weidmann.

Eine Pleite der HRE hätte aufgrund ihrer Größe und Verflechtungen mit anderen Kreditinstituten noch schlimmere Folgen als der Zusammenbruch von Lehman gehabt, insbesondere für Deutschland.

Die staatliche Rettung der HRE habe den Steuerzahler bislang kein Geld gekostet. Die Staatsbürgschaften in zweistelliger Milliardenhöhe seien noch nicht fällig geworden, sondern der Fiskus nehme im Gegenteil bislang Gebühren "in beträchtlicher Höhe" ein, so Waldmann.

Nach Darstellung Weidmanns war das Kanzleramt frühzeitig in die Rettung der HRE eingebunden. Die Maßnahmen seien abgestimmt gewesen, der Informationsfluss zwischen Kanzleramt und Finanzministerium habe gut funktioniert.

Die Kanzlerin sei zeitnah in Kenntnis gesetzt worden, sagte der parteilose Berater. Er selbst sei erst wenige Tage vor dem ersten Rettungswochenende Ende September 2008 über die Notwendigkeit eines Hilfspaketes informiert worden.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Fehlentwicklungen die Opposition wittert.

Pokern um Beitrag der Banken

Nach Weidmann soll Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen als Zeuge vernommen werden. Vor allem er steht in der Kritik von FDP, Grünen und Linkspartei. Sie werfen dem Top-Beamten mit SPD-Parteibuch, der maßgeblich an den Rettungspaketen für Banken und Unternehmen mitwirkt, schwere Versäumnisse vor und fordern dessen Entlassung.

Asmussen soll an dem turbulenten Rettungswochenende im September 2008 als Regierungsvertreter aus Sicht der Opposition zu spät eingegriffen und für den Bund schlecht verhandelt haben. Auch sollen Warnberichte zur Lage des seit langem strauchelnden Instituts nicht rechtzeitig die Spitze des Finanzministeriums erreicht haben. Weidmann sagte, nach seinem Eindruck war Asmussen gut informiert.

"Erfolgreiche Rettungsaktion"

Der Merkel-Berater verteidigte die Verhandlungstaktik der Regierung und das späte Eingreifen der Politik an dem Rettungswochenende. Die Sachlage sei von Banken und Aufsicht zuvor bereits geklärt worden.

Es sei dann um eine politische Entscheidung gegangen, ob der HRE mit staatlichen Mitteln geholfen werde. Je früher die Regierung eingegriffen hätte, desto früher hätten die Banken Forderungen gestellt, sagte Weidmann. "Wir wollten bis zum Maximum den Beitrag der Finanzwirtschaft ausreizen."

Weidmann nannte das erste 35-Milliarden-Euro-Paket für die HRE eine "erfolgreiche Rettungsaktion". Dies gelte auf Grund der damals unsicheren Informationslage und des hohen Zeitdrucks. Die Rettung war praktisch in letzter Minute gelungen. Den Großteil der Ausfallrisiken übernahm der Bund, rund 8,5 Milliarden entfielen auf Banken, davon ein Teil auf private Institute.

Inzwischen gehört die marode Bank fast komplett dem Staat und wird mit Finanzhilfen von 102 Milliarden Euro - 87 Milliarden Euro kommen vom Staat - künstlich am Leben gehalten. Bei der Lastenverteilung zwischen privater Finanzwirtschaft und staatlichen Garantien war nach Weidmanns Ansicht kein besseres Ergebnis zu erzielen.

"Bis zum letzten Moment gewartet"

Zuvor hatten auch Finanzaufsicht, Bundesbank und Banken im Ausschuss die Rettungsaktion als alternativlos verteidigt.

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wird an diesem Donnerstag als letzter Zeuge im HRE-Ausschuss vernommen. Merkel hatte sich bereits hinter das Vorgehen Steinbrücks gestellt. "Wir haben mit einer Entscheidung bis zum letzten Moment gewartet", hatte Merkel kürzlich gesagt. "Da war ich mir übrigens mit Finanzminister Peer Steinbrück in der Verhandlungsführung sehr einig."

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