Merkel und Weber:Flucht aus der Beziehungskiste

Bundesbank-Chef Axel Weber und Kanzlerin Angela Merkel haben sich auseinandergelebt. Die Folgen sind verheerend - und beide müssen darunter leiden.

H. Freiberger und C. Hulverscheidt

Es gibt sie nicht, die eine Geschichte, die eine tragische Begebenheit, von der sich sagen ließe, dass exakt in dieser Sekunde das Verhältnis des Bundesbankpräsidenten zur Bundeskanzlerin kippte. Ja, es ist noch nicht einmal gewiss, ob Axel Weber und Angela Merkel die immer tieferen Risse in ihrer Beziehung zunächst überhaupt wahrnahmen.

Bundesbank-Chef Weber, Merkel

Bundesbank-Chef Weber (links) und Kanzlerin Merkel verstanden sich anfangs gut - jetzt gar nicht mehr.

(Foto: dpa)

Noch unlängst hatte es im Kanzleramt geheißen, Merkel wolle den Bundesbanker im April, wenn die Schlacht der EU-Länder um ein dauerhaft stabiles Gerüst für den Euro geschlagen sei, als neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) vorschlagen. Doch nach allem, was nun aus Berlin und Frankfurt zu hören ist, ist Weber gar nicht mehr erpicht auf den EZB-Chefsessel. Im Gegenteil: Der kantige Ökonomieprofessor will offenbar alle öffentlichen Ämter aufgeben. Genaueres soll erst nach einem Treffen der beiden bekannt gegeben werden - womöglich schon an diesem Freitag.

Anzeichen für eine Beziehungskrise gab es allerdings sehr wohl. Gleich mehrfach hatte sich Weber in den vergangenen Monaten im kleinen Kreis darüber beklagt, dass er im Konzert der Euro-Länder beinahe allein die deutsche Stabilitätskultur hochhalten müsse.

Besonders die Praxis der EZB, Anleihen schwächelnder Euro-Länder aufzukaufen und damit das eigentliche Ziel der Währungshüter, die Geldwertstabilität, zu konterkarieren, war und ist ihm ein Dorn im Auge. Die verkappten Rücktrittsdrohungen verfehlten jedoch ihre Wirkung. Zwar hält auch Merkel das Vorgehen der EZB für fragwürdig - anders als Weber schwieg sie aber in der Öffentlichkeit. Beim Bundesbank-Chef erweckte das offenbar den Eindruck, dass er zwar als erster Deutscher zum EZB-Präsidenten berufen werden könnte - mit seinen Überzeugungen aber dann allein stünde. Das, so scheint es, wollte er sich nicht antun.

Merkel steht damit vor einem Scherbenhaufen, denn einen anderen Kandidaten für den EZB-Chefsessel hat sie nicht. Doch auch Weber selbst hat sich durch die Art seines Abgangs für viele künftige Aufgaben disqualifiziert. So zumindest sehen es führende Bundespolitiker bis hinauf zur Kanzlerin. Sie verweisen insbesondere auf das sich hartnäckig haltende Gerücht, Weber solle nach einer Übergangszeit Chef der Deutschen Bank werden.

"Einen solchen Schritt, der der Institution Bundesbank und seiner eigenen Glaubwürdigkeit schweren Schaden zufügen würde, traue ich ihm nicht zu", sagt etwa der SPD-Finanzexperte Carsten Schneider, und sein Grünen-Kollege Gerhard Schick verlangt, Weber müsse "eine Karenzzeit von mindestens einem Jahr" einhalten.

Weber - und wohin jetzt?

Linken-Chefin Gesine Lötzsch spricht von "nicht akzeptablen" Plänen des Bundesbank-Präsidenten, ein führender Abgeordneter aus den Reihen der Koalitionsfraktionen verweist darauf, "dass Weber ja noch während der Finanzkrise das Schicksal fast der gesamten deutschen Kreditwirtschaft in den Händen gehalten" habe.

Sogar in der Finanzbranche selbst setzt sich mehr und mehr die Überzeugung durch, dass die Deutsche Bank Weber gar nicht mehr nehmen kann - selbst wenn sie ihn denn wollte. "Weber dürfte für die Deutsche Bank als Vorstandschef verbrannt sein", sagte Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance and Management.

Die Diskussion komme zu früh für die Bank, der Aufsichtsrat sei auf eine schnelle Entscheidung nicht vorbereitet. Von seiner Qualifikation her hielte Faust den Bundesbank-Chef für einen idealen Kandidaten: "Die Deutsche Bank braucht jemanden, der über den Dingen steht, er muss sich nicht in jedem Detail des Geschäfts auskennen, sondern die Richtlinien vorgeben."

Formal kann ein Bundesbanker durchaus zu einer Geschäftsbank wechseln, das Gesetz sieht dafür nur eine halbjährige Karenzzeit vor. Die Europäische Zentralbank, in deren Rat Weber ebenfalls sitzt, hat einen Ehrenkodex, wonach ein Mitglied mindestens ein Jahr nicht in der Finanzbranche arbeiten sollte. Dieser Kodex ist aber freiwillig und wurde auch schon gebrochen. So arbeitete der Ex-Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing schon sieben Monate nach seinem Abschied im Jahr 2006 für Goldman Sachs.

Im Falle Webers wäre jedoch vor allem heikel, dass Deutschlands oberster Bankenaufseher zum größten beaufsichtigten Institut wechseln würde. "Das ist auf jeden Fall ein Interessenkonflikt", sagt der Münchner Bankenprofessor Klaus Fleischer. Als Aufseher hat Weber tiefe Einblicke auch in die wirtschaftliche Lage vieler Konkurrenz-Institute der Deutschen Bank bekommen.

Die Geschichte der Bundesbank zeigt allerdings, dass Weber auch hier nicht der erste Missetäter wäre. So trat der frühere Notenbank-Chef Karl Otto Pöhl 1991 aus Protest gegen Helmut Kohls Währungsumtausch bei der Wiedervereinigung zurück. Schon ein Jahr später heuerte er bei der Privatbank Sal. Oppenheim an.

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