Merkel und die Griechenland-Hilfe:Die Alles-Gut-Kanzlerin

Lange bestand ihre Politik aus Ducken und Schweigen. Im Griechenland-Poker zeigt Angela Merkel die Härte, die man in Deutschland von ihr vermisst hatte. Wichtigster Verbündeter: Nicolas Sarkozy.

Tobias Dorfer

Angela Merkel kann konsequent sein. Ihre Unnachgiebigkeit und Härte hat sie an die Spitze der vom Männerklüngel durchsetzten CDU gebracht - und danach sogar ins Kanzleramt.

Doch seit die promovierte Physikerin Deutschland regiert, lernt die Öffentlichkeit eine andere Angela Merkel kennen. Eine, die sich wegduckt und jeglichen Konflikten aus dem Weg geht. Eine, die präsidial über allen Dingen steht. Vor allem aber eine, die klare Positionen meistens vermissen lässt.

Von daher ist es schon eine neue Tonalität, wenn nach dem Verhandlungspoker von Brüssel die Standhaftigkeit der deutschen Regierungschefin gepriesen wird. "Frau Nein mit einem Punktsieg" frohlockt die Bild-Zeitung.

In der Tat - viel mehr war es nicht. Zwar hat die deutsche Kanzlerin die meisten ihrer Forderungen durchgesetzt (Hilfen für Griechenland nur als Ultima Ratio, Kombination aus bilateralen Unterstützungen und dem Internationalen Währungsfonds). Nur mit ihrer dritten Forderung, einer Verschärfung des Stabilitätspakts, ging Angela Merkel in Brüssel baden - dies gab der eben erst mit Müh und Not ratifizierte Lissabon-Vertrag nicht her. Dafür musste sie eine einheitliche - von Frankreich forcierte - europäische Wirtschaftspolitik akzeptieren.

Handschrift der Kanzlerin

Und doch: Die Einigung in Brüssel trägt ganz klar die Handschrift der eisernen Kanzlerin. Dafür, dass eine Notfallhilfe für Griechenland jetzt - zumindest in Teilen - auf den Internationalen Währungsfonds abgewälzt wird, musste Angela Merkel hart kämpfen. Zunächst einmal in den eigenen Reihen. Bis zuletzt vertrat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lautstark seine Forderung nach einem Europäischen Währungsfonds, der Griechenlands Finanzprobleme lösen könnte.

Aber auch unter den europäischen Regierungschefs konnte sich erst einmal niemand so recht für den Merkel-Plan erwärmen. Allen voran Länder wie Spanien, Italien und Portugal sahen eine Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF) kritisch. Sie befürchteten, der von den USA dominierte IWF könnte zu starken Einfluss auf die europäische Finanzpolitik bekommen. Außerdem, so die Sorge, könnte ein derartiger Hilferuf als Bankrotterklärung für den Umgang der EU mit Krisen angesehen werden.

Kritik aus dem Ausland

Für Angela Merkel war die Einbeziehung des IWF der einzig gangbare Weg. Andere Hilfsmöglichkeiten hätten ihrer Meinung nach gegen EU-Recht verstoßen - schließlich ist es untersagt, dass die EU-Mitgliedsstaaten einander finanziell zur Seite springen. Knackpunkt im Griechenland-Poker war das "oui" aus Paris. Wenige Tage vor dem Gipfeltreffen zog Merkel Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy auf ihre Seite. Auch er hatte zuvor eine europäische Lösung des Griechenland-Problems bevorzugt. Anfang der Woche hieß es dann jedoch plötzlich aus Paris, ein Kredit des IWF sei "nicht mehr ausgeschlossen".

Merkel hatte Sarkozy im Boot, und auch der schwedische Ministerpräsident Frederik Reinfeldt konnte sich für das Vorhaben erwärmen. Der österreichische Vizekanzler Josef Pröll sagte vor dem Gipfel plötzlich, er bevorzuge "einen Mix aus bilateralen und IWF-Hilfen". Und sogar Spaniens Premier José Luis Rodríguez Zapatero erklärte eine IWF-Beteiligung für "zulässig". Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, Sprecher der Gruppe der Euroländer, zeigte sich schließlich ebenfalls offen für eine Kombination aus IWF- und bilateralen Hilfen.

Da nützte es auch nichts mehr, dass Griechenlands Premier Giorgos Papandreou noch am Morgen, parallel zu Merkels Regierungserklärung im Bundestag, versuchte, einige EU-Partner gegen den deutsch-französischen Plan aufzuhetzen.

Standhaft geblieben

Die Deutsche blieb standhaft. Sie gab im Hilfs-Poker den Ton an, ließ sich nicht erweichen - und setze sich am Ende weitgehend durch. Ihr Resümee: Sie sei "sehr zufrieden". Ihre Wahrnehmung: "Alles gut." Europa habe "Handlungsfähigkeit bewiesen und gleichzeitig etwas für die Stabilität des Euros und für die Solidarität mit einem in Schwierigkeiten befindlichen Land getan".

Im Ausland jedoch wird Europas neue Wortführerin nicht ganz so positiv gesehen. Deutschland erschüttere die "grundsätzliche Solidarität, ohne die es keine Union auf dem Kontinent geben kann", zürnt die linksgerichtete französische Zeitung Libération.

Und die britische Times stichelt bereits: "Wenn Deutschland in Europa die Führung übernimmt, dann muss die nächste britische Regierung ein ganz genaues Augenmerk auf Angela Merkel legen."

Vielleicht hat die Regierungschefin von der Spree nun Blut geleckt, möglicherweise hat sie in Brüssel die Freude am Gestalten gefunden. In Deutschland warten einige darauf, dass Angela Merkel diese Konsequenz auch in der deutschen Innenpolitik zeigt. Vielleicht ist es ja nach der NRW-Wahl endlich soweit.

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