Mein erstes Mal:Mit Mick Jagger zum Sparbrief

Durch Europa reisen? Ein Mofa kaufen? Die Schwester demütigen? Das erste selbstverdiente Geld - und was man alles damit machen kann.

Harald Freiberger

Ein kalter Dezembertag in einer Kleinstadt an der Isar Ende der siebziger Jahre. Durch die Straßen läuft ein 16-jähriger Schüler, fast trunken vor Glück. Er fühlt sich reich, sein Chef hat ihm gerade 500 Mark ausgezahlt, die in der Tasche seines Parka stecken.

Mein erstes Mal: Mein erstes Mal: 500 Mark, bar auf die Hand. Und jetzt?

Mein erstes Mal: 500 Mark, bar auf die Hand. Und jetzt?

(Foto: Grafik: Julia Wolf)

Das Geld ist der Lohn für die Arbeit der vergangenen Monate, in denen er am Bau ausgeholfen hat an Samstagen, manchmal auch am Nachmittag nach der Schule. Er war dafür zuständig, in einer alten Betonmaschine den Mörtel für die Maurer anzurühren. "Was ist das denn für ein trockener Dreck?", riefen sie, wenn er mit der Schubkarre ankam. Bei der nächsten Mischung schüttete er etwas mehr Wasser in die Trommel, da riefen sie: "Was ist das denn jetzt wieder für eine Suppe?"

Die 500 Mark waren also hart verdient. Umso größer jetzt das Glücksgefühl. Das erste eigene Geld. Was man damit alles anfangen können würde: ein Mofa kaufen. Der frechen Schwester einfach 20 Mark hinlegen und ihr triumphierend sagen: "Da, Kleine, kauf dir was Schönes." Eine Interrail-Karte finanzieren, vier Wochen wegfahren und noch 180 Mark zum Leben haben.

So ist es alo, wenn man alles verliert

Er entschied sich, erst mal da zu bleiben und sich anderweitig zu belohnen. In der Kleinstadt gab es einen Einkaufsmarkt namens "Isar Center", der hatte eine passable Musikabteilung. Vor der Eingangstür der Schock: Er tastete in der Tasche seines Parka nach den fünf blauen 100-Mark-Scheinen, doch sie waren weg. Hektisch suchte er in allen sechs Taschen - nichts zu finden. Er ging den Weg zurück, vielleicht lag das Geld noch auf der Straße - ohne Erfolg. Seine Stimmung kippte in Verzweiflung. So also ist es, wenn man sich als reicher Mann fühlt und alles verliert.

Ein letztes Mal kramte er in seinen Taschen, da fand er die Geldscheine doch noch. Sie hatten sich hinter einem anderen Papier versteckt. Aufatmen. So also fühlt es sich an, wenn man sein ganzes Geld verloren glaubte und es plötzlich wieder findet.

Mit Mick Jagger zum Sparbrief

Er ging in die Musikabteilung des "Isar Center" und kaufte etwas, das er sich schon lange gewünscht hatte: eine Musikkassette mit den 30 größten Hits der Rolling Stones: Satisfaction, Angie, Get Off Of My Cloud... Seine Freunde würden neidisch sein.

Kein mickriger Sparbuchzins, bitte!

Wie auf Wolken schwebte er weiter durch die Straßen seiner Kleinstadt. Direkt in die Sparkasse. Er ging zum Schalter und verkündete, er habe fast 500 Mark anzulegen. Was man ihm denn anbieten könne. Und man möge ihn bitte nicht mit dem mickrigen Sparbuchzins abspeisen.

Der junge Mann hinter dem Schalter unterbreitete ihm das Angebot: Er könne das Geld in einem Sparbrief anlegen. Die 500 Mark würden sich auf fast 600 Mark ansammeln, wenn er das Geld vier Jahre liegen lasse. Das schien ihm ein guter Deal. In vier Jahren wäre er 20. Was man dann alles mit dem Geld anfangen können würde. Er unterschrieb den Sparvertrag in dem festen Glauben, dass er von nun an nicht mehr nur selbst arbeiten würde. Ab sofort würde er auch das Geld für sich arbeiten lassen. Time was on my side.

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