Mehr Licht:Cinderellas großer Auftritt

Corporate Lighting dient dem Prestige von Unternehmen - wenn es nicht nur um Effekthascherei geht.

Von Oliver Herwig

Immer mehr Firmen entdecken ihre größte Werbefläche: das eigene Haus. Bei Nacht verwandeln sich Bürotürme und Montagehallen in leuchtende Botschafter. Lichtdesigner malen Konzernfarben auf die Wände und projizieren Bilder auf Balustraden und Balkone.

tunnel münchener rück; buschmann

Eine magische Wirkung haben Lichtkünstler dem Verbindungstunnel zwischen den Firmengebäuden der Münchener Rück verliehen.

(Foto: Foto: Jörg Buschmann)

Nach Corporate Architecture drängt nun Corporate Lighting nach vorne, die Kunst, Gebäude magisch auszuleuchten. Strahlende Eingänge verheißen gute Geschäfte. Kein Haus ist zu monoton, keine Fassade zu grau für die Spezialisten der Nacht, im Gegenteil: Was wie Aschenputtel bei Tage aussieht, wird zu Cinderella bei Nacht - immer mehr Gebäude verwandeln sich in der Dämmerung.

Mitunter glänzt selbst die Münchner Pinakothek der Moderne in Gold und Rot, wenn es Firmenkunden wünschen und für einen Abend die Rotunde mieten. Die Pinakothek der Moderne zeigt gerade die wohl größte Lichtshow unserer Zeit, Dan Flavins Retrospektive, der aus simplen Neonröhren große Kunst schuf. Minimalistischer Lichtzauber in kühler Architektur - ein immer selteneres Schauspiel.

Angst vor "Zerlegung"

Die Zeiten, in denen Architektur etwas Unberührbares war, seien vorbei, behauptet Andreas Schulz. Gleichzeitig warnt der studierte Elektrotechniker: ,,Wenn nur noch Werbebotschaften über die Wände flimmern, zerlegt es unsere Städte.''

Cinderellas großer Auftritt

Schulz unterrichtet Lighting-Design an der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen und setzt seit 1993 mit seinem Bonner Büro ,,LichtKunstLicht'' Häuser ins beste Licht. Darunter auch das Berliner Bundeskanzleramt. Helmut Kohl erkannte sofort die Bedeutung einer solchen Inszenierung, erinnert sich Schulz. Immerhin ging es um das Bild der Regierung zur besten Sendezeit, wenn Fernseh-Korrespondenten aus aller Welt das Haus als Hintergrund für ihre Aufsager nutzen. So gebe ,,Architektur ein sexy Bild für Presseleute'' ab, frohlockt Schulz, der die Ängste mancher Architekten gut nachvollziehen kann, die ein Haus entwarfen und nun einen Glitzertempel erleben.

Mehr Licht: Das Thema Energiesparen ist in aller Munde. Die normale Glühlampe ist nur auf den ersten Blick am günstigsten, nämlich bei der Anschaffung. Vergleicht man auch andere Parameter, ist sie dagegen am teuersten. (Quelle: Globus)

Das Thema Energiesparen ist in aller Munde. Die normale Glühlampe ist nur auf den ersten Blick am günstigsten, nämlich bei der Anschaffung. Vergleicht man auch andere Parameter, ist sie dagegen am teuersten. (Quelle: Globus)

Was ist gutes Licht?

Architekten, Designer und Lichtkünstler entwickeln immer neue, immer spektakulärere Konzepte, Gebäude zu inszenieren. Ohne kongeniales Licht gehe das beste Material verloren, erklärt Volker von Kardorff, Lichtplaner aus Berlin, in einem Grundsatzaufsatz. Der Architekt fügt hinzu: ,,Schlechtes Licht zerstört die raffinierteste Materialkomposition.''

Was aber ist gutes Licht, und wie wird es eingesetzt? Wirkung ist nicht nur eine Frage von Lux und Watt, sondern Folge guter Gestaltung. Lichtdesigner öffnen einen ganzen Fächer von Stimmungen, die im besten Fall genau auf den Ort abgestimmt sind. Kunst und Kommerz verschwimmen, wenn nur noch der Effekt im Vordergrund steht. Es gibt mittlerweile etliche harsche Kritiker der neuen Lichtsucht.

Cinderellas großer Auftritt

Denn mindestens drei Schattenseiten zeigt die Architektur der Nacht: Geschichtsfälschung, Flutlichtbeleuchtung und Effekthascherei. So genannte Up-Lights, die vom Boden aus nach oben strahlen, drehen traditionelle Architektur mit ihren Gesimsen und Ornamenten einfach um, stellen das auf Tageslicht ausgerichtete Haus förmlich auf den Kopf. Manche Häuser ertrinken in Licht, vor lauter Lux geht jede differenzierte Fassade, jedes Detail verloren.

Kunst statt Werbung

Wir erleben gerade einen fundamentalen Wandel von Immobilien zu bewegten Bildern in der Stadt. Medienfassaden sind der nächste Schritt - die riesigen Glasfassaden moderner Büros bilden die ideale Projektionsfläche. Kombiniert mit LED-Bildschirmen, erzählen illuminierte Fassaden Geschichten. Las Vegas machte es vor. Nun wollen es alle.

Die Gegenbewegung hat wohl schon begonnen. Wenn etwa die Münchener Rück ihre Häuser illuminiert, ist Kunst zu erleben, keine Werbefläche. Olafur Eliassons ,,Lichtvorhang'' neben dem Hauptsitz und Roland Fischers ,,Lightbox'' vor dem Münchner Tor wehen wie eine frische Brise durch den neuen Glitter. ,,Im Vordergrund steht ihr künstlerischer Wert und weniger die Absicht, eine demonstrative Außenwirkung zu erzielen'', sagt Susanne Ehrenfried, Kunstbeauftragte des Unternehmens.

So viel Zurückhaltung ist selten. Sie könnte auffallen, wenn immer mehr Fassaden wie flüssiges Metall glühen.

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