Megadeal in der Finanzbranche:Die Strippenzieher

Milliardendeal in der Bankenszene: Die Commerzbank übernimmt die Dresdner Bank in zwei Tranchen. Doch wer hat eigentlich "Ja" gesagt? Die Protagonisten in Bildern.

Martin Hesse

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Klaus-Peter Müller, dpa

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Milliardendeal in der Bankenszene: Die Commerzbank übernimmt die Dresdner Bank in zwei Tranchen. Wie die Protagonisten Schicksal spielten. Von Martin Hesse

Wann sich die Wanderfalken auf dem Commerzbank-Hochhaus eingenistet haben, weiß heute keiner mehr so genau. Irgendwann im vergangenen Jahr wurden die seltenen Vögel entdeckt, und bald studierte auch der damalige Vorstandschef Klaus-Peter Müller ihr Verhalten. Über eine Kamera ließ er sich in sein Büro übertragen, was die Tiere auf der Außenplattform des 57. Stockwerks in 220 Meter Höhe so trieben. Und irgendwann dürften Müller dabei Parallelen zu seinem eigenen Tun aufgefallen sein.

Klaus-Peter Müller

Vom Aussterben bedroht, wie die Wanderfalken, war auch Müllers Commerzbank, kurz nachdem er die Führung im Jahr 2001 übernommen hatte. Mühsam päppelte er seine Bank wieder auf; getrieben von unerschütterlichem Optimismus gab er Vorstand und Mitarbeitern ihr Selbstvertrauen zurück. 2005 schließlich ging Müller zum Angriff über: Er kaufte mit der Commerzbank die Hypothekenbank Eurohypo - keine riesige Beute, aber immerhin ein mittelgroßer Vogel, so wie sie die Wanderfalken bevorzugen. Und fortan war Müller, der sich in 40 Jahren bei der Commerzbank nach oben gearbeitet hatte, nicht mehr zu bremsen. Müller wollte mit der Commerzbank unbedingt wieder nach oben. Um das zu schaffen, plusterte er sich auch schon mal etwas größer auf, als er und seine Bank eigentlich sind. ,,Wir können das wuppen, was wir wuppen wollen'', sagte er bei der Bilanzpressekonferenz 2007. ,,Das heißt aber nicht, dass wir alles wuppen wollen, was andere uns gerne wuppen sehen würden.''

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Herbert Walter, ddp

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Herbert Walter

Müllers Wille, zu wuppen, wurde zum geflügelten Wort. Doch nach der Eurohypo gab es für den Freund gedrechselter Sätze lange nichts zu wuppen. Und seine Zeit lief ab. Müllers Nachfolger Martin Blessing war schon bestimmt, als den Raubvögeln vom Frankfurter Kaiserplatz endlich eine mögliche Beute buchstäblich vor die Füße fiel. Kaum 200 Meter entfernt lief im Frühjahr 2008 die Zeit für Herbert Walter ab. Fünf Jahre zuvor hatten Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle und sein Nachfolger Michael Diekmann den gebürtigen Oberbayern an die Spitze der Dresdner Bank geholt. Er sollte das Kreditinstitut sanieren, das Schulte-Noelle und sein Finanzvorstand Paul Achleitner 2001 übernommen hatten. Ihre Idee war die vom Allfinanzkonzern, der Versicherungen und Bankprodukte aus einer Hand anbietet. Achleitner war der Mann für den großen Entwurf, der akribische Arbeiter Walter sollte ihn umsetzen.

Es war eine Sisyphus-Aufgabe. Wohl kaum ein Banker hätte den Stein so oft und mühsam den Berg hochgewuchtet, um ihn dann wieder herunterrollen zu sehen, wie der zähe Analytiker Walter. Er baute mehr als 20000 Arbeitsplätze ab, reihte Umbau an Umbau, schaffte 2006 die Gewinnziele, die ihm die Mutter in München vorgab. Doch 2007 machte die Kreditkrise alles Erreichte wieder zunichte. Die Investmentbank Dresdner Kleinwort - die Walter längst abspalten wollte, was die Allianz dem Vernehmen nach blockierte - bescherte der Bank Milliardenverluste.

Walter wurde zur tragischen Figur. Im März 2008 beschloss Allianz-Chef Diekmann, die Dresdner Bank aufzuspalten und zum Verkauf zu stellen. Walter musste abwickeln, was er zuvor aufgebaut hatte. Wie ihn das frustrierte, hat sich der stets kontrollierte und freundliche König der Powerpoint-Präsentationen nur einmal anmerken lassen. Als Journalisten ihn bei der Präsentation der Halbjahreszahlen vor zwei Wochen wieder einmal mit kritischen Fragen überzogen, rechnete Walter in einer Art mit seinen Kritikern ab, die an die berühmte Scheißdreck-Rede des Ex-Fußball-Bundestrainers Rudi Völler erinnerte.

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Michael Diekmann, ddp

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Michael Diekmann

Walter habe oft für die Probleme Diekmanns den Kopf hinhalten müssen, heißt es in Frankfurt. Diekmann, der Mann aus Westfalen, der sich so lange unsichtbar machte, unscheinbar blieb an der Spitze des zeitweise größten Versicherungskonzerns der Welt. Der aber gleichwohl die Allianz revolutionierte. Diekmann brachte die Verunsicherung in die Versicherung, dorthin, wo Kunden und Mitarbeiter Sicherheit und Vertrauen suchten. Er selbst hatte immer wieder den unkonventionellen Weg gewählt. Michael Diekmann studierte zunächst Philosophie und reiste um die Welt, schrieb einen Kanu-Reiseführer, brach sein Studium ab, um auf Jura umzusatteln, brach auch mit alten Freunden. Später ging Diekmann für die Allianz nach Asien, anstatt bequem in der Zentrale Karriere zu machen.

Viel Unbequemes mutete Diekmann als Chef auch seinen Mitarbeitern zu, baute Tausende Stellen ab. Jetzt werden bei der Dresdner Bank erneut viele Arbeitsplätze wegfallen. Auch wenn es Leute gibt, die sich dagegen wehren. Menschen wie Claudia Eggert-Lehmann, die für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der Dresdner Bank und der Allianz sitzt. Sie und ihr Kollege Uwe Tschäge bei der Commerzbank erkannten früh, dass sie die Fusion nicht würden stoppen können. Doch sie wollen dafür sorgen, dass die 9000 Arbeitsplätze, die wegfallen dürften, möglichst schonend abgebaut werden. "Wenn eine Bank entsteht, die den Arbeitnehmern eine sichere Zukunft bietet und wenn der Stellenabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen abgeht, dann finde ich die Fusion gut", sagt Tschäge.

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Martin Blessing, AP

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Martin Blessing

Eine sichere Zukunft? Das liegt jetzt nicht mehr in der Hand Walters, auch nicht Diekmanns, noch nicht einmal Müllers. Es liegt an Martin Blessing. 108 Tage, nachdem der 45-Jährige den Vorzeigebanker Müller beerbt hat, vollendet er dessen Traum vom großen Wurf. Eben noch war er einer von Müllers jungen Wilden, die auszogen, unter der Führung des alten Leitwolfes die Bankenwelt zurückzuerobern. Jetzt muss Blessing es selbst wuppen. Er muss die Bank integrieren, bei der er einst in die Lehre ging. Der frühere McKinsey-Mann gilt als analytischer Kopf wie Walter. Doch er wird darüber hinaus Diekmanns Härte und Müllers Fortune brauchen. Und den Weitblick der Wanderfalken.

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