Massenprotest gegen Sparmaßnahmen:Griechischer Frust

Die Griechen haben ein hartes Jahr hinter sich, doch inzwischen wissen alle: Sparen ist nicht genug. Eine Umschuldung und Strukturreformen werden wohl kommen. Bei einem Generalstreik entlädt sich die Wut.

Kai Strittmatter, Athen

Zweimal Griechenland, zwei Welten: Der Premier Giorgos Papandreou ist in Berlin und verspricht: Wir zahlen alle Schulden zurück, mit Zinsen. Die Bürger sind zu Hause auf der Straße und wissen: Das kann nicht stimmen.

Am Mittwoch war wieder einmal Generalstreik. Es streikten vor allem Beamte, Journalisten und Lehrer. "Wir haben so viel Opfer gebracht", sagte die Athener Lehrerin Zoe, die mit marschierte. "Und es wird immer klarer, dass sie vergebens waren. Keiner hier glaubt daran, dass wir die Schulden zurückzahlen können. Natürlich wird die Umschuldung kommen."

Die Griechen haben ein hartes Jahr hinter sich, und sie ahnen: Es wird noch schlimmer kommen. Die Regierung hat Löhne und Gehälter gekürzt, das Pensionsalter hoch gesetzt und die Steuern erhöht - viele der Griechen, die am Mittwoch in Athen auf die Straße gingen, haben heute 20 bis 30 Prozent weniger im Geldbeutel als noch vor einem Jahr.

Die Arbeitslosigkeit ist auf fast 13 Prozent gestiegen. Den eisernen Sparwillen erkennt die Welt an, Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenso wie die Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Kommission und Europäischer Zentralbank, die Griechenlands Finanzen kontrollieren. Bloß wird von Tag zu Tag klarer: Sparen reicht nicht.

Zwar sind die Griechen auf einem guten Weg, das Haushaltsdefizit von 15,4 Prozent im Jahr 2009 in die Nähe der verlangten drei Prozent herunterzudrücken. Aber sie laufen dabei Gefahr, sich totzusparen: Die Leute haben Angst um ihre Zukunft und geben nichts mehr aus, der Wirtschaft steht das dritte Rezessionsjahr in Folge bevor, wahrscheinlich wird sie 2011 um drei Prozent schrumpfen.

Die Staatsschulden steigen weiter

Konkrete Folge für die Regierung: Die Einnahmen bleiben aus. Und mit Schrecken bemerken die Menschen, dass sie bei all den Erfolgsmeldungen über den Rückgang des Haushaltsdefizits eines aus den Augen verloren hatten: Die Staatsschulden wachsen weiter. Es sind bereits mehr als 340 Milliarden Euro.

Anders als im vergangenen Jahr geht es nicht mehr nur ums Sparen - es stehen jetzt Strukturreformen an. Darauf wollten die Inspektoren der Troika aufmerksam machen, als sie vor zwei Wochen öffentlich forderten, die Griechen sollten Staatsbesitz und -land verkaufen, um damit 50 Milliarden Euro zu erlösen. In Interviews berührten die Inspektoren einen heiklen Punkt: Sie empfahlen in Interviews den Verkauf von Stränden und Flughäfen.

Das erinnerte patriotische Griechen an den Vorschlag deutscher Politiker und Boulevard-Blätter vom letzten Sommer, sie sollten doch ihre Inseln verschachern. Sofort kochte die Wut wieder hoch. Premierminister Papandreou sah sich gezwungen, die Vorschläge "inakzeptabel" zu nennen - um dann kleinlaut hinterher zu schieben, Erlöse von 50 Milliarden seien sehr wohl denkbar.

Ein Landkataster muss erst angelegt werden

Allerdings nicht durch den "Verkauf", sondern durch die "Nutzung" von Staatseigentum. Vor einem solchen Ergebnis stehen allerdings die alten griechischen Probleme: Der Staat weiß nicht einmal, wie groß sein Besitz ist, ein Landkataster muss überhaupt erst angelegt werden.

Papandreou und sein Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sind entschlossen, die Modernisierung des Landes voranzutreiben. Gut möglich jedoch, dass der Widerstand nun größer wird: "Je mehr es um Strukturreformen geht, umso heikler werden die Themen", sagt der in Oxford und Athen lebende deutsche Ökonom Jens Bastian. Die Regierung muss noch mehr Bürgern auf die Füße treten.

Sie hat es bereits versucht, die Ergebnisse sind durchwachsen. Der viel beworbene Kampf gegen die grassierende Steuerhinterziehung etwa brachte bislang nicht die erhofften Resultate: "Wir waren sehr erfolgreich darin, herauszufinden, wer uns Steuern schuldet", lässt sich Ilias Plaskovitis, ein Spitzenbeamter des Finanzministeriums zitieren, "aber viel weniger erfolgreich darin, sie auch einzutreiben."

Miserable Koordination der Regierungsarbeit

Ein Beispiel dafür, was die Regierung erwartet, ist das neue Gesetz, das viele bislang geschützten Berufsgruppen für den Wettbewerb öffnen soll: Auch innerhalb der regierenden Pasok revoltierten Abgeordnete gegen die Abschaffung alter Privilegien. Ein Artikel, der es Anwaltskanzleien erlaubt hätte, auch Ableger in anderen Städten zu eröffnen, wurde daraufhin gestrichen.

Kommentatoren beklagen die miserable Koordination der Regierungsarbeit. Erstmals sind Pasok-Abgeordnete zu hören, die von baldigen Neuwahlen sprechen - was der Premier kategorisch ausschließt. Die Opposition wittert "Chaos" in der Regierung und erste Abtrünnige bei Pasok.

Ein Berater von Papandreou sagt derweil hinter vorgehaltener Hand, auch den Regierenden in Athen sei klar, dass man an einer Umschuldung nicht vorbeikommen werde. Wenn der Premier sie öffentlich ausschließe, dann vor allem deshalb, weil ihm ernst sei mit der Umstrukturierung des Landes und weil er Angst habe, ein solches Eingeständnis könne den Reformwillen lähmen.

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