Martina Gedeck:Komische Tragödin

Ein Gespräch mit der Schauspielerin über ihre Münchner Wurzeln, Helmut Dietl und die facettenreiche Aussprache des Wortes "Gnocchi".

Interview von Josef Grübl

An einem heißen Junitag klingelt um zwölf Uhr mittags das Telefon, an der anderen Leitung ist eine der profiliertesten und populärsten Schauspielerinnen Deutschlands. Martina Gedeck ist pünktlich auf die Minute - und in Plauderlaune. Eigentlich hat sie gerade wenig Zeit, sie dreht in Prag die historische Serie Oktoberfest, bald kommt sie aber nach München: Beim Filmfest laufen drei Filme mit ihr, zwei neue und ein altbekannter.

SZ: Sie bringen eine neue Komödie und ein neues Drama mit. Vom Stil her unterscheiden sie sich natürlich, aber wie ist es für Sie? Spielen Sie in Komödien anders?

Martina Gedeck: Das Komödiantische entsteht oft dadurch, dass die Figuren nicht wissen, was passiert und die Kontrolle über die Situation verloren haben. Deshalb bemühen sie sich verzweifelt, der Beschädigung, die ihnen bevorsteht, zu entgehen - weshalb wiederum sie sich auch nicht vorbereiten können. Der Ausnahmezustand der Figuren ist also etwas anders gelagert als beim Drama. Schauspielerisch hat das etwas mit einem gewissen Energielevel und mit Schnelligkeit zu tun - beziehungsweise einer Langsamkeit im richtigen Moment. Man braucht ein Gefühl für Timing, es erfordert auch eine etwas andere Technik als das Drama. Aber natürlich spielt man alles gleichermaßen ernsthaft. Wenn ich einen Schlagabtausch mit meinem Mann spiele, muss ich in die Gefühle reingehen. Die Verletzung und die Enttäuschung müssen spürbar sein. Sonst taugt es nichts.

In "Und wer nimmt den Hund?" trennt sich Ihre Figur nach vielen Jahren von ihrem Mann. Eine traurige Geschichte, die aber lustig erzählt wird. Entstehen aus der Tragik große Komödien?

Ja. Hier begleiten wir ein Paar dabei, wie es sich langsam voneinander verabschiedet. Zunächst einmal ist das keine glückliche Voraussetzung, aber die Art, wie es passiert und welche Situationen daraus entstehen, ist eben doch sehr komisch. Hinzu kommt, dass sich jeder selbst ein bisschen darin erkennt.

Es geht auch nicht um die Schuldfrage. Der Mann und die Frau haben beide Stärken und Schwächen.

Wenn man nur die Geschichte vom Mann erzählen würde, der seine Frau verlässt und eine Geliebte hat, wäre das ein bisschen langweilig. Hier wird das aber gebrochen, und schon bald ist er derjenige, der nicht mehr klar kommt und unser Mitleid hat. Die Frau dagegen ist scheinbar in der schlechteren Ausgangssituation. Doch aus ihrer Ohnmacht heraus entwickelt sie unglaubliche Kräfte.

Martina Gedeck: Draußen vor der Tür: Im österreichischen Drama Herzjagen spielt Martina Gedeck eine herzkranke Frau, die nach einer Operation wieder gesund wird. Mit dem neuen Zustand, als Gesunde unter Gesunden, kommt sie aber nicht klar.

Draußen vor der Tür: Im österreichischen Drama Herzjagen spielt Martina Gedeck eine herzkranke Frau, die nach einer Operation wieder gesund wird. Mit dem neuen Zustand, als Gesunde unter Gesunden, kommt sie aber nicht klar.

(Foto: Felipe Kolm)

Neben den neuen Filmen läuft auch Helmut Dietls "Rossini" aus dem Jahr 1997. Erinnern Sie sich an die Dreharbeiten?

Ja, sogar sehr genau. Denn auch wenn meine Rolle nicht sehr groß war, war ich eigentlich jeden Tag da. Deshalb habe ich sehr genau mitbekommen, wie behutsam und liebevoll Helmut Dietl mit seinen Schauspielern gearbeitet hat. Was die Zeit und die Aufmerksamkeit betrifft, war das eine Arbeit, die geradezu luxuriös war.

Wie sind Sie an die Rolle gekommen?

Helmut Dietl hatte mich auf der Bühne gesehen, meine Filme kannte er damals nicht. Er sagte zu mir, dass diese Serafina eine Gegenfigur zur Schickimicki-Welt sei. Er war auch bei der Kostüm- und Maskenprobe dabei, da wollten sie mich anfangs wie eine typische italienische Kellnerin aussehen lassen, mit langen schwarzen Locken und kurzem Röckchen. Er sagte aber: "Nein, die muss wie ihre eigene Großmutter aussehen, wie aus einer anderen Zeit." Er wusste genau, was er wollte - und das war dann auch genau richtig für die Figur.

Wie war dann die eigentliche Arbeit an diesem Film?

Laut Drehbuch hatte ich circa drei Szenen - die hat er aber dann ausgebaut und sehr präsent inszeniert. Damit hat er die Serafina in den Reigen der großen Auftritte mit hineingehoben. In meiner ersten Szene musste ich nur zu Joachim Król an den Tisch kommen, ihm einen Teller hinstellen und "Gnocchi" sagen. Das haben wir über eine Stunde lang geprobt und gedreht. Ich kann mich erinnern, dass Götz George in derselben Szene einen Riesenmonolog hatte, irgendwann nervös wurde und sagte: "Ich wusste gar nicht, dass man auf so viele Weisen 'Gnocchi' sagen kann." Aber Helmut Dietl wollte es einfach perfekt haben. Mir hat das unglaublich viel Spaß gemacht, es war eine berauschende Arbeit.

Kannten Sie damals die Münchner Szene, von der "Rossini" erzählt?

Überhaupt nicht. Ich bin zwar in München geboren, aber nicht hier groß geworden. Als ich zehn war, ist meine Familie aus Bayern weggezogen, danach habe ich nie mehr wirklich hier gelebt. In der Zeit, als der Film gedreht wurde, hatte ich wenig Kontakt zu den anderen Mitwirkenden - und bin auch nach Drehschluss nicht mitgegangen in das berühmte Restaurant.

Obwohl Sie schon lang in Berlin leben, spielen Sie manchmal bayerische Rollen, zuletzt in Josef Bierbichlers "Zwei Herren im Anzug". Was verbindet Sie mit Bayern?

Ich mag die Luft und das Licht, die sind hier anders als anderswo. Bayern ist meine Heimat, hier sind meine Wurzeln. Auch als wir in Berlin waren, sind wir in den Ferien immer zu meiner Großmutter nach Niederbayern gefahren. Ich habe immer wieder bayerische Figuren gespielt, beispielsweise die Hölleisengretl von Jo Baier. Momentan drehe ich auch wieder eine bayerische Rolle: In der Serie Oktoberfest spiele ich eine Münchner Bierbrauerin.

Haben Sie den bairischen Dialekt noch drauf? Oder müssen Sie trainieren?

Den habe ich noch. Wobei das Bairisch, das wir in meiner Kindheit gesprochen haben, sehr viel gscherter war als das, was man heute in München spricht. Aber in Filmen muss man ohnehin an den Worten feilen, weil es immer um die Frage geht, ob es die Leute außerhalb von Bayern verstehen. In Oktoberfest habe ich einen Satz, der heißt: "Ja, da steht's ihr, ihr Deifin." In Bayern versteht man diesen Satz, in Berlin aber gar nichts mehr davon - na ja, das "Ja" vielleicht. Deswegen werden aus den "Deifin" vielleicht noch "Teufel".

Martina Gedeck kommt zu den Premieren ihrer beiden neuen Filme: Herzjagen wird erstmals am Montag, 1.7., im Gloria Palast gezeigt (18 Uhr), Und wer nimmt den Hund? am Dienstag, 2.7., im Carl-Orff-Saal (17 Uhr); Rossini läuft am Samstag, 29.6., im Open-Air im Gasteig-Forum (22 Uhr)

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