Süddeutsche Zeitung

Marktführer mit Magerzins:Allianz kürzt Zins für Lebensversicherungen

Zehn Millionen Deutsche sind betroffen: Der Allianz-Konzern senkt die laufende Verzinsung für seine Lebensversicherungen. Es dürfte ein Signal für die ganze Branche sein. Und wenn andere Versicherer nachziehen, werden sich noch weit mehr Personen mit einer geringen Rendite zufriedengeben müssen.

Von Andreas Jalsovec

Es ist eine der Statistiken, die man nicht wörtlich nehmen sollte. Aber sie sagt doch viel darüber aus, wie wichtig dieses Finanzprodukt für das Volk ist: Rein rechnerisch hat jeder Deutsche mehr als eine Lebensversicherung. Knapp 90 Millionen Verträge gibt es. Allein zehn Millionen davon haben Versicherte mit dem Marktführer Allianz geschlossen.

Für die Kunden gab es nun eine schlechte Nachricht: Im kommenden Jahr erhalten sie einen deutlich geringeren Zins für ihre Policen als noch 2012. Er sinkt von 4,0 auf 3,6 Prozent. Kunden, deren Versicherung 2013 ausläuft, erhalten zwar noch einen Schlussüberschuss und einen Anteil an den stillen Reserven des Unternehmens - sie kommen damit insgesamt auf 4,2 Prozent Verzinsung. Aber auch das sind 0,3 Prozentpunkte weniger als 2011.

Der Zins bei Lebensversicherungen setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Zum einen gibt es den Garantiezins: Den erhalten Kunden in jedem Fall. Außerdem zahlen die Versicherer eine Überschussbeteiligung an ihre Kunden aus, also einen Anteil am Gewinn des Unternehmens. Dass dieser nun bei der Allianz sinkt, ist ein Signal für die gesamte Branche - und kein gutes: "Es ist davon auszugehen, dass die Überschussbeteiligung bei nahezu allen Versicherern zurückgeht", meint Axel Kleinlein, Chef des Bundes der Versicherten. "Dass sie das jedoch so massiv tut, ist ein Armutszeugnis für die Branche." Die Unternehmen, so Kleinlein, seien relativ gut durch die Krise gekommen. Die deutlichen Abstriche bei den Erträgen der Lebensversicherungen, die Kunden nun tragen müssten, sei daher "alles andere als fair".

Kurz vor der Allianz hatte auch die Ergo die laufende Verzinsung gesenkt. Sie geht um 0,6 Prozentpunkte auf 3,2 Prozent zurück. Die Alte Leipziger zahlt ihren Kunden 2013 nur noch 3,35 Prozent - ein Minus von 0,5 Prozentpunkten. Bei der DEVK liegt der Zins bei 4,0 Prozent (minus 0,1).

Grund für die geringeren Überschüsse ist die anhaltende Niedrigzinsphase an den Finanzmärkten. Die deutschen Lebensversicherer haben das Geld ihrer Kunden zu fast 90 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren angelegt - etwa in Staatsanleihen. Diese bringen deutlich weniger Ertrag als früher. Deswegen fallen auch die Beteiligungen, die an die Kunden ausgezahlt werden, geringer aus.

Dennoch biete man den Versicherten "weiterhin eine sehr attraktive Verzinsung", meint Markus Faulhaber, Vorstandschef der Allianz Leben. Tatsächlich sind 3,6 Prozent mit anderen Zinspapieren derzeit kaum zu erhalten. "Allerdings weiß keiner, wie es künftig mit den Überschüssen bei Lebenspolicen weitergeht", meint Sascha Straub, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Sicher sei für die Kunden nur der Garantiezins - und der liegt für Neuabschlüsse bei mageren 1,75 Prozent. Angesichts der Abbruchquoten und hoher Kosten lohne sich eine Lebensversicherung daher häufig kaum noch als Altersvorsorge, meint Straub: "Sie ist unflexibel und kostspielig." BdV-Chef Kleinlein hält Lebenspolicen sogar für "überflüssig". Die Koppelung der Absicherung des Todesfallrisikos mit der Altersvorsorge "macht nur ganz selten Sinn".

Bei der Allianz dagegen sieht man gerade das als Vorteil: "Es gibt sonst kein Produkt, das diese Kombination bietet - und bei dem man bis ans Lebensende eine Rente bekommt", meint ein AllianzSprecher. Lange Jahre war das ein Argument, das die Versicherten überzeugte - zumindest so lange die Verzinsung der Policen stimmte. Seit 2005 jedoch ist der laufende Zins von 4,4 Prozent auf derzeit rund 3,9 Prozent im Schnitt gesunken. Gleichzeitig nahm die Zahl der Verträge von gut 94 auf knapp 90 Millionen ab.

Im nächsten Jahr dürfte sich diese Entwicklung fortsetzen - dann droht den Versicherten ein weiterer Einschnitt. Um den Versicherungsfirmen während der Niedrigzinsphase unter die Arme zu greifen, beschloss der Bundestag jüngst, dass die Firmen ab 2013 nicht mehr die Hälfte ihrer stillen Reserven an die Kunden ausschütten müssen. Dazu waren sie bisher bei Ablauf eines Vertrags verpflichtet. Fällt der Zwang weg, verschafft das den Unternehmen finanziellen Spielraum. Für die Versicherten jedoch kann das deutlich weniger Geld bedeuten. "Das ist eines der vielen Geschenke der Politik an die Versicherungen", meint Axel Kleinlein. Ob es wirklich so kommt, ist mittlerweile aber wieder offen. Denn in der CDU regt sich Widerstand. Die Mehrheit der Delegierten beim CDU-Parteitag stimmte gegen den Beschluss - und noch ist er nicht durch den Bundesrat.

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SZ vom 06.12.2012/bbr
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